„Guter Mann … da mein Name Peacock ist und Sie mich mit Miss anreden, kann Mr. Maddock nicht mein Ehemann sein und damit auch nicht von mir beauftragt worden, die Bestellung meines Kostüms zu ändern.“
Hinter der Stirn des Schneiders arbeitete es. Offenbar erkannte er die Logik in ihren Worten. Er kratzte sich das Kinn, richtete den Ärmel seiner Dschallabija, obwohl sie makellos und ohne eine Falte war, und verschränkte dann die Arme vor der Brust. „Wollen Sie das Kostüm nicht?“
„Nein, ich möchte das Kostüm, das ich bestellt habe.“
„Aber ich habe es nicht angefertigt, da ich dachte, dass die Bestellung von Ihrem Ehemann geändert wurde.“
„Ich kann heute Abend unmöglich in so einem … Negligé zum Silvesterball erscheinen.“
„Dann gehen Sie eben nicht hin“, schlug der Schneider vor. „Ich muss noch weitere Kostüme ausliefern. Soll ich das Kostüm wieder mitnehmen?“
In einem Anflug von Trotz presste Patricia den Hauch von Stoff an ihre Brust. Um keinen Preis der Welt würde sie den Silvesterball verpassen, und ohne Kostüm gab es keinen Einlass. „Nein, ich behalte es“, stellte Patricia verärgert klar, während sie im Kopf ihre Garderobe durchging und überlegte, wie sie dem Kostüm ein wenig von seiner Skandalösität nehmen konnte.
„Dann gehe ich jetzt.“ Dem Schneider war klar, dass Patricia keine andere Möglichkeit blieb, als das Kostüm zu behalten, wenn sie auf den Silvesterball wollte.
Patricia sah ihm hinterher und richtete ihren Ärger auf den wahren Verursacher dieser Katastrophe. Sie würde das nicht so hinnehmen – dieses Mal nicht!
„Abdul … wenn Mr. Maddock zurückkommt ...“
Der Hausdiener steckte seinen Kopf in die Tür. „Ja, Memsahib?“
Natürlich hatte er gelauscht. Gute Hausdiener taten das, um immer informiert zu sein, das wusste Patricia von ihrer Anstellung bei Lady Blanford als Gesellschafterin.
„Es würde ja doch nichts bringen“, gestand Patricia sich selbst ein. John trieb sie in den Wahnsinn. Sie hätte ihn längst aus dem Haus werfen sollen, wie Fatima nicht müde wurde, anzumerken. Immerhin hatte er seine Detektei neu eröffnet, und genau wie auch Fatima argwöhnte Patricia, dass John sich gar nicht ernsthaft darum bemühte, eine Wohnung in Kairo zu finden.
Sie betrachtete das schreckliche Kostüm. Hiermit war allerdings der Höhepunkt dessen erreicht, was John sich herausnehmen durfte! Nach dem Silvesterball würde sie ihn auffordern, sich eine Wohnung zu suchen, und daran änderten auch die Momente der Schwäche nichts, die sie sich in der Gartenlaube mit ihm erlaubt hatte.
Bevor Patricia sich auf den Weg zurück in ihr Schlafzimmer machte, um die blau-silberne Peinlichkeit irgendwie in ein tragbares Kostüm zu verwandeln, gewann endgültig die Rachegöttin in ihr die Oberhand.
„Abdul, lassen Sie doch Miss Kitty in Mr. Maddocks Zimmer.“
„Aber Mr. Maddock mag doch keine Katzen.“
„Dann ist es an der Zeit, dass die beiden sich besser kennenlernen. Vertrauen Sie mir.“
Abdul zuckte die Schultern. „Wie Sie meinen, Memsahib. Außerdem kann ich bei der Gelegenheit auch gleich Mr. Maddocks Zimmer ausräuchern.“
Eine hervorragende Idee, wie Patricia fand. Gegen ihre innere Überzeugung verspürte sie tiefe Befriedigung bei der Vorstellung, dass John in sein Zimmer käme, und Miss Kitty dort vorfände. Sie hoffte außerdem inständig, dass irgendetwas von Johns persönlichen Dingen Miss Kittys Krallen zum Opfer fallen würde – vorzugsweise sein Kostüm. Das hatte sie noch gar nicht gesehen. Patricia war jedoch ziemlich sicher, dass es nicht durchsichtig war wie ihres.
John hätte nichts dagegen gehabt, sich unter dem Sofa zu verkriechen und erst wieder herauszukommen, wenn die Schlechtwetterfront vorbeigezogen war. Patricias Laune schien sich einfach nicht bessern zu wollen. Schon als er und Sir Tiny die Tür hereingekommen waren, hatte sie wie ein güldener oder besser blau-silberner Racheengel im Salon auf ihn gewartet. Patricia war ein atemberaubender Anblick in dem Kostüm, das er ausgesucht hatte. Wobei es schade war, dass sie eines ihrer seidenen Nachthemden unter dem Stoff trug. Soweit John wusste, trugen Wüstenprinzessinnen oder Fata Morganen keinen Stoff unter ihren Schleiern.
Entgegen seiner Erwartung hatte sich das Gewitter allerdings nicht sofort über ihm entladen – das wäre John weitaus lieber gewesen, als diese schwärende Gefahr eines Ausbruchs, der sich da zusammenbraute. Im Gegenteil hatte Patricia so getan, als wäre alles in bester Ordnung. Kein Wort darüber, dass er diese Scheußlichkeit, die sie sich als Kostüm ausgesucht hatte, heimlich ausgetauscht hatte. Allerdings wusste John, dass Blicke bei Patricia weitaus gefährlicher waren als Worte … und ihre Blicke schossen Blitze in seine Richtung.
„Ich bin gespannt auf Ihr Kostüm, John“, hatte sie gesagt und sich von Fatima einen Mokka servieren lassen, während sie darauf wartete, dass er sich für den Silvesterball umzog. Sir Tiny, der ein gutes Gespür für Stimmungen hatte, war lieber John hinterhergetrabt, anstatt bei Patricia im Salon zu bleiben.
Das wahre Ausmaß ihres Unmutes hatte sich John allerdings erst erschlossen, als er sein Zimmer betreten hatte, in dem der Geruch von Abduls Räucherung in der Luft lag. Als wäre das nicht schlimm genug gewesen, lag mitten auf seinem Bett das hinterhältige rote Katzenvieh, zwischen den Krallen seinen neuen Panamahut, den er sich von dem Verdienst aus seinem letzten Fall – einem entlaufenen Pekinesen – gegönnt hatte.
„Du hinterhältiges Vieh“, hatte John Miss Kitty angefahren, was die Katze mit einem Fauchen in seine Richtung quittierte. Dann war sie vom Bett gesprungen und aus seinem Zimmer geflohen. Sir Tiny war ihr gefolgt. John fand, dass die Katze einen schlechten Einfluss auf Sir Tiny ausübte, aber Patricia wollte davon nichts hören, geschweige denn davon, Miss Kitty wieder auf die Straße zu setzen. Dafür hätte sie aber ohnehin erst an Fatima vorbeigemusst. Seit Miss Kitty das verlorene Medaillon mit dem Bild ihrer Tochter im Garten gefunden hatte, waren Fatima und die Katze ein Herz und eine Seele. Und das, obwohl Fatima Katzen nicht ausstehen konnte. Wobei, je öfter John darüber nachdachte, ihm Fatimas Sinneswandel nicht mehr unlogisch erschien. Hatten Hexen und Katzen nicht schon immer eine unwiderstehliche Anziehung aufeinander ausgeübt? Vielleicht hätte Abdul seine Räucherungen lieber auf Fatimas Zimmer konzentrieren sollen.
Bedauernd hatte John seinen neuen und jetzt ruinierten Hut entsorgt. Die Krempe war von Miss Kittys Krallen zerfetzt. Außerdem hatte sie den Hut als Katzenklo benutzt.
Eines musste man Patricia lassen – mittlerweile wusste sie, wie sie ihm seine doch wirklich gut gemeinten Hilfestellungen heimzahlte.
Nur leider besserte sich Patricias Laune nicht. Selbst jetzt im Maybach, auf dem Weg zum Mena Hotel, herrschte eisiges Schweigen zwischen ihnen. Noch nicht einmal Abdul wagte es, seine seltsamen Lieder anzustimmen, die er sang, wenn er sie mit dem Maybach durch Kairo chauffierte. So konnte es nicht weitergehen. John hatte sich auf einen unterhaltsamen Abend an der Seite von Patricia eingestellt.
„Darling ...“
Sie funkelte ihn an. „Falls Sie daran denken – ich bin für keinerlei Entschuldigung zugänglich!“
Er sah Patricia an, als hätte sie einen schlechten Scherz gemacht. „Darling, warum sollte ich mich dafür entschuldigen, dass ich Sie davor bewahrt habe, sich als verstaubte alte Schachtel zu verkleiden?“
„Stattdessen sehe ich aus wie eine der Damen im Lotusgarten!“
John widersprach vehement. „Nein, dafür müssten Sie Ihr Korsett anlegen und das Nachthemd ausziehen.“
Anstatt einer Antwort zog Patricia einen Fächer aus ihrem Handbeutel, klappte ihn auf und begann, hektisch damit zu fächeln. John überlegte, wie er seine aufgebrachte Salome besänftigen konnte, während Abdul eine Kurve