Villa Heckel. T. D. Amrein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: T. D. Amrein
Издательство: Bookwire
Серия: Aus der Reihe Krügers Fälle
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738056327
Скачать книгу
eingesammelt worden, nur ein Nebeneffekt. Das verlieh der Aktion wenigstens einen Sinn, falls sich nichts ergeben sollte.

      Gruber fuhr im „Kommandoboot“ der Grenzacher Kollegen mit, zusammen mit dem Chef der dortigen Polizeistation, Meinrad Wappel. Sie wechselten zwischen den Booten hin und her, sichteten die Funde, sortierten aus. „Was meinen Sie, Herr Kollege? Wäre doch geeignet, um eine Leiche zu transportieren“, sagte Wappel zu Gruber, als sie einen noch guterhaltenen Kinderwagen betrachteten, der tropfend vor ihnen stand.

      Gruber seufzte. „Sicher nicht auszuschließen, doch eher unwahrscheinlich. Damit eine erwachsene Person vor sich her zu schieben, wäre nicht gerade unauffällig, finden Sie nicht auch?“

      Wappel zuckte mit den Schultern. „Im Dunkeln, zum Beispiel“, gab er zurück.

      Der nächste größere Fund, ein typischer Fahrradanhänger mit zwei Rädern, der sich ohne weiteres auch als Handwagen verwenden ließ, schien ergiebiger. Er trug ein angenietetes Schild mit der Aufschrift, „Pension zur goldenen Sonne“.

      Gruber und Wappel ließen sich die Adresse durchgeben. Das Gasthaus lag fast direkt am Rhein. „Strand fünfhundert Meter“, verhieß ein auffälliges Schild mit Richtungspfeil.

      Offenbar stellte man den Gästen diese Handwagen, die in einem offenen Unterstand aufgereiht waren, zur Verfügung, damit sie ihre Grills oder Liegestühle nicht schleppen mussten.

      Um möglichst alle zufriedenzustellen, standen die Wagen auch für Radtouren bereit. Ein in Folie eingeschweißtes Blatt wies ausdrücklich darauf hin. Dass ein Wagen fehlte, hatte bisher noch niemand bemerkt, die Badesaison war schließlich noch nicht angelaufen. Strand klang, gelinde gesagt, auch übertrieben, es war einfach eine Stelle am Rhein, wo man sich zwischen Bäumen und Wasser hinlegen konnte.

      „Jeder der will, kann sich so ein Ding ausleihen“, stellte Wappel messerscharf fest.

      Gruber widersprach nicht. Durchaus möglich, auch wenn er nicht daran glauben mochte, dass sich einer mit einer Leiche im Schlepptau solch einem Risiko aussetzte.

      Das Einfachste wäre ein Rollstuhl, den man leicht mitnehmen konnte. Fiel absolut nicht auf, und jeder konnte ihn problemlos in einer Klinik oder einem Altersheim entwenden.

      „Wir suchen trotzdem weiter“, sagte er nur.

      „Aber natürlich“, gab Wappel zurück, dem die Aktion richtig Spaß zu machen schien. War vermutlich sonst nicht viel los in Grenzach, dachte Gruber, deshalb der Eifer.

      Zwei Beamte erhielten den Auftrag, die Besitzer der Pension und die Nachbarn zu befragen, danach kehrten Gruber und Wappel an den Rhein zurück.

      Die Sensation fand am nächsten Tag statt. Weil die Polizei in Grenzach kein Labor führte, hatte Wappel den Kinderwagen und den Handwagen „großzügig“ den Basler Kollegen zur Verfügung gestellt.

      Der Anhänger bestand aus einem umlaufenden Aluminiumrahmen, genau vierzig Zentimeter hoch, der unten durch einen Boden aus Holzlatten abgeschlossen war. In einer Ritze zwischen den Latten entdeckte Markus Känzig, der Laborleiter der Kripo Basel, einen abgebrochenen Fingernagel. Rot lackiert. Ein erster Vergleich an der Leiche ergab, dass an ihrem linken, kleinen Fingernagel ein Teil fehlte.

      „Natürlich werden wir das noch verifizieren“, sagte Känzig zu Gruber, „aber wenn der nicht zu der Frau passt, dann fresse ich einen Besen, zusammen mit der Putzfrau!“

      Diener nickte zum ersten Teil des Satzes, beim zweiten Teil zog er die Brauen hoch. „Es heißt jetzt Reinigungskraft“, bemängelte er.

      Känzig stutzte. „Zur Not halt auch mit einer solchen, wenn das besser passt“, antwortete er kopfschüttelnd.

      Gruber knetete seine Hände, „das ist schon fast ein Wunder“, stellte er fest.

      „Aber das bedeutet auch, dass wir den Fall an die deutschen Kollegen abgeben müssen“, ergänzte er nach kurzem Nachdenken.

      Känzig und Diener machten lange Gesichter.

      „Tut mir leid, meine Herren, aber ist nicht zu ändern“, versuchte Gruber, zu trösten.

      ***

      Gruber fuhr selbst zu Krüger, um ihm die Erkenntnisse, die sie im Fall der „Rheinleiche“ schon gesammelt hatten, zu erläutern.

      Wie versprochen ließ Krüger die Neue von Anfang an mitmachen. Schnell versorgten sie Nina mit verschiedenen Aufgaben, so dass die Kommissare noch in Ruhe ein paar private Worte wechseln konnten. Das Thema war wieder die Hochzeit von Guerin und Michélle, für die Sonja, Grubers Freundin, schon eine ganze Menge geplant hatte. Das Ziel, die beiden unvergesslich zu überraschen, lag in Reichweite.

      4. Kapitel

      Am nächsten Tag fuhren Krüger und Nina nach Grenzach, wo die Kollegen bereits fleißig weiterermittelt hatten. Eine erste Spur führte in ein Pflegeheim, wo die Tote möglicherweise gesehen worden war. Ein Heim für geistig Behinderte, die Betreuung benötigten, keine besonders schweren Fälle. „Sie könnten unsere Patienten als Kinder betrachten“, erläuterte Frau Schultheß, die Leiterin, „einfach Kinder in verschiedenen Lebensaltern, die entsprechend Hilfe brauchen.“

      Krüger nickte verständnisvoll, Nina machte sich Notizen, wie er schmunzelnd feststellte.

      „Im letzten Monat ist eine Bewohnerin verstorben. Die Schwester, die zur Beerdigung angereist ist, könnte die Tote sein, ich bin mir jedoch nicht sicher“, fuhr sie fort.

      „Wie lautete denn der Name der Verstorbenen?“, fragte Nina.

      „Linda Schulte. Ich habe ihnen ihre Lebensdaten kopiert.“ Die Leiterin schob ein Blatt zu Nina. „Dann müssen Sie nicht alles von Hand aufschreiben“, sagte sie lächelnd.

      „Dann“, stellte Krüger fest, „müsste sich die Dame ja auch mit Namen vorgestellt haben. Können Sie sich denn daran noch erinnern?“

      „Ja, natürlich, Frau Schneider. Sie und ihr Mann sind gekommen.“

      „Vornamen?“ Krüger sah die Leiterin fragend an.

      „Erna, Erna Schneider.“

      „Haben Sie auch noch zufällig eine Adresse?“, fragte Krüger gespannt.

      „Leider nicht. Nur ein Postfach und eine Telefonnummer. Vielleicht können Sie damit auch etwas anfangen.“

      „Aber sicher“, lächelte Krüger.

      Die Leiterin erhob sich. „Ich mache Ihnen davon eine Kopie.“

      „Das wäre nett, danke!“

      Krüger und Nina warteten geduldig, bis die Leiterin wieder Platz genommen hatte. „Können Sie uns den Mann beschreiben, Frau Schultheß?“, fragte Krüger.

      Sie errötete sanft. „Leider nicht. Erstens habe ich den Mann nur kurz gesehen, und zweitens, ich kann mir einfach keine Gesichter merken.“ Sie zuckte mit den Schultern.

      „War er groß oder klein?“, versuchte Nina.

      „So mittel, normal, könnte man sagen“, antwortete die Leiterin.

      „Hatte er noch Haare oder schon eher eine Glatze?“

      Frau Schultheß zuckte mit den Schultern, „keine Ahnung, tut mir leid.“

      „Schnurrbart oder glattrasiert?“, versuchte Nina weiter.

      „Schnurrbart, möglich, aber ich kann es nicht sagen.“

      Nina sah Krüger fragend an.

      „Würden Sie ihn denn wiedererkennen, zum Beispiel auf einer Fotografie?“, versuchte jetzt Krüger sein Glück.

      Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube kaum.“

      „Hat