Villa Heckel. T. D. Amrein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: T. D. Amrein
Издательство: Bookwire
Серия: Aus der Reihe Krügers Fälle
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738056327
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für eine Dosis Ausbesserungslack gedacht, für seinen Zweck jedoch auch bestens geeignet war.

      Peter arbeitete in einem Farbenfachgeschäft, da lagen die Dinger in Massen herum.

      Sorgfältig füllte er die Tube auf. Deckel drauf, ein wenig geknetet, fertig. Natürlich kontrollierte er seine Arbeit. Der Senf hatte das Pulver völlig zum Verschwinden gebracht. Ausgezeichnet, dachte er, das würde auch den stärksten Ami aus den Socken hauen. Hoffentlich sparte der nicht mit dem Zeug, so dass es womöglich noch reichte, um Hilfe zu rufen.

      Das Telefon? Mit seinem Taschenmesser säbelte er solange an dem an der Wand verlegten Kabel herum, bis das Freizeichen verstummte. Zu sehen war das bestimmt nicht, und wenn, konnte es von einem Nager stammen.

      Genauso leise, wie er gekommen war, verschwand Peter wieder.

      ***

      Montagmorgen in Basel, Binningerstraße, Kripo Basel. Kommissar Kaspar Gruber blätterte in einer Zeitung, als Staatsanwalt Betschart bei ihm eintrat. „Guten Morgen, Kaspar. Schön, dass Sie schon da sind!“

      Gruber legte die Zeitung weg. „Morgen Herr Staatsanwalt. Wie war ihr Wochenende?“

      Betschart winkte ab. „Meine Frau hat mich auf eine Kunstausstellung geschleppt. Zu viel Champagner, zu viele Leute, zu wenig gute Bilder.“

      Gruber konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er war froh, dass ihn in seiner Freizeit keine solchen Verpflichtungen plagten. Betschart hatte doch niemals wirklich frei, dachte er.

      Der Staatsanwalt legte ihm einen Hefter auf den Tisch. Ganz oben Fotos, auf denen eine Badende im Bikini zu sehen war. Nur auf den ersten Blick schien es, dass sie badete. Die weiteren Bilder zeigten, dass sie leblos im Wasser trieb. Der dunkelblaue Bikini war vorne mit Schlamm bedeckt, vermutlich, weil sie bei der Bergung an Land geschleppt worden war.

      „Wurde heute Nacht am Kraftwerk Birsfelden angetrieben“, bemerkte Betschart. „Dürfte ertrunken sein, irgendwann am Sonntag.“

      Gruber sah ihn fragend an. Badeunfälle fielen normalerweise nicht in sein Gebiet.

      „Unbekannt, wird auch niemand vermisst bisher“, fuhr Betschart fort, „zurzeit liegt sie bei Doktor Diener, er kann Ihnen sicher mit weiteren Details helfen.“

      Gruber nickte. „Ich werde mich darum kümmern, Herr Staatsanwalt.“

      Betschart zog sich zurück. Gruber las die paar Infos durch, die die Kollegen schon zu Papier gebracht hatten. Viel mehr, als er schon wusste, brachte es nicht. Der Fundort, dazu die Bilder, weibliche Leiche, Alter circa vierzig Jahre, Datum und Uhrzeitangaben.

      Gruber machte sich auf den Weg in die Rechtsmedizin zu Doktor Norbert Diener. Ein umgänglicher Typ, der trotz seiner makabren Tätigkeit gern auch mal auf ein Bier mitkam, mit ganz normalen Menschen ohne Hochschulstudium, so wie Gruber.

      Die Frau lag auf dem Seziertisch. Den Bikini trug sie immer noch, als Gruber ankam. Sonst war niemand im Raum.

      Er betrachtete sie von allen Seiten. Sie konnte auf jeden Fall schon älter sein, als es auf den ersten Blick schien. Das Wasser hatte die Haut aufquellen lassen, was die Falten am Körper zum Teil verschwinden ließ. Wie aufgebahrt lag sie da, die Nackenstütze hielt den Kopf in Position, die Augen waren geschlossen.

      Braunes Haar, etwa schulterlang, grüne Ohrstecker, die teuer wirkten, fielen Gruber auf. Der Bikini war jetzt sauber, ohne den Schlamm, den Gruber auf den Fotos gesehen hatte. Der Körper wirkte frisch abgespült, deshalb wohl auch der Glanz der Haare. Am Unterteil des linken Körbchens zeigte sich ein dunkler Fleck. Gruber sah genauer hin. An der Unterkante des Stoffes hatten sich einige Tropfen gebildet, die einen blassen, rötlichen Schimmer erkennen ließen. Blut kann es nicht sein, dachte er, das färbt deutlicher und dunkler.

      Das Geräusch der automatischen Schiebetür riss ihn aus den Gedanken. Diener betrat den Raum, einen dampfenden Pappbecher in der Hand.

      „Guten Morgen, Norbert“, grüßte Gruber.

      „Danke, dir auch. Willst du auch einen?“ Norbert hob den Becher an.

      „Nein, danke.“

      „Du hast sie genauer betrachtet“, stellte Norbert fest. „Ist dir schon etwas aufgefallen?“

      Gruber nickte. „Ja da, was könnte das sein?“

      „Der Fleck?“

      „Ja, auch, aber diese Flüssigkeit?“

      Diener stellte seinen Kaffee ab. „Sie ist frisch gewaschen, möglicherweise färbt der Stoff ab“, sagte er.

      „Ein Bikini, der färbt?“, warf Gruber ein.

      „Blödsinn, klar!“ Diener schüttelte den Kopf. „Ist schließlich Montag, bin noch nicht ganz in Betrieb.“

      Doktor Diener griff nach einem Tupfer, der sich am Fleck schnell vollsaugte. Er hielt ihn in die Höhe, roch daran. „Rost, ganz eindeutig“, stellte er fest.

      „Rost“, wiederholte Gruber, „woher sollte der den kommen?“

      Diener zuckte mit den Schultern. „Weiß ich auch noch nicht, aber dazu brauche ich keine Analyse, das ist typisch!“

      Er streifte sich einen Latexhandschuh über, bevor er das Bikini-Oberteil leicht anhob. Eine runde Scheibe erschien, die direkt auf der Haut auflag, knapp einen Zentimeter im Durchmesser, deutlich angerostet. „Das ist Eisen, beziehungsweise Stahl“, stellte Diener fest. „Seltsam, dass die nicht weggerutscht ist?“

      Mit einer Pinzette versuchte er, die Scheibe wegzunehmen. Erfolglos, sie schien zu kleben. „Sitzt fest.“

      „Wenn du eine Zange…“, schlug Gruber vor.

      „Nein, nein, wir machen ein Röntgenbild“, wehrte Diener ab.

      Es dauerte eine Weile, Gruber trank inzwischen auch einen Kaffee, bis das Bild fertig war. Mit einem Siegerlächeln hielt ihm Doktor Diener das Bild vor die Nase. „Was siehst du?“, wollte er wissen.

      Gruber stutzte. „Das sieht ja wie ein Nagel aus“, wunderte er sich.

      Norbert nickte zustimmend. „Würde ich auch sagen. Ein Nagel, circa zwölf Zentimeter lang, steckt genau im Herzen!“

      ***

      Am Montag nahm Eugen sich „frei“. Er machte einen Ausflug an den Rhein, spazierte, gönnte sich ein schönes Abendessen.

      Deshalb lag Peter am Abend vergeblich auf der Lauer. Nichts regte sich. Missmutig zog er schließlich ab. Allzu oft durfte er das nicht machen. Er würde schnell jemandem auffallen. Merzhausen gehörte noch zur Stadt, aber die Leute hier kannten sich, das war schon fast wie im Dorf. Die würden ihn, da er ihnen fremd war, schnell als Spanner oder Einbrecher einstufen.

      Deshalb wartete er für die nächste Kontrolle bis Mittwoch.

      Diesmal sah es besser aus, der Mietwagen parkte wieder an der gleichen Stelle.

      Schon als er durch die Tür der Villa schlüpfte, fiel ihm ein ungewöhnlicher Geruch auf.

      Der Ami lag auf dem Küchenboden, zusammengekrümmt. Peter beachtete ihn nicht weiter. Dass er tot war, sah man auch so. Der Senf auf dem Teller zeigte schon erste Risse, also musste es gestern passiert sein. Die Warterei wäre nicht nötig gewesen, dachte er. Aber woher hätte er das wissen sollen.

      Peter hatte den Ablauf genau geplant, Handschuhe trug er schon. Zügig presste er eine ordentliche Portion Senf aus der Tube in einen Plastikbeutel, den er mitgebracht hatte. Den Rest Senf auf dem Teller wischte er mit einem Papier auf, ließ ihn auch im Beutel verschwinden.

      Einen frischen Klecks Senf auf den Teller. Einen kleinen Teil der Wurst, die der Ami fallen gelassen hatte, brach er ab. Noch kurz die Wurst in den Senf eingetaucht, schon sah der Teller genauso aus wie zuvor.

      Er überlegte kurz. Wenn er das Ding wieder fallen ließ, würden Spuren des Senfs an Stellen bleiben, die vielleicht nicht zum Ablauf passten. Also