Arguh:Blendwerk. Adam Wutkowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adam Wutkowski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752920819
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umgeben von seinen beiden Schwestern, die Neuankömmlinge.

      «Na. Habt ihr schon alles für den morgigen Tag gepackt?», begrüßte Melcom seinerseits Jamie mit einem Lächeln auf den Lippen.

      «Wir haben genug eingepackt, um jeder Gefahr in der Wildnis zu trotzen.»

      «Das hört sich gut an. Doch sagt mir ihr drei! Wo ist euer Vater?»

      «Na, wo könnte er bloß sein.», erwiderte Lena in ihrer kindlichen Art, die Augen verdrehend. «Er hockt wie immer auf seinem Baumstumpf und starrt in die Ferne.»

      «Ach. Das hätte ich mir eigentlich auch denken können.», entgegnete Melcom in gespielter Manier. Anschließend richtete er das Wort an seinen Erstgeborenen: «Halte dich bereit. Wir brechen gleich wieder auf.»

      Anschließend wandte er seinen Blick von den jungen Leuten ab, überließ diese sich selbst und machte sich auf den Weg zu Ian.

      «Auf unsere alten Tage werden wir noch sentimental, was?», begrüßte Melcom Ian und nahm neben seinem Freund auf dem alten Baumstumpf Platz.

      «Das kannst du wohl laut sagen.», erwiderte Ian, ohne den Blick von der Ferne zu nehmen.

      «Und? Was hältst du von der ganzen Sache mit den Chiks?»

      «Ehrlich gesagt, versuche ich von der ganzen Sache nichts zu halten. Innerlich hoffe ich immer noch, dass das alles ein böser Traum ist, aus dem ich gleich aufwache.»

      «Wenn du willst, können wir den Jagdausflug immer noch verschieben. Ich denke, deiner Frau würde das entgegenkommen!»

      «Danke, Melcom. Aber nein. Wie besprochen, werden wir morgen mit dem ersten Sonnenstrahl aufbrechen. Ich brauche das Wild und die Felle, um sicher über den Winter zu kommen.»

      «Verstehe.», erwiderte Melcom, seinen Blick auf das Panorama gerichtet.

      Als schließlich ein Augenblick der Stille verklungen war, richtete Melcom das Wort an Ian. «Ich habe Martok aufgetragen, jeden Tag einmal hier vorbeizureiten und nach dem Rechten zu sehen.»

      «Du meinst wohl nach Ilianer!», stellte Ian fest, zum ersten Mal seinen Blick von der Landschaft abwendend, um Melcom direkt ins Gesicht zu blicken.

      «Willst du immer noch die Jagdgründe hinter der grünen Aue aufsuchen?», fuhr Melcom fort, ohne auf das eben Gesagte weiter einzugehen.

      «Viele Alternativen stehen uns nicht zur Verfügung. Außerdem sind die Jagdgründe hinter der grünen Aue deutlich einfacher zu erreichen, als die neben der Steinebene von Arag.»

      «Ja.», entgegnete Melcom knapp, an die Strapazen zurückdenkend, die sie vor Jahren einmal und dann nie wieder auf sich genommen hatten. «Komm! Wir müssen uns langsam auf den Weg machen! Die Versammlung fängt sonst ohne uns an.»

      Der Weg nach Hellerport war zu jener Abendstunde ungewöhnlich gut besucht. Viele Nordmänner ritten Seite an Seite mit ihren Söhnen und Töchtern der Hauptstadt des freien Grenzlandes entgegen. Es schien so, als ob kein einziger Nordmann gewillt war, diesen entscheidenden Moment in der Geschichte ihres Landes verpassen zu wollen. Und so wunderte es auch weder Ian noch einen anderen aus ihrer Schar, als sie schließlich in der große Halle des Friedens eintrafen und diese von den Stimmen der zahlreich erschienen Männern und Frauen vorfanden.

      Beim Anblick der vielen Menschen in der Halle musste Jamie vor Ehrfurcht für einen Moment inne halten. Viel Zeit, um den Anblick in sich aufzunehmen, blieb Jamie jedoch nicht. Denn schon im nächsten Moment schwankte die große Eichentür wieder auf, um den nächsten Strom von Neuankömmling den Weg in das Innere frei zugeben. Und so blieb Jamie nichts anderes übrig, als sich in das Gedränge einzureihen und seinem Vater durch das Gewühl aus Leibern zu folgen.

      Während Ian sich langsam aber sicher seinen Weg durch das Menschenmeer bahnte, musste er mit Besorgnis wahrnehmen, wie aufgeheizt die Stimmung unter den Anwesenden war. Doch viel mehr Angst bereitete Ian der Enthusiasmus und die Begeisterung, mit denen sich die jungen Nordmänner nach einem möglichen bewaffneten Konflikt sehnten.

      «Ian! Ian! Hier drüben!», bahnte sich plötzlich eine Stimme ihren Weg durch das Gemurmel der Umstehenden und riß Ian aus seinen Gedanken. Nach einem Moment des Umherblickens fand Ian schließlich die Quelle der Worte. Ohne lange zu zögern, bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge und erreichte schließlich Melek und seine Tochter, die in den oberen Rängen Platz genommen hatten. Nach einer freundlichen Umarmung gefolgt von ein paar höflichen Begrüßungsfloskeln, ließ Ian von seiner erhöhten Position aus einen Blick über die versammelte Menge schweifen.

      «Grüß dich, Melek. Wie geht es dir und deiner Sippe?», begrüßte Melcom Melek und verwickelte seinen alten Freund in ein kurzes Gespräch.

      «Ich habe noch nie so eine aufgeheizte Stimmung in diesen Hallen erlebt.», stellte Melcom fest, seinen Blick auf die Umstehenden gerichtet.

      «Ja.», pflichtete Melek ihm bei. «Die Anspannung steht den Älteren von uns ins Gesicht geschrieben. Bei den Jungen sieht es ganz anders aus. Die sehnen sich nach großen Schlachten und Abenteuern.»

      «Es bleibt nur zu hoffen, dass sich am Ende die Vernunft durchsetzt und nicht der jugendliche Leichtsinn.», schaltete sich plötzlich Ian ein und blickte dabei besorgt auf seinen Sohn herunter.

      «Danke für dein Vertrauen!», erwiderte Jamie, sich des Blickes seines Vaters bewusst.

      Während der nächsten Minuten trafen immer mehr Männer ein und irgendwann schien die Halle aus allen Nähten zu platzen. Und dann von einem Moment auf den anderen, trat der eine Augenblick ein, auf den alle gewartet hatten. Mit einem donnernden Gong wurde schließlich die Versammlung eröffnet. Im gleichen Moment verstummte das Gemurmel der Versammelten und eine gespenstische Stille legte sich über die Halle.

      Einen Augenblick später drängten sich die Männer und Frauen im Zentrum der Halle an die Seite und dann trat der Hauptmann des freien Grenzlandes, in Begleitung von zwei seinen engsten Beratern, in die Mitte der Versammlungshalle.

      «Söhne und Töchter des freien Grenzlandes.», richtete sogleich der Hauptmann das Wort an die Umherstehenden. «Schon immer hat uns eine Sache geeint. Auf der Suche nach einer neuen Heimat für uns und unsere Angehörigen sind wir in dieses Land gekommen. Der eine mag in dieses Land gekommen sein, um den Krieg in seinem Heimatland zu entfliehen. Der andere vielleicht um den Hunger hinter sich zu lassen, der ihn in seiner Vergangenheit so oft heimgesucht hatte. Ein anderen vielleicht, weil er für sich und seine Angehörigen ein besseres Leben erträumt hatte. Doch unabhängig von den Motiven, dem Wunsch in Frieden und Freiheit an diesem Ort, den wir unsere Heimat nennen, zu leben und zu sterben, haben wir alle gemeinsam.»

      Nach seinen letzten Worten erhebte sich ein zustimmendes Gemurmel und endete erst, als der Hauptmann seine Hände in die Höhe hebte, um diesem ein Ende zu bereiten.

      «Diese Werte werde nun von außen bedroht!», nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. «50 Jahre lang haben wir uns dieses Land im Norden mit den Chiks geteilt. Wir lebten auf den Ebenen entlang der Gebirgskämme und mieden die Täler, die Berge und die Wälder entlang des Horngebirges. Stillschweigend, ohne dass irgendjemand, irgendwann einen Vertrag zwischen uns und den Chiks unterschrieben hatte, wurde diese Tatsache von beiden Seiten respektiert.

      Doch nun scheint dieser unsichtbare Frieden zwischen unseren beiden Völkern ein jähes Ende zu nehmen. Aus uns noch unbekannten Gründen sind die Chiks erneut über unsere Ländereien hergefallen und haben gebrandschatzt, gemordet und einige in die endlosen Weiten der Berge verschleppt. Diesem Treiben dürfen wir nicht mehr tatenlos gegenüber stehen. Wenn die Chiks Krieg haben wollen, dann werden wir ihnen diesen auch geben.», stellte der Hauptmann fest und erntete dafür Beifall und Zustimmung von den Anwesenden.

      Während der Beifall noch durch die Halle raunte, nutzten einige der Anwesenden die Möglichkeit, ihre aufgestaute Wut und Angst freien Lauf zu lassen. «Nieder mit diesen Wilden.», «Tod den Chiks!», «Wir lassen uns nicht von unserem Land vertreiben.» schaltete sich ebenfalls der Viehbaron in die Zwischenrufe ein und befeuerte damit noch weiter die Menge.

      «Ruhe!»,