Desiderius traute dem Wesen nur soweit, wie er es sehen konnte, doch in gewisser Weise waren sie sich gleich. Beide wurden einst verstoßen, weil sie aus einer unüberlegten Liebschaft entstanden waren.
Schwer atmend vor Anstrengung, senkte er seine Klinge. »Was tut Ihr hier?«
»Ich kündige die Königsfamilie an«, berichtete Bellzazar und vollführte spöttisch einen übertrieben dargestellten Knicks.
Desiderius schmunzelte kurz auf, ehe er sich umsah. »Ist er schon da?«
»Nein, aber bald«, antwortete der Halbgott.
Ruhig ließ Desiderius eine neugierige Musterung über sich ergehen. Er wusste, was folgen würde. Es war unvermeidlich, dass geschah, was immer geschah, wenn sie sich trafen.
Als Bellzazar seine hinter dem Rücken versteckten Hände lockerte und zur Seite fallen ließ, hielt er bereits ein Langschwert in der einen Hand.
Schmunzelnd schwang der Halbgott angeberisch das Schwert vor sich, um sein Können zu demonstrieren.
»Wollen wir?«, fragte er dann gelassen, als wollte er Desiderius zu einem Mahl im Speisesaal geleiten.
Desiderius hob seinerseits das Schwert. »Dieses Mal verliert Ihr!«
Bellzazar sprang blitzschnell auf ihn zu.
Desiderius parierte die schnell aufeinander folgenden Schwerthiebe und wich dabei leichtfüßig zurück. Ihre Schwerter klirrten, als sie mehrfach aufeinandertrafen.
Bellzazar nahm wieder Abstand. Der dunkelhaarige Mann war muskulös und ebenso wendig wie Desiderius. Sie standen sich körperlich in nichts nach. Zwei athletische Männer mit starken Armen und breiten Schultern. Doch der Halbgott hatte jahrtausendlange Erfahrung und er war zudem unmenschlich schnell und stark. Sich mit ihm zu messen und länger als zwei Herzschläge aufrecht zu stehen war ein Beweis in das eigene Können.
»Gut«, lobte der Halbgott gedehnt. »Eure Beinarbeit ist viel besser geworden seit dem letzten Mal.«
»Ich habe inzwischen geübt«, gab Desiderius grinsend zurück.
Er war es nun, der auf den Halbgott zusprang und angriff.
Bellzazar parierte die Schläge, er wirkte gelassen, fast gelangweilt, während er zurückwich. Doch er nutzte eine günstig gelegene Chance, schlug mit seinem Schwert so hart gegen Desiderius’ Klinge, dass dieser ins Straucheln geriet und seine Deckung fallen ließ.
Bellzazar schwang sein Langschwert und Desiderius konnte die Schläge mehr schlecht als recht abwehren.
Der Halbgott sprang wendig an ihm vorbei, als er einen Gegenschlag versuchte. Desiderius’ Hieb ging daneben und er kam auf der schmalen Mauer ins Wanken.
Gerade noch rechtzeitig hatte er das Gleichgewicht wiedergefunden und sich umgedreht, denn Bellzazar sprang erneut auf ihn zu und drängte ihn mit schnellen Hieben immer weiter zurück. Es klirrte laut, als sich die Schwerter trafen und gegeneinanderdrückten. Desiderius wurde zurückgeschoben bis sein Rücken schmerzhaft über ein erhöhtes Mauerstück gedrängt wurde. Seine eigene Schwertklinge näherte sich seiner Kehle, während er versuchte, das andere Schwert samt Gegner von sich zu stoßen.
Mit großen Augen lugte er nach unten und erkannte den tiefen Boden außerhalb des Burggartens. Einige Steine lösten sich von der Mauer und fielen in die Tiefe. Er konnte nicht sehen, wie sie aufkamen.
Wenn er nicht die Oberhand gewann, würde sein Körper in das Geäst eines toten Waldgebiets fallen und aufgespießt werden.
Bellzazars triumphierendes Grinsen schob sich auf ihn zu. »Ich habe gehört, Ihr seid anerkannt worden, Lord M’Shier.«
»Ich bin kein Lord«, presste Desiderius durch die Zähne.
»Noch nicht.«
Die Arroganz des anderen machte ihn wütend und gab ihm die Kraft, den Halbgott mit einem kräftigen Ruck zurückzustoßen.
Bellzazar verlor kurz das Gleichgewicht, fing sich aber schnell wieder, nachdem er auf einem Bein herumgetänzelt war. Herausfordernd grinsend hob er wieder seine Klinge.
Desiderius drängte ihn mit einigen Hieben drei Schritte zurück, sprang aber dann selbst wieder auf Abstand, weil er wusste, dass er mit Taktik, statt Angriffslust vorgehen musste. Austesten. Beobachten. Schwächen finden.
Schwer atmend standen sie sich gegenüber.
Der Halbgott nickte ihm zu, als er feststellte: »Eure Wut deutet wohl daraufhin, dass Ihr das Angebot Eures Vaters nicht freudig aufgenommen habt.«
Desiderius musste drei Hiebe abwehren und nutzte eine günstige Gelegenheit, um sofort darauf Bellzazar wieder zurückzudrängen.
Nachdem er erneut außer Reichweite gesprungen war, wischte er sich den Schweiß mit dem Unterarm von der Oberlippe und antwortete: »Ich werde es wohl nicht annehmen.«
Bellzazar schnaubte kopfschüttelnd. »Wie dumm von Euch.«
Schnell schlug Desiderius mit dem Schwert nach ihm, da er glaubte, Bellzazars Verteidigung wäre durchbrochen.
Aber er hatte sich getäuscht.
Statt einen Vorteil zu erzielen, schlug der Halbgott ihm fast das Schwert aus der Hand, packte seinen Arm, drehte sich mit ihm auf der Mauer herum, bis sie wieder die Seiten gewechselt hatten, und zwang ihn wieder auf Abstand, indem er Desiderius den Knauf seines Schwerts in den Nacken schlug.
Desiderius grunzte auf und taumelte wegen des Schmerzes, der sich in seinem Kopf und Rücken ausbreitete. Noch bevor er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, streckte Bellzazar sein Schwert aus und legte die messerscharfe Klinge an Desiderius‘ Kehle. Doch Desiderius hatte es kommen sehen und die gleiche Bewegung ausgeführt.
Nun starrten sie sich schwer atmend und mit verschwitzten Gesichtern an, beide mit einer fremden Schwertklinge am Hals. Ein falscher Schritt und sie würden beide von der Mauer stürzen. Aber nur Desiderius würde dadurch den Tod finden.
»Warum eine solche Gelegenheit ablehnen?«, fragte Bellzazar neugierig, er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Ihr könntet Euch damit an Eurem verhassten Bruder und Eurer Stiefmutter rächen.«
»Der Preis dafür ist mir zu hoch«, erklärte Desiderius gepresst, er hatte Schwierigkeiten, sein Gleichgewicht zu halten.
Doch Bellzazar wusste: »Ihr habt einfach Angst, das ist alles.«
Desiderius‘ Gesichtszüge verhärteten sich.
Grinsend stellte der Halbgott richtig fest: »Auf Reisen könnt Ihr tun und lassen, was Ihr wollt. Niemand kümmert es, was ein Bastard treibt. Da draußen in der Welt müsst Ihr Euch nur mit Euch selbst befassen. Bleibt Ihr hier, sind alle Augen auf Euch gerichtet. Kritisch. Ihr werdet Feinde in den engsten Kreisen haben. In der Wildnis wisst Ihr, welche Gefahren drohen, in einer Burg seht Ihr sie nicht kommen. Ihr habt einfach Angst. Ihr seid ein Feigling, nichts weiter.«
Desiderius’ Atem ging plötzlich nicht nur wegen der Anstrengung schwer, sondern auch weil er es nicht mochte, dass man aus ihm las, wie aus einer offenen Schriftrolle.
Ablenkend fragte er: »Wollt Ihr nur faseln oder kämpfen wir nun endlich?«
Bellzazar holte ohne Vorwarnung aus.
Mit aufgerissenen Augen lehnte sich Desiderius noch weiter zurück, um dem Hieb auszuweichen. Sein Oberkörper schwebte für den Bruchteil eines Augenblicks über dem Rand der Mauer. Er duckte sich unter dem Schwerthieb hindurch, drehte sich, versetzte seine Füße und schaffte es gerade so, sein Gleichgewicht zu finden.
Er war über sich selbst erstaunt, als er erkannte, dass er mit beiden Füßen immer noch fest auf der Mauer stand.
Bellzazar hatte eine Pirouette vollführt und sprang sofort danach mit einem kriegerischen Aufschrei auf Desiderius zu.
Geschickt wehrte Desiderius