Die Stadt des Kaisers. Alfred Stabel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Stabel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742781260
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      "Haltet den Mund Louvois und hört mir zu! Wir brechen den Winterfeldzug ab! Ihr holt Unsere Truppen heim! Die Belagerung von Luxemburg wird aufgehoben! Und Ihr Colbert schreibt nach London! Wir sind zu Geheimverhandlungen bereit. Als Ort schlage ich eine Stadt an der französisch-deutschen Grenze vor. Fürs erste soll der kaiserliche Botschafter wissen, dass Wir Unserem Cousin zu Hilfe eilen wollen im Austausch für ein kleines politisches Geschenk. Welches, soll er selbst bestimmen. Die polnische Krone für unseren Bruder, oder den bayrische Herzogstuhl für unseren Sohn."

      Die beiden Colberts klatschten in die Hände und nach kurzem Zögern auch Kanzler Tellier und Finanzminister Le Peletier. Louvois saß wie versteinert da. "Sire! Sire!"

      "Keine Einwände, Louvois´! Ihr bringt unsere Truppen binnen vier Wochen nach Frankreich zurück, oder Ihr werdet diesem Kabinett und Paris Adieu sagen. Zuvor aber die Bastille von innen kennenlernen!"

      "Sire, bitte hört mich an! Majestät brauchen auf niemanden Rücksicht nehmen. Euer Heer wird mit jedem Gegner fertig! Ihr könnt Euch mit den Türken absprechen, ja sogar offen verbünden! Spricht der Papst den Bann über Euch aus, Sire, gründet Ihr eine nationale Kirche nach englischem Vorbild. Die Mehrzahl der französischen Bischöfe steht hinter Euch. Ihr lasst sie einen französischen Papst wählen, der residiert in Avignon und des Papstes Bann ist ein Wisch Papier, nicht mehr!“

      „Unerhört!“ riefen alle Minister, Charles Colbert am lautesten. Die Minister wussten von den Bemühungen der Majestät, den englischen König in den Schoss der römischen Kirche zurückzuführen. Charles II. zögerte noch, weil er einen Bürgerkrieg fürchtete. Und nun kam Louvois mit diesem skandalösen Vorschlag!

      „Häretiker!“ Kanzler Le Tellier haute dem Sohn eine grimmige Ohrfeige herunter. "Verzeiht ihm, Sire, er sagte dies nur in der Absicht, Euch in bester Weise zu dienen."

      Der Gedanke eine römisch-französische Kirche zu gründen, falls der Papst ihm die Sakramente verweigerte, war Ludwig selbst schon gekommen. Er hatte ihn aus Sorge um sein Seelenheil verworfen.

      "Mein Kompliment, Le Tellier! Ihr besitzt noch einen starken Arm! Aber die ketzerischen Äußerungen Eures Sohnes wiegen so schwer, dass sie mit einer gutgemeinten väterlichen Ohrfeige nicht getilgt sind! Marquis de Louvois!“

      „Sire?“

      „Ihr werdet noch heute Beichte ablegen, Klitzeklein Eurem Beichtvater wiedergeben, was Ihr da gesagt habt und seine Strafe in Demut empfangen. Schwört mir das bei der Heiligen Mutter Gottes!“

      „Ich schwöre es bei der Heiligen Mutter Gottes, Sire.“

      „Macht Euch auf schwere Buße gefasst.“

      „Das tue ich, Sire, wenn es denn sein muss!“

      Die Vorstellung, dass sein Kriegsminister längere Zeit Fasten musste und Striemen seinen Rücken zierten, war recht vergnüglich. Die Tischuhr schlug zwölf, der Ministerrat war zu Ende und Außenminister Colbert verbeugte sich tiefer als sonst vor seinem König.

      Reise nach Regensburg

      Zwei Tage nach Melk stieg Breitenbrunn in Markt Ardagger aus einem gemieteten Schlitten. Der Kutscher lud seine Truhe vor dem Wirtshof ab, den er empfohlen hatte. Vor dem Tor standen mehrere Wägen und dicker weißer Rauch stieg aus den Schornsteinen, obwohl es erst Nachmittag war. Kalt wehte der Wind vom Fluss, der sich hier von seiner ruhigen Seite zeigte und gemächlich an Baum bestandenen Inseln vorbeifloss, bevor er in sein altes Ungestüm verfiel und sich tosend den Weg durch dunkles Gefels bahnte. Strudengau hieß dieser wilde Donauabschnitt, hatte der Fuhrmann gesagt und dass bei Hochwasser viele Schiffer ihre Lasten auf Karren umluden.

      „Wollt Ihr übersetzen? Kein Malheur für unsere Fährleute.“ Ein kräftiger Mann in schwarzer Tracht mit großem Hut, auf dem Tannen- und Mistelzweigen steckten, war aus dem Wirtshof getreten. „Ihr seid ein Herr, nicht wahr?“

      „Kaiserlicher Offizier.“

      „Prächtig, prächtig“ sagte der Mann. „Morgen setzen sie Euch über. Heute feiert unser Schiffsmeister Hochzeit. Ich bin der Progroder."

      "Der was?" fragte Breitenbrunn verständnislos.

      "Der Hochzeitseinlader und Abwickler." Er streckte seine Hand aus. "Preininger Michel. Wäre mir eine Ehre, Euch als Gast einzuführen! Ihr sagt doch ja?" Ohne auf Antwort zu warten, schulterte er die schwere Reisetruhe und stellte sie erst vor dem Eingang zu einem großen Saal ab.

      „Hoho!“ rief er hinein, „Wir haben einen kaiserlichen Offizier als Gast!“

      Beifälliges Gemurmel und lustige Zurufe begleiteten sie auf dem Weg zur Hochzeitstafel. Ohne nach seinem Namen gefragt zu haben, machte der Progroder ´den vornehmen Herrn` mit den Hochzeitern bekannt. Braut und Bräutigam waren mit Eichenlaub bekränzt, die Braut trug ein langes dekolletiertes Kleid mit Bändern und Borten, der Bräutigam einen bestickten bunten Rock und knielange Hosen aus feinem Tuch. Am grünen Janker des Brautvaters blitzten silberne Knöpfe. Ein freier Bauer, der die Früchte seiner Arbeit mit keinem Grundherrn teilen musste. Das Gesicht verriet, dass er bereits einen Ordentlichen sitzen hatte. Zwei aufgeputzte Matronen, die Mütter der Brautleute, tuschelten vertraulich miteinander, während die anderen am Tisch durcheinander redeten. Frisch und lieblich sahen die Kranzljungfern in ihren Trachten aus, während die Beistände des Bräutigams auffallend kräftige Männer waren. „Donauschiffer" sagte der Progroder. „Heute werden sie brav in die Donau schiffen, weil, wer nicht ordentlich trinkt, den Plutzer poliert bekommt.“

      "Progroder, Progroder!" rief es im Saal. An der Tür blockierten Hochzeitsgäste eine Schar Vermummter, die sich gewaltsam Eintritt verschaffen wollten. „Braucht Ihr meinen Beistand?“ rief Breitenbrunn dem Davoneilenden nach.

      „Setzt Euch!“ sagte einer der Kranzljungfern und wies auf den leeren Stuhl neben ihr. „Ist nur ein Spiel!“

      Sie war älter als die beiden andern Hochzeitsmädchen. Ihr amüsierter Gerichtsausdruck verriet Erfahrung im Umgang mit Männern. „Das sind Leut, die der Progroder net eingeladen hat“ erklärte sie. „Nach einem kleinen Gerangel dürfen sie herein. Ist so Brauch bei uns." Breitenbrunn verstand nicht, was sie noch sagte, weil die Vermummten johlend zu den Tischen vordrangen. Blitzschnell schaufelten sie das stehen gebliebene Essen in mitgebrachte Schüsseln, oder stopften es gleich in die Münder. Breitenbrunn schaute sich die Frau neben ihm genau an. Mitte zwanzig, ziemlich groß und fest im Fleisch. Der Stoff spannte keck über ihren Brüsten, dunkle lange Zöpfe kontrastierten ihr blasses Gesicht. Anscheinend war sie ohne männliche Begleitung hier.

      Schnell wie sie gekommen waren, verschwanden die Eindringlinge wieder. Die Hochzeitsgesellschaft schien erleichtert und der Progroder winkte die Musiker - Drehleierspieler, Zinkenbläser und Trommler – zum Tanzboden.

      „Dem Herrn sind unsere Bräuch fremd“ stellte sie nach einer längeren Pause fest. „Woher kommt er denn?“

      „Aus dem Süddeutschen.“

      „Und welche Art von Offizier ist er?“

      „Einer von der schnellen Kavallerie“ feixte er. Sie lachte wissend.

      „Und welche Art von Frau seid ihr?“ fragte nun er. „Eine aus dem Stand der Gnädigen?“

      Sie stieß ihm eine kleine Faust spielerisch gegen die Brust. "Ihr wisst, dass ich keine Gnädige bin. Ihr versucht mich, um den Finger zu wickeln!" Sie stützte das Kinn auf die Hand und streckte die Zunge heraus. „So leicht geht das nicht!“

      "Der erste Tanz gehört dem Brautpaar" verkündete der Progroder. "No net!" rief die Braut und stellte sich auf einen Stuhl. "Hilf mir mit dem Kleid, Agnes!" Die reizende Bezopfte stand auf und trennte hurtig mit einer kleinen Schere die Überlänge vom Kleid. Zip, zip, zip und Schuhe und Knöchel lagen frei. Unter lautem Beifall schritt das Paar zur Tanzfläche.

      Gut spielte die Musik. Die beiden drehten sich und die Gäste wiegten sich im Takt auf den Bänken bis der Progroder das Brautschupfen befahl. "Eins" riefen die