Lord Geward. Peter P. Karrer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter P. Karrer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847617402
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Reiter und Kutscher wickeln sich, mit Ausnahme eines der Bewegung nach sehr jungen Mannes, der Wache bei den Pferden hält, in dicke Felldecken ein.

      Bei dem Gedanken an warme Felle fröstelt mich. Mein Umhang, den ich im Lager Aldaras zurückließ, würde mich sicher besser wärmen, als die mit Silberschnallen besetzte Lederweste, die sicher meinem oder irgendeinem Stand entspricht, aber nicht dazu geeignet ist, mich auf dem kalten Boden zu wärmen.

      Da ich in der kalten Nacht, frierend, sicher wenig Neues auskundschaften kann, entscheide ich mich zum Rückzug. Zurück in meinem Feuerlosen Lager, wickle ich mich in meine wollene Decke, nicht ohne mein Schwert griffbereit neben mich zu legen und versuche einzuschlafen.

      Am nächsten Morgen werde ich mich wundern, wie schnell ich trotz der Ereignisse eingeschlafen bin.

      Es ist bereits taghell und die Sonne steht eine Handbreit über dem Horizont. Im Aufstehen schnalle ich mir in gewohnter Routine, mein Schwert um und erkenne, meine Besucher sind bereits weitergezogen. Sie haben ihr Lager sehr gründlich abgebaut. Nichts mehr zeugt von ihrer Anwesenheit. Sogar den in der Nacht angefallenen Pferdemist haben sie, um ihre Spuren zu beseitigen, gründlich entfernt.

      Jalas sattelnd und ein Stück Dörrfleisch kauend, entscheide ich mich, mangels besseren Wissens und neugierig, zunächst den Fremden in sicherem Abstand zu folgen.

      Bereits nach nicht einmal einer Stunde, erkenne ich am Horizont, die schwerfällige Karawane. Die Sonne im Rücken, durch Hügel und niedrige Bäume geschützt, rücke ich näher an die Fremden heran.

      Jetzt erkenne ich, bei Tageslicht, deutlich ein halbes Dutzend, mit Schwertern bewaffnete Reiter - Ritter sind sie aber nicht - und zwei massive Fuhrwerke, wie ich sie noch nie gesehen habe, die eine Unzahl Männer begleiten. Die Speichen der überbreiten Räder entsprechen mindestens dem Durchmesser meines vom Reiten trainierten Oberschenkels. Die seitlichen Aufbauten sind keinen Meter hoch, aber die sonst üblichen Seitenbretter sind hier massive kleine Baumstämme. Jeder der Wagen wird von vier ausgewachsenen Ochsen gezogen. Jeder Ochse wird von einem Mann begleitet und neben jedem Rad marschieren zwei weitere Männer, die regelmäßig in die Speichen greifen, um das Gefährt in Bewegung zu halten. Zwischen den beiden Fuhrwerken gehen weitere Männer und packen je nach Bedarf bei dem einen oder anderen mit an.

      Wieder muss ich mir eingestehen in der Nacht die Anzahl der Männer, völlig falsch eingeschätzt zu haben. An meinen andauernden Fehleinschätzungen muss ich unbedingt arbeiten, wenn sie mir nicht einmal zum Verhängnis werden sollen.

      Hier ackern mindestens drei Dutzend Männer an den Fuhrwerken, flankiert von schwer bewaffneten Männern, von denen keiner aber auch nur annähernd Ähnlichkeit mit Aldaras Leuten hat.

      Dieser seltsame Tross erinnert mich unweigerlich an einen Goldtransport. Nur Gold könnte derart massive Fuhrwerke erfordern, aber trotzdem glaube ich nicht an einen Gold- oder vielleicht auch Silbertransport. Solche Ladungen werden in der Regel von Soldaten und Rittern begleitet, wie ich zu wissen glaube, aber diese Männer... nein, es muss sich um etwas anderes handeln!

      Der Tross gleicht durchaus einer kleinen Armee, wenn auch die sonst üblichen Fahnen und Banner fehlen und die Schwertträger ungewöhnlich einfach gekleidet sind, aber Ritter... nein, sicher nicht, eher noch Räuber, Schmuggler oder anderes dunkles Gesindel.

      Immer wieder reite ich, um in Hörweite zu bleiben, dem Schneckenzug in einem weiten Bogen voraus und verstecke mich in kleinen Tälern, Mulden oder Felsspalten.

      Die Sprache ist in Nuancen anders als die bei König Aldaras Truppen, aber durchaus gut zu verstehen, wenn es mir gelingt nahe genug heranzukommen.

      Ich schätze, der Tross wird, wenn er, wie ich vermute, über die Berge will, drei bis vier Wochen unterwegs sein. Eine Strecke, für die ein guter Reiter höchstens zwei Tage braucht, aber dieser Schneckenzug?

      Zum Abend hin lasse ich mich weiter zurückfallen, um heute wenigstens ein kleines Feuer für eine warme Mahlzeit zu entzünden. Alleine die Vorfreude an einen Brei aus getrocknetem Getreide und Dörrfleisch lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.

      Meinem stolzen, vor Kraft strotzenden Hengst Jalas ist die Unruhe über das seit Stunden langsame Vorankommen deutlich anzumerken. Nachdem wir die Schneckenkarawane aus den Augen verloren haben und ich mich sicher fühle, lasse ich Jalas freien Lauf. Uns ungestüm austobend, jagen wir in Richtung einer Anhöhe, um dort unser Nachtquartier aufzuschlagen. Ich bin sicher, hätte ich Jalas nur wenig länger freien Lauf gelassen, wir wären wieder am Plateau, unserem Quartier der letzten Nacht, angekommen.

      Diese seltsame Karawane ist wirklich unendlich langsam. Bis zum Abend dürften sie heute nur einige Meilen geschafft haben.

      Laut lachend fällt mir ein Märchen aus meiner Kindheit ein.

      „Die Schneckenpost.“

      Jalas hat sich ausgetobt und auch mir hat der schnelle Ritt gut getan. Mein Kopf ist frei und mein Hunger gewaltig. Ich bereite mir einen warmen Brei aus Getreide, Dörrobst, gequetschten Nüssen, etwas Honig und trockenem Brot. Wahrlich ein Festmahl, das ich mit einem faustgroßen Stück weichen Käse abschließe.

      Ich schlafe satt, zufrieden und ruhig ein und nach dem Aufwachen habe ich zuerst das Gefühl, nur kurz eingenickt zu sein.

      Der Sonnenaufgang ist bereits weit fortgeschritten und Jalas hat sein Frühstück auf der saftigen Wiese längst beendet und wartet nur noch ungeduldig auf den Langschläfer.

      Ich entscheide die Karawane heute noch weitläufiger zu umgehen, um in den Bergen, durch die nur ein Weg führt, näher an die Wagen mit ihrer geheimnisvollen Fracht heranzukommen.

      Das Jagdfieber hat mich gepackt und ich muss diese rätselhafte Fracht durchleuchten. Ich weiß nicht warum, aber ich bin wie besessen von dem Gedanken, das Geheimnis zu lüften.

      Gegen Mittag, die Sonne sticht mit unbarmherziger Härte, entdecke ich eine etwa vierzig Meter breite Schlucht, links und rechts von steilen Felsen flankiert. Wenn die Karawane, wie ich hoffe, über die Berge will, muss sie hier durch kommen.

      Über einen steilen Seitenweg führe ich Jalas nach oben, lege Waffe und Jacke ab und klettere nach unten in die Schlucht. Wenig über dem Boden entdecke ich einen kleinen, knapp ein Meter breiten, gut vor Blicken von unten geschützten Felsvorsprung.

      Nur durch einen dürren Strauch beschattet, lege ich mich auf die Lauer.

      Die Wartezeit erscheint mir endlos.

      Bis auf ein paar eifrige Grillen, die ihr trauriges Lied zirpen, ist kein Geräusch zu hören.

      Nach nicht einmal einer Stunde ist die Sonne soweit gewandert, dass ich keinen Schatten mehr in meinem Backofenversteck finde. Immer wieder schlafe ich ein, um kurze Zeit später schweißgebadet aufzuschrecken. Ich stehe leicht gebückt auf, versuche etwas von dem kühlen Wind, der durch die Schlucht bläst, zu erhaschen, setze mich wieder, schlafe wieder ein, phantasiere von trockenen Wüsten und riesigen, stacheligen Kakteen, die mich verfolgen, und wache wieder gequält auf.

      Wie lange soll ich hier noch schmoren? Was, wenn die Karawane einen anderen Weg genommen hat?

      Die Hitze in meinem Versteck ist nicht mehr zu ertragen. Für heute gebe ich niedergeschlagen auf.

      Oben angekommen, völlig ausgelaugt, einem Hitzschlag nahe, erkenne ich sofort meine Dummheit. Noch weit entfernt am Horizont, noch Meilen außer Hörweite entdecke ich die Vorhut des Trecks oder besser ihre Staubwolke. Mir wird klar, dieser träge Tross wird nicht heute, wahrscheinlich nicht einmal morgen, die Schlucht erreichen.

      Hier oben ist die Sonne durch den kühlen Wind kaum zu spüren. Nur gelegentliche warme Schwaden erinnern mich an die heißen Strahlen. Etwas enttäuscht, aber doch zufrieden, wenigstens die Zugrichtung korrekt eingeschätzt zu haben, verdöse ich, wie auch Jalas, den restlichen Nachmittag bis zum Abend.

      In der folgenden Nacht scheucht mich ein scharfer Gewitterregen auf, der in Minuten alles durchnässt. Keine dreihundert Meter neben mir zerschlägt ein Blitz einen abgestorbenen Baum, der explosionsartig