Schuld, die dich schuldig macht. Angelika B. Klein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Angelika B. Klein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738011791
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      Wehmütig packt sie ihren großen, schweren Koffer und schleppt ihn aus der Wohnung. Ein letzter Blick in den ihr so vertrauten Raum, dann zieht sie schnell die Tür hinter sich zu und begibt sich zum Taxistand.

      Nach einem ruhigen eineinhalbstündigen Flug landet die Maschine auf dem Flughafen von Neapel. Der Himmel ist, obwohl gerade der Februar angebrochen ist, wolkenlos und die Luft angenehm warm. Isabel zieht ihren Koffer vom Förderband und begibt sich in Richtung Ausgang. Suchend schaut sie sich nach Salvatore um, der ihr zugesichert hat, sie pünktlich vom Flughafen abzuholen. Zwischen den Wartenden entdeckt sie plötzlich ein Schild mit ihrem Namen darauf. Überrascht und leicht unsicher geht sie auf den Mann mit der dunkelblauen Uniform und der passenden Chauffeurs-Mütze zu.

      Freundlich lächelt er Isabel an: „Buon giorno, Signorina Isabel. Benvenuto! Ich bin Carlo der Chauffeur der Familie Frapatelli. Signore Frapatelli war leider verhindert, selbst zu erscheinen, daher hat er mich gebeten, Sie abzuholen.“ Isabel reicht ihm zur Begrüßung ihre Hand und lässt sich sodann von Carlo ihren Koffer abnehmen. Nachdem er diesen in den Kofferraum gewuchtet hat, öffnet er schwungvoll die hintere Türe der Limousine und bedeutet Isabel einzusteigen. Diese kann sich ein verlegenes Grinsen nicht verkneifen und rutscht schnell auf die Sitzbank im Wageninneren. Während Carlo die Autotür schließt, bemerkt sie amüsiert, dass die Passanten neugierig vor dem Wagen stehen bleiben und angestrengt überlegen, welche Prominenz da wohl gerade eingestiegen ist.

      Nach zwanzigminütiger Fahrt erreichen sie bereits das Dorf Ercolano. Carlo fährt durch den Ort und biegt am Ortsausgang links, in eine kleine Straße ab. Vor einem großen Eisentor bleibt er stehen. Isabels Blick fällt auf eine Kamera mit Bewegungsmelder. Carlo holt eine Magnetkarte hervor und zieht sie über das an einer Steinmauer angebrachte Lesegerät. Mit einem lauten Klacken öffnet sich das Tor. Staunend und mit offenem Mund betrachtet Isabel die sich ihr darbietende Schönheit des Parks, der hinter der Mauer auftaucht. Eine Allee, gesäumt von hohen Pappeln, erstreckt sich vor ihnen. Während der Wagen langsam los fährt, versucht Isabel das Wohnhaus ausfindig zu machen. Soweit ihr Blick reicht, sieht sie jedoch nur Bäume und Felder. Links und rechts der schmalen Straße erstrecken sich Plantagen mit Zitronen- und Orangenbäumen. Ein Stück weiter entdeckt sie Oliven- und Mirabellenbäume. Das Anwesen muss riesig sein!

      Einige Minuten später fahren sie auf eine herrschaftliche Villa zu, vor dessen großer Eingangstür der Wagen hält. Isabel wird nervös. Die müssen ja steinreich sein! Das hat sie nicht erwartet. Noch bevor sich ihre Nervosität steigern kann, wird die Fahrzeugtür von außen geöffnet. Langsam steigt sie aus.

      „Isabel!“, hört sie den kleinen Luca rufen und sieht, wie er auf sie zugestürmt kommt. Sie fängt ihn in ihren Armen auf und hebt ihn hoch. Herzlich drückt sie ihn an sich. Luca schlingt seine dünnen Ärmchen um ihren Hals. Da er keine Anstalten macht, sie loszulassen, geht sie mit ihm auf dem Arm zum Eingang. Dort erscheinen mittlerweile auch die Mutter, sowie die siebenjährige Schwester von Luca.

      Behutsam setzt Isabel ihren anhänglichen Freund ab und reicht der hübschen Frau die Hand. „Hallo, Frau Frapatelli.“

      Diese nimmt ihre Hand entgegen und antwortet freundlich: „Bitte, nenn mich Valentina. Und wir sollten uns gleich duzen, das ist viel einfacher.“ Mit diesem Satz hat Valentina, ohne es zu ahnen, einen großen Stein von Isabels Herzen genommen. Isabel begrüßt noch Elena, die zwar freundlich, aber nicht so überschwänglich wie Luca, reagiert.

      „Komm rein, ich zeige dir gleich das Haus. Salvatore lässt sich entschuldigen. Er musste dringend geschäftlich weg.“ Valentina geht voraus in die große Eingangshalle des Hauses. Isabel und die Kinder folgen ihr. Links geht es in ein geräumiges Wohnzimmer, mit offenem Kamin und großen, bequemen Ledersesseln. Auf der rechten Seite gelangt man in die große Küche. Valentina erklärt, dass hier manchmal für hundert Personen oder mehr gekocht wird, wenn Gäste erwartet werden.

      Die Kinder laufen die große geschwungene Treppe hinauf, die von der Eingangshalle in den ersten Stock führt. „Isabel komm, ich zeig dir mein Zimmer!“, ruft Luca aufgeregt.

      Valentina maßregelt ihn umgehend. „Luca, benimm dich! Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn im Haus herumgeschrien wird! Zuerst zeige ich Isabel alle wichtigen Räume, dann könnt ihr sie weiter herumführen.“ Erstaunt nimmt Isabel den strengen Unterton in Valentinas Stimme wahr. Sie findet nicht, dass Luca sich schlecht benommen hat. Im Gegenteil, er ist aufgeregt und will ihr sein Zimmer zeigen. Sie beobachtet Luca und erkennt, dass für ihn dieser Tadel keineswegs ungewöhnlich ist. Er verzieht kurz den Mund und verschwindet langsam um die Ecke.

      Valentina führt Isabel in alle Räume, die sie für wichtig erachtet. Zuletzt zeigt sie ihr das Zimmer, welches für das Kindermädchen vorgesehen ist.

      „Ich hoffe, das Zimmer gefällt dir!“, sagt sie, ohne wirklich eine Antwort darauf zu erwarten.

      „Danke, es ist sehr schön“, antwortet Isabel schnell.

      Valentina entgegnet freundlich: „Pack erst einmal in Ruhe deine Sachen aus, wir sehen uns dann zum Abendessen.“ Sie verlässt das Zimmer und schließt die Tür hinter sich.

      Isabel lässt sich auf das große, weiche Bett fallen und breitet die Arme über ihrem Kopf aus. Wow! Das ist ein Palast! Allein dieses Zimmer ist fast so groß, wie meine gesamte Wohnung in München! Was mich hier wohl noch alles erwartet? Ein leises Klopfen reißt sie aus ihren Gedanken. Sie setzt sich auf: „Herein.“ Die Tür öffnet sich langsam und ein kleiner, blonder Schopf schiebt sich durch den Türspalt.

      „Isabel?“, flüstert Luca vorsichtig. Als er sie erblickt strahlt er über das ganze Gesicht. „Darf ich reinkommen?“, fragt er etwas sicherer.

      Isabel breitet die Arme aus und strahlt ihn an: „Klar, komm her!“ Luca stürmt auf Isabel zu und wirft sich in ihre Arme. Zusammen fallen sie rückwärts aufs Bett. Isabel kitzelt Luca, bis er vor lauter Lachen keinen Ton mehr herausbringt. Plötzlich klopft es laut an der bereits offenen Tür.

      Isabel schreckt hoch und sieht Carlo, der mit ihrem Koffer in der Hand wartend vor der Tür steht. „Oh Carlo, komm rein, danke fürs Heraufbringen.“ Carlo stellt den Koffer auf einer kleinen Bank am Fußende des Bettes ab und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Mit einem angedeuteten Gruß an seiner Mütze, verlässt er das Zimmer.

      „Isabel?“, flüstert Luca plötzlich.

      „Was ist Luca?“, fragt Isabel ebenso leise.

      „Ich habe immer noch alle drei Bonbons und ich habe niemandem davon erzählt“, sagt er geheimnisvoll.

      Sie lächelt ihn an und ihr wird warm ums Herz. „Das ist toll! Heb sie dir gut auf!“, entgegnet sie verschwörerisch. Dann springt sie vom Bett auf und zieht ihn mit nach oben. „Und jetzt zeig mir endlich dein Zimmer, ich bin schon so gespannt!“, neckt sie ihn und sie laufen beide lachend aus der Tür.

      Kapitel 8

      HEUTE

      Später am Abend erscheint Louis vor meiner Hütte und klopft an. Ich öffne sie, verabschiede mich von Mona und gehe mit ihm in die Dunkelheit. „Wir dürfen jetzt nicht mehr so weit vom Dorf weg. Das ist bei der Dunkelheit zu gefährlich“, erkläre ich ihm.

      „In Ordnung, wollen wir uns dann dort drüben unter den Baum setzen?“, schlägt er vor. Wir gehen zu der Stelle und setzen uns nebeneinander ins trockene Gras. Louis fängt an, mit den kleinen herumliegenden Steinchen zu spielen.

      „Was habt ihr heute noch alles gemacht?“, frage ich neugierig.

      „Wir haben ein paar Interviews gegeben und die Werbefilme für den Red-Nose-Day gedreht. Morgen gehen wir noch in die Schule und übermorgen fliegen wir wieder nach England.“ Das war das Stichwort. Er fliegt wieder zurück. Meinem Herzen versetzt es einen Stich. Louis bemerkt meine Unsicherheit und fragt: „Mia, könntest du dir vorstellen, mit mir nach London zu kommen?“