Allendas. Nadine T. Güntner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadine T. Güntner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847647119
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sein breiter Körper mit den angelegten Flügeln waren mit silbrig-grün schimmernden Schuppen bedeckt und seine Nüstern flatterten bei jedem Atemzug. Er schien tief und fest zu schlafen 9).

      Hondor hatte in seiner Kindheit Märchen und Sagen über Drachen gehört, doch er hatte niemals damit gerechnet, jemals einem gegenüberzustehen. Es hieß, sie wären schon lange ausgestorben.

      Als sich sein Schreck gelegt hatte, keimte in Hondor der Gedanke an Flucht auf. Er wollte nur noch hinaus, musste entkommen, bevor der Drache erwachte. Ohne den Blick abzuwenden, tastete er sich ein paar Schritte rückwärts, versuchte, so leise wie möglich aus der Höhle zu verschwinden. Doch er kam nicht weit, dann stolperte er über einen kleinen Goldhaufen der hinter ihm lag. Mit einem dumpfen Schlag fiel er zu Boden, seine Ketten klirrten und die Schätze polterten, als der kostbare Haufen teilweise einstürzte und Gold und Silber durcheinander rollten.

      Regungslos blieb Hondor liegen, wagte es kaum, zu atmen und blickte in Richtung des Drachen, den er schemenhaft in der dunklen Seitenhöhle sehen konnte. Hatte er eben eine Bewegung gesehen? Oder spielten ihm seine überanstrengten Nerven einen Streich?

      Mühsam rappelte sich Hondor auf seine zittrigen Beine auf und versuchte dabei, so leise wie möglich zu sein. Er drehte sich um, auch wenn ihm nicht wohl dabei zumute war, dem schlafenden Drachen den Rücken zuzukehren, aber er wollte auf keinen Fall noch einmal einen solch geräuschvollen Zwischenfall riskieren. Langsam tat er den ersten Schritt.

      »Warum wollt Ihr schon wieder gehen?«, grollte es plötzlich mit tiefer Stimme hinter ihm. Die Worte ertönten in einem alten allendassischen Dialekt und obwohl sie ungewohnt klangen, konnte Hondor sie verstehen. Er erstarrte mitten in seiner Bewegung. Der König brauchte nicht lange zu überlegen, von wem sie stammten, auch wenn er niemals gehört hatte, dass Drachen sprechen konnten. Langsam drehte er sich um.

      Der Drache hatte sich mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung erhoben und streckte nun den Kopf durch den Zugang der Seitenhöhle. Nicht deutete darauf hin, dass er soeben wahrscheinlich aus einem Jahrhunderte andauernden Schlaf erwacht war, als er Hondor mit seinen orange-roten Augen anblickte. Dieser konnte seinerseits nur mit großen Augen zurückstarren.

      »Seit Ewigkeiten hat sich niemand bei mir blicken lassen und nun wollt Ihr wieder gehen, ohne wenigstens Seid gegrüßt gesagt zu haben«, fuhr der Drache in einem Plauderton fort, als hätte er sich für heute mit dem König zum Tee verabredet.

      Auf Hondor wirkte die gesamte Situation grotesk und er ließ sich mit einem dumpfen Plumps wieder auf den Haufen Gold sinken, über den er zuvor gestolpert war. Der Drache machte keineswegs den gefährlichen und Furcht einflößenden Eindruck, den er von einem solchen Wesen erwartet hätte. Obwohl er mindestens viermal so groß war, wie der Mensch und die Krallen, die seine Pranken zierten, ihm mühelos den Kopf hätten abreißen können, stand in seinen Augen eine gewisse Freundlichkeit. Hondor fehlten noch immer die Worte. Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, was geschah.

      Den Drachen schien das nicht zu beeindrucken. Er schwatzte einfach weiter, als wäre es das Natürlichste von der Welt. Wenn man es genau nahm, war es das für ihn wohl auch.

      »Da wollt Ihr einfach verschwinden und lasst nicht einmal etwas mitgehen. Wofür halte ich hier eigentlich Jahr um Jahr die Stellung, wenn der einzige Mensch, der hier auftaucht, nicht einmal etwas stehlen will?« Der Tonfall des Drachen klang nun beinahe beleidigt und Hondor erschien es, als würde er schmollend die Unterlippe ein wenig nach vorne schieben, während er seinen lang gestreckten, massigen Körper wieder sinken ließ und es sich bequem machte.

      »Würde es dir helfen, wenn ich vielleicht etwas mitnehmen würde?«, stammelte Hondor, als er endlich seine Sprache wiedergefunden hatte und kam im selben Moment zu dem Schluss, dass es nicht das Schlauste gewesen war, was er hätte sagen können.

      Der Drache legte den Kopf schief und dachte einem Moment über das nach, was Hondor gesagt hatte. »Ja, ich denke schon, dass mir das weiterhelfen würde«, entgegnete er schließlich und Hondor fragte sich, was er wohl davon halten sollte, »aber für Euch wäre es wohl nicht das Beste. Ich müsste Euch dann nämlich töten und das wäre wohl nicht besonders fein. Immerhin haben wir uns ja gerade erst kennen gelernt und Ihr scheint ja auch gar nichts stehlen zu wollen. Ich frag mich nur, was Ihr hier unten wollt, wenn ihr nicht an meinem wunderschönen und glanzvollen Schatz interessiert seid.«

      »Das ist eine lange Geschichte!«, erwiderte Hondor mit einem leisen Seufzen. Die Unruhe, welche die Anwesenheit des Drachen in ihm ausgelöst hatte, legte sich langsam. Aber es war noch immer die merkwürdigste Situation, in der sich Hondor jemals befunden hatte, soviel stand fest.

      Der Drache nickte verstehend. »Sie würde mich schon interessieren«, meinte er »ich weiß ja nicht, wie es mit Euch steht, aber ich habe jede Menge Zeit.«

      Hondor wollte gerade etwas erwidern und dabei erschien es ihm, als würde Kalerid wieder von außen ungeduldig an seiner Kette zerren, als dem Drachen plötzlich etwas einzufallen schien und er sich ruckartig ein wenig aufrichtete.

      »Wie unhöflich von mir«, entfuhr es ihm und Hondor überlegte, ob er ihm nun wohl doch eine Tasse Tee anbieten würde. Immerhin schien es sich um einen Drachen mit sehr guten Manieren zu handeln. »Ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Toranus.« Mit einer, für seinen massiven Körper überraschend eleganten Bewegung, neigte der Drache den Kopf und deutete damit eine Verbeugung an.

      »Angenehm!« Hondor verbeugte sich ebenfalls. »Mein Name ist Hondor. Ich bin König von Allendas - oder zumindest war ich es, bis vor nicht allzu langer Zeit.«

      »Hondor, ein sehr angenehm klingender Name«, entgegnete Toranus anerkennend. »Aber König?« Der Drache runzelte misstrauisch die Stirn. »Ihr seht ganz und gar nicht wie ein König aus.« meinte er irritiert und zeigte mit einer spitzen Kralle auf Hondor zerzaustes Haar und seine zerrissene Kleidung. »Zu meiner Zeit waren Könige ordentlicher gekleidet. Oder ist das in deinem Land so Sitte? Wie nanntest du es noch – Allendas? Wo liegt dieses Königreich?«

      »Genau hier!«, antwortete Hondor und machte eine allumfassende (soweit es seine Fesseln zuließen) Handbewegung. »Über uns und um uns herum.« Dem König wurde klar, dass Toranus in den letzten Jahrhunderten einiges verpasst haben musste.

      »Oh«, meinte der Drache nur und nickte verstehend, »früher nannte man dieses Land Aurantien. Es hat sich wohl vieles verändert, seitdem ich das letzte Mal den blauen Himmel gesehen habe. Er ist doch wohl noch blau?«

      »Wenn es nicht gerade bewölkt ist.« Hondor betrachtete den Drachen mitleidig. »Es lässt sich wohl nicht bestreiten, dass du einiges verpasst hast«, stimmte er zu.

      »Und laufen jetzt alle Könige so herum, wie Ihr?«, hakte Toranus nochmals nach.

      Hondor schüttelte den Kopf. »Für gewöhnlich nicht, aber wie gesagt, es ist eine lange Geschichte.«

      »Möchtet Ihr mir nun diese lange Geschichte erzählen oder nicht?« Der Drache schien wirklich neugierig zu sein.

      Hondor zuckte kurz mit den Schultern. »Warum nicht«, meinte er und begann zu erzählen.

      Sein Gefühl hatte den König nicht getäuscht. Draußen vor der Höhle stand Kalerid hoch aufgerichtet und zog ungeduldig an der Kette. Nicht, dass es ihn beunruhigte, dass sein Gefangener so lange in der Höhle verschwunden war, aber dass sich bereits seit einiger Zeit nichts mehr geregt hatte, störte ihn sehr. Die Kette hatte sich schon seit einer Ewigkeit, wie es dem Heerführer schien, kein Stück mehr vor- oder zurückbewegt. Egal, wie fest er daran zog, es geschah nichts. Zu Beginn hatte er zumindest spüren können, wie der Mensch am anderen Ende ein wenig nachgab, wenn er fest an den eisernen Ringen zog, aber nun rührte sich nichts mehr.

      Was Kalerid nicht wusste, war, dass sich, zu Hondors Glück, die Kette durch das ständige Gezerre des Sellag an der scharfen Biegung in einer kräftigen Baumwurzel verfangen hatte, die das Gemäuer des Höhlenganges durchstoßen hatte, und nun dort fest hing. Daher konnte der Heerführer so viel ziehen und zerren, wie er wollte, es hatte nicht den geringsten Sinn.

      »Was mag da los sein? Warum kommt diese elende Kreatur nicht