Allendas. Nadine T. Güntner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadine T. Güntner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847647119
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während er überlegte, was die Menschen wohl mit ihm anstellen würden.

       »Vielleicht ist dies besser, als unverrichteter Dinge zu Kalerid zurückkehren zu müssen.«

      Der Sellag begann sich zu fragen, warum die Menschen ihn nicht schon längst getötet hatten.

      Eine lange Stille war auf die Frage des »Königs« gefolgt. Anscheinend waren die Menschen sich selbst noch nicht über ihre weitere Vorgehensweise im Klaren.

      »Wir werden versuchen, so viel wie möglich über ihn und sein Volk aus ihm herauszubekommen. Je mehr du über die Fremden weißt, umso besser sind deine Voraussetzungen, wenn du gegen sie in den Krieg ziehen willst«, antwortete Merit schließlich.

      »Das planen sie also!«‚ schoss es Marek durch den Kopf. Seit Beginn ihrer Verfolgung hatte sich Marek gefragt, mit welchem Hintergrund der »König« und seine Begleiter so zielsicher losgezogen waren. Bis jetzt hatte er keine Antwort auf diese Frage gefunden. »Wahrscheinlich wollen sie sich irgendwo Verstärkung für einen Gegenschlag verschaffen«. Marek geriet in diesem Moment in einen Zwiespalt. Eine Stimme in ihm sagte ihm, dass er, so schnell es ging, nach Allendas zurückkehren musste, um Kalerid vor diesem drohenden Gegenangriff zu warnen; ein anderer, sehr viel vernünftigerer Teil von ihm, entgegnete dieser Stimme sehr bestimmt, dass, sofern er überhaupt jemals den Weg zurück finden würde, Kalerid ihn gar nicht dazu kommen lassen würde, überhaupt ein Wort darüber zu verlieren, sondern ihm wahrscheinlich sofort den Kopf abreißen würde.

      »Und was machen wir danach mit ihm?«, hörte er wieder den Mann fragen, den er für den König hielt.

      »Das hängt ganz von seinem Benehmen ab«, erwiderte Merit und kam unter den fragenden Blicken von Herras und Maleris aus dem Schneidersitz auf die Beine. Der Waldmensch hatte längst im Schein der Kerzen bemerkt, wie sich Mareks Lider bewegten. Es bedurfte nur wenige Schritte, dann stand er neben den Sellag, griff nach den Fesseln, die dessen Hände zusammenschnürten, und zog ihm mit einem kräftigen Ruck in eine sitzende Position. Marek riss mit einem Schlag die Augen auf und fauchte den Menschen an. Die Geste sollte seine Stärke zum Ausdruck bringen, wirkte aber eher hilflos.

      Merit ließ sich davon nicht beeindrucken. Er musterte den Sellag mit durchdringendem Blick. »Ich denke, du hast mitbekommen, was wir von dir hören wollen.«

      »Von mir werdet ihr nichts erfahren«, zischte Marek auf allendassisch mit einem wilden Glitzern in den Augen und zerrte an seinen Fesseln, obwohl er bereits wusste, dass es sinnlos sein würde.

      »Gut!«, Merit nickte ruhig, aber er spürte, dass Herras hinter seinem Rücken mit sich selbst ringen musste, um nicht auf den Sellag loszugehen. »Ich denke, wir werden Mittel und Wege finden, dich zum Reden zu bringen.«

      Maleris beobachtete sie schweigend. Sie war seit Ologs Auftauchen sehr still geworden, das war sowohl Merit als auch Herras aufgefallen, aber es hatte sich noch keine geeignete Gelegenheit geboten, sie darauf anzusprechen. Mit gekreuzten Beinen saß sie auf der Erde und blickte mit glasigen Augen zu dem Sellag und ihren Gefährten hinüber. Ihre Gedanken schienen weit entfernt zu sein. Trauer umhüllte sie wie ein Mantel und die beiden Männer konnten sich nicht erklären, woher ihre niedergeschlagene Stimmung rührte.

      »Ich sage nichts!«, fauchte Marek erneut.

      Merit zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Wie du meinst!« Der Waldmensch zog sein Schwert aus der Scheide und hielt es dem Sellag an die Kehle. »Vielleicht möchtest du uns jetzt etwas über dich erzählen.«

      Marek zuckte zurück und Angst blitzte in seinen Augen, doch dann meldete sich sein Verstand wieder zu Wort und sagte ihm, dass es gleichgültig war. Er würde sowieso sterben. Spätestens nachdem er ihnen gesagt hatte, was sie hören wollten, würden sie ihn umbringen und selbst, wenn sie ihn laufen ließen, würde ihn in Allendas der Tod durch Kalerids Klauen erwarten. Er konnte also ebenso gut schweigen, so konnte er wenigstens mit ruhigem Gewissen dem Tod entgegentreten. Ein heiseres Lachen entrann seiner Kehle, angesichts seiner auswegslosen Situation. Die Menschen dachten doch tatsächlich, sie könnten ihn auf diese Art und Weise unter Druck setzen. Konnten sie sich nicht denken, dass er sein Leben ohnehin bereits verwirkt hatte?

      »Stoß doch zu!«, sagte der Sellag und begegnete Herras’ und Merits Blicken gelassen. Die plötzliche Ruhe in seiner Stimme überraschte die Männer. »Was habe ich noch zu verlieren? Nur ihr könnt dabei verlieren. Wenn ich tot bin, kann ich Euch nichts mehr sagen.«

      Merit dachte über Mareks Worte nach und er musste sich eingestehen, dass sie nicht ohne Sinn waren. Er musste einen anderen Weg wählen, auch wenn er jetzt schon ahnte, dass er bei seinem Kameraden auf wenig Zustimmung stoßen würde. Er drückte sein Schwert noch ein wenig fester gegen die Kehle des Sellag, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

      »Ich denke, du hast Recht!«, sagte er mit gutmütigem Tonfall, der so gar nicht zu seinem Gesichtsausdruck passte. »Aber ich habe eine ganz wunderbare Idee, wie wir alle noch eine Zeit lang etwas voneinander haben können. Du wirst uns ein Stück begleiten.«

      Ein entsetzter Ausruf klang durch den Raum, als er seine Aussage beendet hatte. Zuerst dachte Merit, der Sellag hätte ihn ausgestoßen, doch dieser musterte ihn nur mit finsterem Blick und brummte einige Worte in seiner eigenen Sprache. Herras war der Verursacher des Geräusches gewesen.

      »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«, entfuhr es dem Allendasser entgeistert. »Du willst ihn verschonen?«

      »Nein, sei unbesorgt. Er wird bekommen, was er verdient«, entgegnete Merit und versuchte, Herras’ erhitztes Gemüt zu beschwichtigen. »Wir werden ihm nur ein wenig mehr Zeit geben, sich die Sache zu überlegen.«

      Erzürnt fuhr sich Herras durch das zerzauste Haar und ließ sich auf den Boden fallen. Er zweifelte nicht daran, dass Merit mit dem, was er tat, Recht hatte. Schließlich fiel es dem Lemberusken leichter, in dieser Situation einen kühlen Kopf zu bewahren, aber ihm selbst gelang kaum, seinen Zorn gegenüber den Verbrechern, die sein Volk überfallen hatten, unter Kontrolle zu halten. Sein Hass verursachte ihm Magenschmerzen und er hätte sich am liebsten direkt auf diese gewissenlose Kreatur gestürzt.

      Der Sellag vernahm Merits Worte nicht ohne eine gewisse Zufriedenheit. Auch wenn es ihm keineswegs zusagte, den Menschen weiterhin Gesellschaft leisten zu müssen, hatte er das Bestmögliche erreicht. Er hatte seinen Tod noch ein wenig herausgezögert. Man wusste ja nie, was noch geschehen würde.

      Merit versetzte Marek einen Stoß, sodass dieser wieder hintenüber fiel. Durch seine Fesseln war es ihm nicht möglich, sich aus eigenen Kräften wieder aus dieser Position zu befreien und er fühlte sich wie ein Käfer, den man auf den Rücken gelegt hatte.

      Merits Worte hatten auch Maleris aus ihren Gedanken gerissen. Sie sah Herras mit verständnisvollem Blick an. Sie konnte seine Gefühle gut nachempfinden. Auch ihr behagte es nicht, die Kreatur als Begleiter auf ihrem Weg zu haben. Wie musste sich erst Herras fühlen, der die Verbrechen miterlebt hatte, die diese Wesen an seinem Volk begangen hatten?

      »Er wird uns eine Menge Zeit kosten!«, sagte sie zu ihrem Bruder, als er wieder zu ihnen trat und sich niedersinken ließ. »Und wir haben nicht genug Proviant, um ihn mit durchzufüttern.«

      »Wir werden im schwarzen Wald sowieso nicht gut vorankommen, da wird seine Anwesenheit kaum auffallen«, erwiderte Merit ruhig. »Und ich werde schon dafür sorgen, dass er uns nicht zu viel Proviant wegfrisst. Was nach dem Togos mit ihm geschehen soll, werden wir dann sehen. Wir können ihn noch immer jederzeit los werden.«

      »Wie du meinst«, antwortete Maleris knapp. Noch immer beschäftigten sich ihre Gedanken mit anderen Dingen, sodass es ihr schwer fiel, dem Sellag viel Aufmerksamkeit zu widmen.

      »Wir sollten jetzt versuchen, uns noch ein wenig auszuruhen. Der Tag bricht bald heran und es gab viel Aufregung in dieser Nacht« sagte Merit schließlich. »Ich werde die restliche Wache übernehmen.« Der Waldmensch setzte sich in eine Position, von der aus er sowohl den Sellag als auch den Zugang des Turmes und die Lichtung innerhalb der Ruine im Auge hatte, und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.

      Herras sagte in dieser