Projekt-Controlling. Ralf Budde. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ralf Budde
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783752967890
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Ein entwurzeltes Controlling, das zu arrogant ist, um mit der Basis zu reden, führt vielfach zu falschen Erkenntnissen, da es über die Ursachen Mutmaßungen anstellt. Es kommt folglich zu Entscheidungen, die von der Belegschaft nicht verstanden und meist nur noch zynisch kommentiert werden.

      Fast alle Mitarbeiter in einem Projekt haben ein technisches Studium oder Ausbildung absolviert. Ohne betriebswirtschaftliches und juristisches Basis-Wissen fehlt jedoch eine wesentliche Komponente, die über den Erfolg eines Projektes entscheidend sein kann. In allen Projekten ist es erforderlich, dass alle Fachgebiete optimal zusammenspielen. Die Übergänge sind in der Realität fließend, so dass unterschiedliche Themenbereiche, parallel aktiv werden. Der Projektleiter als Choreograph, benötigt ein grundsätzliches Wissen, um die jeweiligen Prozesse anzustoßen und zu überwachen. Die Mitarbeiter benötigen dieses Wissen, um relevante Situationen frühzeitig identifizieren zu können.

      Um ein Projekt erfolgreich zu steuern, ist ein angemessener Controlling-Prozess erforderlich. Controlling ist die regelmäßige Analyse der Abläufe, Kosten, und Termine, so dass Maßnahmen eingeleitet werden können, wenn die geplante Vorgabe verlassen wird. Die üblichen historischen Auswertungen basieren auf passiven Parametern, wie Termine, Kosten und Qualität. Daneben spielen aktive Parameter, wie Änderungsprozesse, Schnittstellen und Ereignismanagement, gerade im Industrieanlagenbau eine entscheidende Rolle, um ein frühzeitiges Reagieren auf Abweichungen zu ermöglichen. Gerade im Anlagenbau sind vielfältige Störungen an der Tagesordnung. Es gilt jedes Mal zu prüfen, wer für die Störung verantwortlich ist und ob z.B. vertragliche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um einen Schaden (Kosten) zu vermeiden oder einen Anspruch zu behalten.

      Controlling spielt eine wesentliche Rolle für das Contract- & Claims-Management. Je früher eine Abweichung erkannt wird, desto eher lassen sich Maßnahmen ergreifen, die in Summe dem Projekt zugutekommen. Dieses Buch beschäftigt sich mit den wesentlichen Voraussetzungen, um einen effizienten Controlling-Prozess, als Basis für ein Contract- & Claim- Management, in einem Projekt zu etablieren. Ziel ist die Aufbereitung des komplexen Projektes in eine plan- und steuerbare Struktur. Die Definition einer Baseline, als Basis für Controlling-Prozesse, ermöglicht ein effizientes Änderungsmanagement. Auswirkung und Kosten der Änderung sind vor der Durchführung bekannt. Zusätzliches Potential für Change Ordern (Änderungen des Vertragsgegenstandes) wird frühzeitig identifiziert, so dass nur bezahlte Änderungen umgesetzt werden. Störungen bzw. Mehraufwand, der durch Andere zu vertreten ist, wird frühzeitig erkannt, so dass eine ausführliche Dokumentation zur Durchsetzung des Schadensersatzes angelegt werden kann.

      Im Rahmen der Reihe „Knowledge Series“, hat die „Contract Academy“ Bücher erstellt, die die Abläufe des Vertrags- und Claims-Managements beschreiben:

       Band I: Vertragsmanagement im Projektgeschäft

       Band II: Projektcontrolling: Ansprüche identiffizieren

       Band III: Claims-Management: Ansprüche bewerten

       Band IV: Das Pro:Claim-Konzept: Claims erfolgreich verhandeln

      Controlling wird häufig als „Verfolgen der kommerziellen Entwicklung eines Unternehmens oder eines Projektes“ bezeichnet. Konsequenterweise werden die kommerziellen Buchungssysteme intensiv genutzt, um aus den historisch belegten Fakten eine Aussage über den Zustand des Projektes zu erhalten. Dies mag eine Vorgehensweise sein, die bei automatisierten und standardisierten Prozessen, wie sie in der Massenfertigung üblich sind, ausreichend ist. In der Investitionsgüterindustrie führt dieses Vorgehen jedoch zu einer viel zu späten Erkenntnis, dass der Plan verlassen wurde. Die Aufgabe eines Controllingprozesses soll es sein, Störungen so früh zu erkennen, dass Maßnahmen eingeleitet werden können, bevor eine Kostenauswirkung stattgefunden hat. Denn ungeplante Kosten sind gleichbedeutend mit Verlust an Profit. Controlling ist ein funktionsübergreifendes Führungsinstrument, das die Unternehmens- oder Projekt-Leitung bei ihren Entscheidungen unterstützen soll (Vergl. H. J. Vollmuth, Führungsinstrument Controlling, 5. Aufl. S 11). Die Definition des Controllings entspricht gemäß DIN 69904 (DIN 69904 Projektmanagementsysteme ) Abschnitt 5.17 wie folgt:

      Betriebswirtschaftliches Controlling:

      Prozesse und Regeln, die innerhalb des Projektmanagements zur Sicherung des Erreichens der Projektziele beitragen.

      Technisches Controlling:

      Überprüfung der technischen Gebrauchswerte

      Der Wortstamm des Begriffes Controlling stammt zwar aus dem Englischen, existiert aber in dieser Bedeutung nur im Deutschen. Im anglikanischen Sprachraum wird der Teil des Controlling, der sich mit der Prüfung von Buchhaltungsdaten beschäftigt, als „Auditing“ bezeichnet. Die Funktionsträger des Controllings sind im englischen Sprachraum spezielle Handlungsgehilfen in der Buchhaltung, insbesondere in der Anlagen- und Finanzbuchhaltung sowie bis heute als spezielle Ausprägung des öffentlich bestellten Kämmerers bei der Aufstellung von Haushalts- und Geschäftsplänen.

      Es gibt klar formulierte Änderungen und offensichtliche Störungen, die sofort erkannt werden. Der Controlling-Prozess soll aber vor allem die Abweichungen erkennen, die sich schleichend auf das Projekt auswirken. Die Auswirkung wird meist erst dann erkannt, wenn irreversible Kosten angefallen sind. Die folgende Auswertung zeigt in einer Übersicht, in welchen typischen Zeiträumen eine schleichende Mehrung erkannt wird. Der Zeitraum der Erkennungszeit bezieht sich auf die erste Möglichkeit bis zur Identifikation der Mehrkosten im Cost-Report.

      Abb. 1 Typische Erkennungszeit bei unterschiedlich großen Änderungen (Als Grundlage dienten vier Großprojekte, die durch den Autor untersucht wurden.)

      Eine weit verbreitete Meinung lautet, dass sich bei kleinen Änderungen der zusätzliche Aufwand zum Controlling bzw. zum Claims-Management nicht lohnt. Der Aufwand wäre ein Nullsummenspiel, da die Einsparung durch z.B. besseres Controlling, durch die Kosten für das Controlling aufgebraucht würde. Die tatsächlichen Änderungen in einem Projekt des Industrieanlagenbaus liegen in der Größenordnung von 20% – 30% des Auftragswertes. Dadurch, dass sich Änderungen sowohl kostenreduzierend als auch kostenerhöhend auswirken, wird eine Größenordnung von etwa 50% der tatsächlichen Änderungen gegenseitig aufgehoben Als Grundlage dienten vier Großprojekte, die durch den Autor untersucht wurden (Vergl. Kapitel 8.1.2 „Versteckte Prozessfehler“), so dass in den meisten Projekten der finanziell gemessene Wert bei 10% – 15% liegt. Ein typisches Großprojekt hat einen angenommen Auftragswert von 150 Mio. €. Bei 25% Änderungen sind dies insgesamt Änderungen von ca. 38 Mio. €. Von diesen 38 Mio. € werden nach der oben aufgeführten Tabelle 15% selten oder nie rechtzeitig erkannt, was einem Wert von 5,7 Mio. € entspricht. Die Anfänge dieser schleichenden Mehrungen werden in den meisten Fällen nicht erkannt. Erst wenn Kosten, über einer bestimmten Größenordnung angefallen sind, ist klar, dass eine Störung aufgetreten sein muss. Dem schließen sich aufwendige Untersuchungen an, um die Ursache der Mehrkosten heraus zu finden. In der obigen Tabelle wird aufgezeigt, dass viele kleine Änderungen auftreten, die so gut wie nie separat erfasst werden, aber bei dem Beispiel einen Gesamtwert von 5 Mio. € repräsentieren. Diese Mehrkosten werden regelmäßig durch die pauschale Rückstellung gedeckt, die für unvorhergesehenes aufgebraucht wird. Dabei handelt es sich jedoch um Kosten, die in einem anderen Projekt als Profit erwirtschaftet werden müssten. Die Gründe für das späte Erkennen von Abweichungen im Industrieanlagenbau werden mit der folgenden Grafik verdeutlicht:

      Es dauert einige Zeit (Totzeit), bis die Auswirkung einer Prozessstörung Eingang in die passiven Controlling-Größen