Der schottische Prediger. Frank Phil Martin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Phil Martin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750226104
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sah in einiger Entfernung, dass die Räuber einen kleinen Baum gefällt hatten, der direkt vor die Kutsche gefallen war und sicher die Pferde erschreckt hatte, es war das Ende eines Waldstücks, bevor der Weg in eine weite Lichtung überging, ein idealer Platz für einen Überfall, dachte ich.

      „Mit Verlaub, Mam, Sie sehen aus, als ob Sie viel hätten und wir haben wenig, wie wäre es mit einem, nun nennen wir es, kleinen Ausgleich?“

      „Eine Unverschämtheit, unbescholtene Bürger auszurauben, gehen Sie gefälligst einer Arbeit nach, wie rechtschaffene Menschen auch.“

      Meine Mutter war in Rage und ich bewunderte ihren Mut, derart unerschrocken mit diesen Ganoven ins Gericht zu gehen. Für einen Moment dachte ich, ob ich den kleinen Baum heimlich aus dem Weg schaffen sollte, damit Harris freie Fahrt hatte, um dann einfach davon zu preschen, aber zugleich mahnte mich das Geheiß meiner Mutter und zum anderen hätten die Gauner mich vermutlich bemerkt, immerhin waren sie mit Revolver und Bockflinte bewaffnet.

      „Was haben Sie denn zwei armen, hungrigen Erdenbürgern anzubieten?“,

      grummelte der Rädelsführer, der eine Hand aus seinem Hosenbund nahm, um damit seinen Hut zurechtzurücken und ihn dabei noch tiefer in sein Gesicht zog, während er langsam auf meine Mutter zuging.

      „Sie haben Hunger?“

      parierte ihn meine Mutter.

      „Nun, wir haben ein Lunchpaket und könnten Ihnen davon etwas abgeben.“

      „Abgeben? Hast du gehört Kumpel, abgeben, wie reizend. Wie wäre es mit, nennen wir es, schenken?“

      Er baute sich stolz vor ihr auf und seine Körpersprache verriet, dass er deutlich ungehaltener wurde. Meine Mutter bemerkte in diesem Augenblick wohl, dass trotz ihres resoluten Auftretens wenige Chancen bestanden, die Männer von ihrem Beutezug abzubringen, so ging sie einige Schritte zurück an die Fensterseite der Kutsche und raunte mir zu:

      „James, bitte reich mir den Korb von Mr. Troughton.“

      Emsig klaubte ich die Sachen zusammen, denn auch der Inhalt des Korbes war durch das abrupte Anhalten heruntergefallen und ein Teil der Sachen lag etwas verstreut am Boden. Ich reichte ihr den Korb heraus, sie nahm ihn an sich und stellte ihn bedächtig auf die Erde.

      „Hier, nehmen Sie, dann verschwinden Sie und lassen uns weiterfahren.“

      „Danke, Mam, das ist ja schon mal ein Anfang.“

      „Ein Anfang?“ schrie meine Mutter ihn an, „was wollen Sie denn noch?“

      „Nun, Mam, der Korb ist bald so leer wie unsere Bäuche im Moment und wir brauchen noch etwas für, sagen wir, schlechte Zeiten.“

      „Sie ungehobelter Klotz“, zischte meine Mutter, „wir haben keine weiteren Sachen dabei, die für Sie nützlich sein könnten.“

      Das war freilich nicht ganz die Wahrheit, dachte ich, denn immerhin hatten wir eine stattliche Menge Bargeld von etwa siebzig bis einhundert Pfund mit dabei. Die eine Hand des Räubers, die vor kurzem noch den Hut zurechtgerückt hatte, wanderte nun unmissverständlich an den Schaft seines Revolvers, und um seine Geste zu untermauern, sagte der Mann mit leicht schneidendem Unterton:

      „Bitte, Mam, ein paar Farthing, für die Armen, Gestrandeten und Benachteiligten.“

      Farthing? Dass sind wohl eher bescheidene Diebe und im selben Atemzug erinnerte ich mich an unsere Wechselgeldbörse, in welcher tatsächlich nur das Kleingeld aufbewahrt wurde. Ich kramte die Börse heraus und öffnete sie umsichtig, es befanden sich nach kurzer Prüfung etwa zehn bis fünfzehn Pfund in Penny und Viertel Pennys in der Börse. Das war insofern eine stattliche Summe, dachte ich, wenn man bedenkt, dass die Gehälter einfacher Arbeiter oder Dienstboten, etwa der einer Haushaltsdame, siebzig Pfund im Jahr betrugen. Meine Mutter drehte sich, nun ein wenig eingeschüchtert von der Geste des bärbeißigen Mannes, zu mir um und ich hielt ihr die Wechselgeldbörse entgegen. Augenscheinlich verstand sie mein Ansinnen, so vom “großen Geld“ abzulenken, sie ergriff die Börse und fing elendig zu schimpfen und zu jammern an.

      „Sie ausgepichter Tagedieb, dass Sie sich nicht schämen, uns um unser letztes Geld zu bringen, unser Angebinde scheint Ihnen ja nicht auszureichen, dann nehmen Sie es und werden glücklich damit!“

      Schließlich warf sie es mit aller Entschlossenheit vor den abgetakelten Landstreicher auf den Boden. Dieser schien so verblüfft, dass er einen Schritt rückwärts machte, wobei ihm der Filzhut ein wenig verrutschte, dann hob er sorgfältig die Börse auf und erkundete deren Inhalt. Offensichtlich erfreut von den vielen Münzen, sah ich, wie er einen Mundwinkel abschätzend und wohlwollend zugleich nach oben zog.

      „Hey Kumpel, komm für heute reicht`s.“

      Er fasste sich mit der Hand fast schon vornehm an den Hut, die eben noch den Revolver berührt hatte, und entgegnete:

      „Gute Reise und … nichts für ungut Mam.“

      Sogleich stieg Mutter ein und nachdem wir ein raspelndes, scharrendes Geräusch hörten, vermutlich war es der kleine Baum, der bei Seite gezogen wurde, war der Weg frei, unvermittelt setzte Harris das Gespann mit einem zünftigen Peitschenknall in Bewegung. Wir saßen da und starrten einander an,… ich stammelte, immer noch aufgeregt von der Situation:

      „Du warst … du warst großartig, Mutter, dein Mut, deine Entschlossenheit …!“

      „James“, erwiderte Sie, „das Meisterstück hast du abgeliefert, auf die Idee mit dem Kleingeld wäre ich nie gekommen. Nur gut, dass die Gier auf eine schnelle Beute, den letzten Verstand bei den Herrschaften auch noch außer Kraft gesetzt hat.“

      Wir fielen uns in die Arme und hielten uns lange fest, solange wie selten zuvor. Wir waren beide stolz aufeinander und froh zugleich, diesem Überfall auf glimpfliche Weise entgangen zu sein. Ich fühlte mich matt und ausgelaugt und das obwohl die weitere Reise ruhig verlief. Der Tag begann zu dämmern, während es zunehmend nach Regen roch. Ich versuchte, mich abzulenken, und während meine Gedanken drohten, sich zu verselbständigen, versuchte ich ein Wortspiel, bei dem ich überlegte, welche Worte mir alles für Geld einfallen und dann hing ich ein anderes mit dem gleichen Buchstaben für Unwetter hinten dran. So kamen Wörter heraus wie: Taler-Taifun oder Zaster-Zyklop, … Monetärer Monsun, … Banknoten-Blizzard, … am besten gefiel mir, Banknoten-Blizzard. So schmunzelte ich vergnügt in mich hinein und war froh, dass ich meine Gedanken wieder im Griff hatte. Die weitere Reise verlief ruhig und ohne weitere Zwischenfälle, als wir am Abend glücklich das Wayside Inn in Birmingham erreichten.

       Zweite Szene - Gegensätze

      Am Tag zuvor…

      Der Ruf meiner Mutter, der zur Eile mahnte, drang gedämpft durch die Scheiben zu mir in das obere Stockwerk des Hauses, „James, beeil dich!“

      Hier in Annan, etwa drei Fußstunden von der schottischen Stadt Dumfries entfernt, hatte ich siebzehn Jahre meines Lebens verbracht. Ich war das Älteste von drei Kindern und meine Kenntnisse von der Welt waren wohl eher spärlich. Das sollte sich nun ändern, denn jetzt, jetzt war es endlich soweit. Alles war aufregend, denn an diesem ersten April 1822, zu dieser für mich ersten großen Reise, ging es nach London, um ein Studium der Jurisprudenz am Sommerset Haus zu beginnen. Mein Onkel Edward hatte sich bereit erklärt, mich bei sich aufzunehmen, ein glücklicher Umstand, denn erst vor kurzem war er von Glasgow nach London umgezogen.

      Das Rufen meiner Mutter wurde eindringlicher: „James!!“

      „Ich komme!!“,rief ich zurück.

      Sie war eine fleißige, resolute, starke, aber auch feinfühlige Frau, groß gewachsen, sportlich mit zartem, fein geschnittenem, freundlichem Gesicht, nicht eitel und doch von einer natürlichen Anmut. Unseren Vater, der vor zwei Jahren bei einem Reitunfall ums Leben gekommen war, vermissten wir alle schmerzlich und ich bewunderte meine Mutter, wie sie mit Klugheit und viel Übersicht unsere Gerberei am Laufen hielt. Die Gerberei, mit etwa fünfzehn Arbeitern, lag etwas außerhalb