Der lange Weg nach Däne-Mark. Sonja Reineke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sonja Reineke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847640936
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wohl. Und sie antwortete: „Ach, das ist nichts, was sich mit einem dicken Hammer nicht richten ließe!“ Drinnen stellte er seinen Werkzeugkasten an die Seite und die beiden taumelten grapschend und knutschend ins Schlafzimmer.

      Mir wurde so übel wie noch nie im Leben. Sogar Svenjas Nugatcremeglas war nichts dagegen.

      Ich stand einfach auf und ging ohne ein Wort ins Wohnzimmer. Mark sah mir verdutzt hinterher, Marcel freute sich, da mein Weggang mehr Nudeln und Soße für ihn bedeutete.

      Im Wohnzimmer nahm ich den Laptop, den Marcel mir dort hingestellt hatte, ging damit ins Schlafzimmer und googelte nach Stichworten wie „Mann geht fremd“. Es erschütterte mich, dass viele der aufgeführten Warnsignale auf uns zutrafen. Die vielen Überstunden und sexuelles Desinteresse – Bingo! Ich klickte wie vom Donner gerührt weiter und kam auf eine verzweifelte Geschichte einer betrogenen und verlassenen Frau. Ich war im Forum von goFeminin.de gelandet, in dem sich zumeist Frauen ausweinten, aber es gab viele Männer dort, die ebenfalls Ratschläge erteilten und suchten. Und da alles ja anonym war, erschien es mir plausibel, mir alles einmal von der Seele zu schreiben.

      Ich meldete mich an, Marcel hatte mir ja eine E-Mail-Adresse angelegt und ein Programm runtergeladen, das die E-Mails abrief. Als ich den Link angeklickt und als Nutzer „Isolde52012“ freigeschaltet worden war, legte ich einfach los. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob mein Beitrag in die Unterkategorie „Beziehung“ oder „Sexualität“ gehörte. Aber dann sah ich erstaunt, dass im Forum mit dem Schwerpunkt Sexualität noch andere Frauen das gleiche Problem mit einem lustlosen Partner hatten. Also tippte ich meinen ganzen Frust dort ab. Es ist schon ein Vorteil, wenn man Wireless LAN hat und überall in der Wohnung online sein kann. Dass mir in so einem Moment Marcel über die Schulter sah, wollte ich ja nun wirklich nicht.

      Das ist, was ich schrieb:

      Isolde52012

      „Hallo ihr Lieben,

      ich bin ganz neu hier, habe aber ein Problem, das viele zu haben scheinen. Mit meinem Mann bin ich seit zwölf Jahren zusammen. Sexuell war es anfangs der Wahnsinn! Ich hätte ihn praktisch mit einem Brecheisen von mir herunterstemmen müssen! Aber in den letzten Jahren wurde es immer weniger. Und im letzten Jahr hörte es sogar ganz auf.

      Er hat wenig Zeit und viele Hobbys. Letzte Woche wollte ich ihn dann verführen und begrüßte ihn nach einem Kinoabend in einem umwerfenden Negligé und Kerzen im Schlafzimmer. Aber er war nur verlegen und sprang kein bisschen auf mich an.

      Seitdem meiden wir einander und gehen über die Sache tunlichst hinweg. Ich bin völlig am Ende deswegen. Wir leben nur noch nebeneinander her! Dabei hatten wir uns geschworen, uns immer die Verliebtheit der ersten Zeit zu bewahren und uns weiter zu umwerben.

      Aber was ich auch tue, der Alltag hat uns längst eingeholt. Ich habe so oft versucht, wieder die erste verliebte Stimmung herbeizuzaubern oder den einen oder anderen Abend romantisch zu gestalten, aber er sitzt nur noch auf der Couch, wenn er mal zu Hause ist. Sogar etwas Schmusen ist nicht mehr drin. Hat er eine andere?

      Ich komme mir so wertlos und ungeliebt vor. Das ist doch keine Beziehung! Das macht mich auch total wütend! Er macht überhaupt keine Avancen mehr, erwähnt es auch nicht mehr und es scheint ihm auch nicht zu fehlen! Und ich kann doch nicht immer diejenige sein, die die Beziehung zu retten versucht! Scheiß Beziehungsalltag!“

      Irgendwie tat es unendlich gut, das Ganze von der Seele geschrieben zu haben und dort einzustellen. Svenja mochte ich damit derzeit nicht belasten, sie hatte ja mit dem Umzug, Rainer und dem Nugatcremeglas genug um die Ohren. Und Diana kannte ich ja noch nicht. Andere Freundinnen, denen ich etwas derart Intimes erzählt hätte, gab es auch nicht. Das waren eher oberflächliche Bekanntschaften durch das Motorradfahren. Es half mir auch, dass der Beitrag völlig anonym war und ich zweifelsohne ehrliche Meinungen zu hören bekommen würde. Vielleicht blickte ja einer der Nutzer da durch oder hatte gute Tipps. Ich selbst war mit meinem Latein am Ende.

      Die erste Antwort brachte mich ins Grübeln.

      „Hast du mit deinem Mann denn schon einmal geredet? Weiß er, wie sehr dir der Sex fehlt? Ob er eine andere hat, kann ich dir nicht sagen, aber es könnte schon sein. Ist ja ungewöhnlich, dass jemand so selten zu Hause ist und so viele Hobbys hat.“

      Die zweite Antwort war sehr viel schlimmer.

      „Wenig Zeit? Für Sex nimmt man sich doch immer Zeit! Also, ich könnte es mir schon vorstellen, dass er sich woanders holt, was er zu Hause nicht mehr will ... hast du sehr zugenommen oder ziehst du dich nur noch schrottig an? Das kann einen Mann nämlich auch abschrecken!“

      Ich schluckte schwer und kämpfte mit mir. Aber wenn ich Hilfe wollte, musste ich auch ehrlich sein.

      Isolde52012

      „Ja, um ehrlich zu sein habe ich schon etwas zugenommen und mag mich selbst kaum mehr im Spiegel ansehen. Du meinst, daran liegt es? Warum sagt er dann denn nichts? Er ist immer sehr ehrlich zu mir. Wenn es ihn stört, kann er mir doch sagen, ich soll etwas abnehmen!

      Am besten fange ich gleich mit einer Diät an. Aber ob es etwas nützt? Ob er mich überhaupt noch liebt? Liebe und Sex gehören doch zusammen!“

      Es passierte erst einmal gar nichts. Ich starrte erst eine Weile auf den Bildschirm. Dann fiel mir ein, dass ich die Zeit ja auch anderweitig nutzen konnte, und zerrte den großen Koffer vom Schrank. Morgen Nacht ging es ja schon los. Auf einmal wollte ich auch weg. Zwar brach es mir das Herz, Mark alleine zu lassen für so lange Zeit, aber ich kam mir mehr und mehr gedemütigt vor. Da legte ich mich im Presswurstoutfit ins Bett und befummelte ihn, und er hatte wahrscheinlich schon seit Monaten eine oder mehrere andere am Start. Meine Wangen brannten vor Scham.

      Dann las ich eine Antwort im Forum. Genauer gesagt zwei. Die Erste war noch okay, aber die Zweite hatte es in sich.

      „Die meisten Frauen nehmen im Laufe der Zeit etwas zu. Viele Männer stört es gar nicht. Ich selbst liebe meine Frau auch mit ihren Rundungen. Ich würde sie gar nicht anders wollen! Dass dein Mann aber überhaupt keine Lust mehr hat und selten zu Hause ist, ist kein gutes Zeichen. Ich würde ihm mal hinterherfahren oder einen Blick in sein Handy werfen. Klar ist das nicht toll, aber du musst Gewissheit haben. Ungewissheit ist das Schlimmste.“

      „Mach die Augen auf! Dein Mann ist wahrscheinlich nur noch aus wirtschaftlichen Gründen bei dir! Habt ihr Kinder? Ein Haus, das abbezahlt werden muss? Oder bist du das bequeme Hausmütterchen, das ihm die Unterwäsche bügelt und sein Lieblingsgericht kocht? Wieso sollte er dann wegwollen? Den Spaß holt er sich woanders, zu Hause lässt er sich den Arsch hinterhertragen! Den Blick in sein Handy kannst du dir sparen. Pack lieber deine Sachen! Das Leben ist zu kurz, um ohne Liebe und Sex zu leben! Wenn du achtzig bist, kannst du ja drauf verzichten. Aber jetzt schon?“

      Mein Herz raste. Wahrscheinlich hatte die Schreiberin recht! Zwar mussten wir kein Haus abbezahlen, aber wenn Mark sich scheiden ließ, kamen Unterhalt für Marcel und eine neue Bleibe auf ihn zu, und diese Kosten konnte er nicht stemmen. Also blieb er bei mir, wir verstanden uns ja auf freundschaftlicher Basis noch ganz gut, und holte sich den Sex woanders.

      Wieder stiegen mir die Tränen in die Augen, und ich warf meine weißen Baumwollslips blind in den Koffer, wozu die Guten mitnehmen?

      Blusen und Hosen ertastete ich im Kleiderschrank und knautschte auch die hinein. Es war mir in diesem Augenblick scheißegal, ob in Dänemark alles zerknittert war. Für wen sollte ich mich noch schick anziehen? Meine Ehe war am Ende.

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