Quallen, Bimm und Alemannia. Ha-Jo Gorny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ha-Jo Gorny
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738029468
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Gruppe soll unverzüglich das Wasser vor dem Tor abfließen lassen.“

      „Wenn wir nur schon dort wären“ sagte Halmschor missmutig.

      Auf den öffentlichen Straßen waren gemeindeeigene Roboter fleißig dabei herumliegende Äste von den Fahrbahnen zu sammeln. Mit leichter Verspätung bog die Kolonne in den Wald. Kaum unter dem Blätterdach, lag der erste abgerissene Ast auf dem Weg. Die Vorderen, die noch ein schlammiger See erwartete, stiegen aus und zogen ihn vom kiesigen Waldweg. Von den Insassen brauchte keiner die Strecke zu beobachten, denn der erste Bus meldete sich zeitig, wenn etwas den Weg versperrte. Doch alle schauten gebannt nach vorne und darauf, was sie da erwartet. Für die Arbeiter im ersten Lastzug wurde es zum ständigen Aus und Einsteigen. Nicht lange, lag auch ein dicker Baum quer über der Fahrbahn. Alle sechs Fahrzeuge hielten wieder an, aus einem wurde ein Schneidegerät ausgeladen und damit der Stamm in handliche Stücke geschnitten, die dann die Böschung hinuntergerollt wurden. „Jetzt fehlt uns nur noch ein Erdrutsch“, orakelte Dolora. Die Arbeiter stiegen erst gar nicht mehr ein und marschierten vor dem ersten Fahrzeug her, um herumliegendes Gehölz zur Seite zu werfen. Der Waldweg schien solide gebaut, kein bisschen Erde hatte sich ober- oder unterhalb bewegt, aber der Weg war aufgeweicht und nach dem letzten Fahrzeug sah er aus wie von Wildschweinen durchwühlt.

      Ab der Stelle ab der es steiler wurde, verweigerte der vordere Bus die Weiterfahrt. Jetzt schon deutlich im Verzug, wurde das Personal aufgeregter. Leute aus dem hintersten Laster eilten nach vorne, um zu erfahren was denn nun schon wieder sei und als sie es erfuhren, schlugen sie die Hände über dem Kopf zusammen. Zurückfahren sei auf keinen Fall möglich, die Strecke bestünde nur noch aus aufgeweichtem, tiefem Morast. Der Anführerbus wollte nichts weniger als eine befestigte Fahrspur, das zeigte er auf seinem DV und sprach es auch aus. Der Chef das Buses, ein jüngerer Arzt, fragte ihn ungehalten wie er sich das vorstelle, eine Baukolonne käme jetzt wohl nicht mehr bei. Vielleicht wäre es hilfreich, Steine auf die weichen Stellen des Weges zu legen, meinte der Bus diplomatisch. Den drei Mannschaften blieb nichts anderes übrig als vor dem Bus herzulaufen, beidseitig des Weges Steine zu suchen und die, sobald das Fahrzeug stoppte, auf die aufgeweichten stellen zu legen. Die Fahrzeuge krochen vor sich hin, der Vormittag war fast schon vorüber, die Mägen begannen zu knurren, als die Steigung endlich hinter ihnen lag. Dann waren noch ein paar Äste und ein Baum auf dem Höhenweg zu beseitigen und ein paar hundert Meter weiter kam schon das obere Tor. Hinter dem gleich der nächste Baum zu zerteilen und wegzutragen war. Jetzt warteten alle gespannt wie es in ihren jeweiligen Dörfern aussah.

      Als Albritz Gruppe nach der Beseitigung eines weiteren Baums auf dem Dorfplatz einfuhr, standen und saßen dort hunderte Sklaven wie begossene Pudel mit ratlosen Gesichtern.

      Halmschor hielt sich nicht lange auf und rief: „Abladen, aber alle.“ Dr. Albritz rief: „Gibt es Verletzte?“ Während sich die Arbeiter gleich daran machten die Schäden zu inspizieren, bauten die Arzthelferinnen ein behelfsmäßiges Lazarett auf, in das auch die Zahnärztin und der Laborant miteinbezogen wurden. Verstört führten einige Sklaven die Ärzte zu den Verletzten, von Bimm keine Spur. Eine uralte wilde Kirsche war auf den hinteren Teil einer Baracke gestürzt und hatte zwei Wohneinheiten zertrümmert. Dort lagen mehrere Sklaven mit gebrochenen Knochen und einer mit eingeschlagenem Schädel. Auch an anderer Stelle gab es Verletzte, die meisten waren von herumfliegenden Teilen getroffen worden. Die ganz schweren Fälle, denen Dr. Albritz nicht helfen konnte weil sie in ein Krankenhaus gehörten und operiert werden mussten, schläferte er ein, so wie er es sonst auch mit Schwerkranken machte.

      Der Alte verschaffte sich einen Überblick und machte sich ein Bild über die zu erwartende Arbeit, dann wollte er doch wissen wo Bimm steckte. Innerlich sah er sie schon tief im Wald unter einem Baum liegen. Er marschierte zu der Gasse in der ihre Mutter und ihre Geschwister lebten, sah sich nach Schäden um und konnte außer zwei herumliegenden Dachziegeln nichts feststellen. Er klopfte und fragte die ihm öffnende Kugel mit Mädchengesicht, wo Bimm wäre. Weiß nicht, war die Antwort. Um das Dorf abzusuchen war es doch zu groß, deshalb stapfte er weiter zum Lagerfeuer, das natürlich nach dieser Sintflut nicht mehr brannte, im Loch stand Wasser. Von dort aus sah er Dolora, die an den Klappbetten Fleischwunden behandelte, ging schließlich zum Bus zurück und erkundigte sich bei ihr nach Bimm. Halmschor hätte sie gefunden, wusste sie inzwischen, bei einem umgestürzten Baum unterhalb des Dorfes.

      Nach dem Halmschor festgestellt hatte, dass es im alten Dorf nur geringe Schäden gab, eilte er zu den Baracken am Dorfrand weiter. Seine Arbeiter entfernten schon den Baum, der auf einer der Baracken lag. Der Sturm hatte viele Dachplatten abgerissen, die als gefährliche Geschosse durch die Gassen gefegt waren. Um die fehlenden Platten besser zählen zu können, wanderte er außen um das Dorf herum und wäre fast über Bimm gestolpert.

      „Hier steckt du? Bist du in Ordnung?“ Teilnahmslos saß sie auf einem Ast und starrte vor sich hin.

      „Mit dir stimmt doch etwas nicht“ sagte Hal dann. Langsam zeigte sie zu dem umgestürzten Baum und dann sah Halmschor das Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen, das unter den Zweigen hervor sah. Es waren eindeutig die Augen einer Toten. Er ging hin, bückte sich, schob langsam das Geäst zurück und lies es sofort wieder los. Der Toten steckte ein Ast im Bauch.

      „Wer ist das?“ fragte er leise.

      „Sie heißt glaube ich Mali“ antwortete sie gleichgültig.

      Hal war irritiert, es war anscheinend keine Verwandte und keine Freundin von ihr. „Und weshalb sitzt du hier?“

      „Wo ist es hin?“ fragte Bimm fordernd.

      „Was?“

      „Das Lebendige von ihr“ stieß sie die Worte aus.

      Er suchte nach einfachen Worten. „Sie funktioniert nicht mehr. Es funktioniert nichts mehr an ihr, auch nicht mehr das Lebendige.“

      „Kann es einfach so aufhören“ meinte sie ungläubig, „kann das Lebendige in uns nicht irgendwie in die Wolken gehen oder in einen Vogel?“

      Halmschor seufzte, das war ihm zu schwere Kost. „Man kann sich die schönsten oder die schlimmsten Sachen ausdenken, was nach dem Tod sein könnte“, wollte er das Thema beenden. „Erfahren werden wir das nie, weil die Toten nicht mehr mit uns reden. Ich hole jetzt Arbeiter die den Baum wegmachen und du kannst dir Brot holen.“

      Albritz erkundigte sich bei Halmschor nach Bimm. Hal erzählte von der Begegnung. Das sei aber interessant, meinte der Alte, durch solche Gedanken seien Religionen entstanden. Das wär es noch, Bimm als Religionsgründerin bei den Quallen, lästerte Hal, in der Schule hätte er gelernt, dass Religionen immer nur Ärger gemacht haben. Sowas könnten wir hier bestimmt nicht gebrauchen, pflichtete ihm der Arzt bei.

      Halmschors alte Gruppe kam an diesem Tag nur mit Schwierigkeiten zu ihrem Barackendorf am Tor. Unterwegs verweigerten die Fahrzeuge wiederholt die Weiterfahrt, weil der Weg zu sumpfig war und sie stecken zu bleiben drohten. So rekrutierten sie alle Sklaven derer sie habhaft werden konnten und befahlen ihnen Steine und Kies heranzuschaffen. Als die Gruppe endlich bei den Baracken ankam, war der See vor dem Tor schon abgeflossen. In der dann einsetzenden Hektik versäumten sie leider in den Tunnel zu schauen, da hatte eindeutig der DV des Buses geschlafen. In der Dämmerung packten alle drei Gruppen gleichzeitig zusammen und standen vor dem Tor Schlange. Den Arbeitern und dem medizinischen Personal reichte es dicke, sie wollten nur noch heim. Doch gleich das Zweite Fahrzeug blieb im Tunnel stecken, die Insassen konnten nicht einmal aussteigen und helfen. Das abgelaufene Wasser hatte den Tunnelboden zum Sumpf gemacht. Weshalb die Sensoren der Fahrzeuge im Tunnel versagten, wurde breit diskutiert. Mit mehr Glück als Können gelang es das Fahrzeug herauszuschleppen, das nachfolgende Personal musste bis in die Nacht hinein Steine suchen, die Sklaven wollten sie nicht in den Tunnel lassen.

      Am nächsten Tag wurden auch das dienstfreie Personal und die Ersatzfahrzeuge eingespannt, damit die gröbsten Schäden behoben und die Toten schnell unter den Boden gebracht werden konnten. Speziell Albritz Gruppe benötigte noch Wochen, bis alles wieder beim Alten war. Aber schon nach zwei Tagen brannte wieder das Lagerfeuer. Der Chef befragte ausdauernd alle die ihm in die Quere kamen, Personal und Sklaven, wer das Feuer neu entfacht habe. Aber ergebnislos. Irgendwann bemerkte Dolora, dass ihr Maskottchen nicht