„Ein Bad im Keller?“, fragte Maria erstaunt und James nickte lächelnd.
Die Annehmlichkeit eines Bades, die er vor mehr als dreihundert Jahren in Rom kennengelernt hatte, hatte er, als er nach England kam, nicht missen wollen. Daher hatte er, als er das Haus gekauft hatte, als erstes ein Bad einbauen lassen.
„Ich weiß, dass viele Menschen sich nicht oft waschen, weil sie glauben, es würde einen krank machen, aber meine Mutter hat darauf bestanden, dass ich mich wenigstens einmal in der Woche ordentlich wasche… und ich bin nie krank geworden.“
„Deine Mutter war einen kluge Frau“, erwiderte James, der den Irrglauben dieser Zeit nur zu gut kannte.
Die Wohnung war bereits möbliert. Vom Flur kamen sie in die Stube. Hier standen zwei gemütliche Sessel, ein kleiner Tisch und ein kleiner Schrank. Gleich nebenan befand sich die Küche. Auch die war mit allem ausgestattet, was man so brauchte. In den Schränken und Schubladen, die Maria neugierig öffnete, fand sie Besteck, Teller, Becher und Töpfe und Pfannen.
Maria berührte einige der Sachen beinah ehrfürchtig. „Das ist wunderschön.“
„Ist dir kalt? Dann kann ich gleich ein Feuer machen.“
„Nein“, erwiderte sie lächelnd, „mir ist nicht kalt.“
In der Kammer, die sie als nächstes betraten, stand ein großes Bett aus Holz. Des Weiteren befanden sich ein Kleiderschrank und ein kleines Nachttischchen in dem Zimmer. Auf dem Nachttischchen stand ein dreiarmiger Kerzenständer und James entzündete die Kerzen, damit Maria alles besser sehen konnte.
„Im Schrank findest du Kissen und Decken.“ Dann führte er sie zurück in die Stube und bat sie, sich in einen der Sessel zu setzen.
„Ich nehme an, die Wohnung gefällt dir?“
Maria nickte eifrig, im nächsten Moment überkam sie aber große Angst und sie fragte: „Wenn ich dir nicht helfen kann… oder es nicht möchte… dann darf ich die Wohnung nicht haben… richtig?“
James dachte einen kurzen Moment darüber nach. „Nein“, er setzte sich in den anderen Sessel ihr gegenüber. „Wenn du mir nicht helfen möchtest, dann darfst du trotzdem hier wohnen bleiben… aber du müsstest dir eine Arbeit suchen und mir dann Miete zahlen.“
Maria war nun sehr neugierig, wie sie dem gutaussehenden Mann helfen konnte.
„Dann sag mir bitte, was ich für dich tun soll?“
Er blickte auf seine Hände und erklärte es ihr. „Maria, ich bin nicht wie andere Männer… ich bin anders.“ Sie sah ihn fragend an. „Ähm… ich muss mich anders… ernähren…“, führte er weiter aus, was sie nur noch mehr verwirrte.
Er stöhnte frustriert, da es ihm schwer fiel ihr einfach zu sagen, dass er ein Vampir war und ihr Blut wollte. „Okay… ich denke, es ist am besten wenn ich es dir zeige… aber bitte… ich werde dir nichts tun… du brauchst keine Angst vor mir zu haben“, versicherte er ihr.
Maria nickte nur und beobachtete wie James aufstand und sich ein paar Schritte von ihr entfernt hinstellte.
Dann veränderte er sich plötzlich. Seine Augen wurden schwarz und aus seinem Mund traten zwei lange, spitze Zähne hervor, wie bei einem wilden Tier. Es waren Fangzähne. Maria unterdrückte einen Schrei und hielt sich die Hände vor den Mund.
„Das bin ich“, sagte er mit sanfter Stimme, „ich bin ein Vampir… und ich brauche täglich Blut um zu überleben.“ Er verwandelte sich langsam wieder zurück, blieb aber dort stehen wo er war.
Maria brauchte ein paar Augenblicke um sich zu beruhigen. James konnte ihren Herzschlag hören. Als er sich verwandelt hatte, hatte ihr Herz rasend schnell zu schlagen angefangen und obwohl sie große Angst hatte, war sie nicht schreiend aufgesprungen. Jetzt beruhigte sich ihr Herz langsam wieder.
Weil James so sanft zu ihr gesprochen hatte und ganz ruhig vor ihr stehen geblieben war, hatte er ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Was völlig absurd war, denn schließlich war er ein Vampir. Und Maria war nicht dumm, sie hatte schon von diesen Kreaturen der Nacht gehört. Dämonen, die Menschen töteten und ihr Blut tranken. Aber wenn sie James jetzt ansah, wie er vor ihr stand, so sanft und freundlich, dann konnte sie ihn nicht mit den Geschichten die sie gehört hatte, in Verbindung bringen. Sie war hin und her gerissen. Da er immer noch völlig ruhig vor ihr stand und keine Anstalten machte sich ihr zu nähern, geschweige denn sie anzufallen, verging ihre Angst gänzlich und sie sah ihn nun eher neugierig an.
„Und du möchtest von meinem Blut trinken?“
„Ja, das möchte ich… es wird dir nicht schaden und du wirst dich auch nicht verwandeln, falls du das befürchten solltest.“
Maria runzelte die Stirn. „Aber ich habe gehört, dass Dämonen Menschen töten und verwandeln, wenn sie sie beißen und ihr Blut trinken.“
„Das stimmt nicht… und ich bin kein Dämon“, sagte er bestimmt.
„Aber du bist ein Vampir?“
„Ja“
„Wie?“
„Wie ich ein Vampir wurde?“
Sie nickte.
„Ich wurde so geboren.“
Sie riss die Augen erstaunt auf. „Aber ich dachte….“
„Das was alle Menschen denken… es ist aber falsch… wir sind keine Dämonen, wir werden nicht vom Teufel gezeugt… Vampire werden als Menschen geboren… aber nach ein paar Monaten, wenn wir noch Babys sind, werden wir krank und können nichts mehr essen, dann verändern wir uns und brauchen von da an Blut um zu überleben.“
„Dann bist du ein Mensch?“
James nickte. „Und ein Vampir.“
Sie blickte ihn an. Eine wichtige Frage lag ihr noch auf der Zunge. Sie war sich aber nicht sicher ob sie die Antwort hören wollte. Leise fragte sie: „Hast du schon mal jemanden… getötet?“
„Nein! Niemals!“, beteuerte er.
„Aber du hast gesagt, dass du jeden Tag Blut trinken musst.“
„Aber ich brauche nicht viel und ich habe noch niemals einen Menschen getötet. Ich habe mir bisher des Nachts einen Menschen gesucht, habe schnell meinen Hunger gestillt und es ihn dann alles wieder vergessen lassen.“
„Du kannst machen, dass Menschen dich vergessen?“, fragte sie erstaunt.
„Ja.“
„Das heißt, du könntest auch mich alles hier vergessen lassen?“
„Wenn du es wünschen solltest“, sagte er leise und beinah bedauernd.
Sie konnte sich nicht helfen, aber sie fand nichts an dem Mann… nein, dem Vampir, korrigierte sie sich… das sie wirklich ängstigte. Er war so schön und so sanft in seiner Art. Sie stand auf und ging langsam auf ihn zu. James rührte sich nicht einen Millimeter und traute sich kaum zu atmen. Dann stand sie vor ihm und blickte ihn direkt an. Er überragte sie um mehr als einen Kopf. Sie hob ihre Hand und legte sie ihm sanft an die Wange. Er war erstaunt angesichts der liebevollen Geste.
Sie lächelte ihn schüchtern an. „Ich möchte dir helfen.“
„Danke!“ Er war erleichtert und lächelte zurück.
Marie musste zugeben, dass sie sehr neugierig war. „Hast du heute schon… getrunken?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht… ich war gerade auf der Suche nach einem Menschen als ich dich in der kleinen Gasse hörte… du hast so ängstlich geklungen“, und bevor er noch darüber nachdenken konnte, hatte er ihr sanft mit den Fingern eine kleine verirrte Locke, ihres blonden Haares, aus dem Gesicht gestrichen.
„Ich hatte auch sehr große Angst… aber mein Hunger war stärker gewesen“,