Bianka Kurzer
Vampire in New York
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
London, Dezember 1574
„Es stürmt jetzt schon seit drei Tagen und Nächten“, sagte Dr. Jonathan Smith leise und mehr zu sich selbst. Er stand, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, in der kleinen Bibliothek seines Haus. Gedankenverloren blickte er dem Schneetreiben durch das Fenster zu. Es schneite so stark, dass er das Haus auf der anderen Straßenseite nur noch schemenhaft erkennen konnte. Sein Hausdiener Harold, der hinter ihm Feuerholz im Kamin nachlegte, nickte. „Ich habe gehört, dass in der Stadt schon ein paar Menschen ohne Obdach erfroren sein sollen und man befürchtet, dass es noch mehr werden, wenn der Sturm nicht bald nachlässt.“
Dr. Smith drehte sich zu Harold um. „Was ist mit den Unterkünften für die Obdachlosen?“
„Die sind alle restlos überlaufen. Jeder Platz soll belegt sein und es schlafen sogar schon viele auf dem nackten Fußboden, nur um nicht draußen sein zu müssen.“
„Schrecklich“, murmelte Dr. Smith. Er kannte zwei der Frauen, die in den Obdachlosenunterkünften aushalfen. Es waren Ordensschwestern, die hauptsächlich in dem Hospital arbeiteten in dem auch er als Arzt tätig war. Aber so oft es ihre Zeit zuließ, gingen sie in die Unterkünfte, bereiteten Essen zu, versorgten kleinere Wunden und halfen wo sie konnten. Er selbst ging jede Woche für ein paar Stunden zu den Unterkünften für die Obdachlosen, um zu helfen, denn er sah es als seine Pflicht als Arzt an, auch denen zu helfen, die seine Dienste nicht bezahlen konnten.
Dr. Smith blickte wieder aus dem Fenster. Er war heute etwas abwesend und mit seinen Gedanken ganz woanders. So bemerkte er es nicht einmal, dass Harold die gemütliche Bibliothek bereits wieder verlassen hatte. Nach einer Weile setzte er sich an seinen kleinen Sekretär und nahm das Buch wieder auf, dass er vor einer kleinen Weile zur Seite gelegt hatte, um darin weiter zu lesen. Erst nach einigen Minuten bemerkte er, dass er die gleiche Seite des Buches nun schon zum dritten Mal las. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Zu groß war seine Sorge um seine schwangere Frau Elisa. Vor etwas mehr als drei Stunden hatten die Wehen eingesetzt und James, sein Kutscher, war noch immer nicht mit der Hebamme zurück.
Der Haushalt der Familie Smith, der bald um ein Familienmitglied reicher sein sollte, umfasste das Ehepaar Dr. Jonathan und Elisa Smith, den Hausdiener Harold, das Hausmädchen Katherine, die Köchin Harriette und den Kutscher James.
Obwohl Jonathan und Elisa bereits seit sechs Jahren verheiratet waren, war ihnen das Glück der Elternschaft bisher verwehrt geblieben. Deshalb freuten sich die beiden umso mehr auf die Geburt ihres ersten Kindes.
Während Jonathan bereits sein fünfunddreißigstes Lebensjahr erreicht hatte, war Elisa gerade achtundzwanzig geworden. Jonathan dachte mit einem Lächeln daran zurück, wie ihm seinerzeit Elisas Eltern die eigene Tochter vorgestellt hatten. Elisas Eltern waren große Förderer des Hospitals gewesen, in dem Jonathan arbeitete und gehörten zudem zu den angesehensten Familien in London. Als er vor beinah sieben Jahren einmal zum Essen eingeladen worden war, hatte er Elisa das erste Mal gesehen.
Elisa war einundzwanzig als Jonathan sie kennenlernte. Sie hatte ihm später einmal erzählt, dass sie sich sofort in ihn, den stattlichen Mann, mit den strahlend blauen Augen, den blonden Locken und den vorzüglichen Manieren, verliebt hatte. Auch Jonathan hatte sich auf Anhieb sehr zu Elisa hingezogen gefühlt. Sie hatte wunderschönes dunkelbraunes Haar, das ihr bis auf den Rücken fiel und grüne Augen mit winzigen goldenen Sprenkeln darin. Aber besonders hatte er an ihr geschätzt, dass sie kein geistloses Wesen war, wie so viele andere junge Damen, denen er vorgestellt worden war. Sie lachte nicht übertrieben oder albern über alles was man ihr erzählte und ging auch sonst nicht den üblichen Beschäftigungen der jungen Damen nach. Während die meisten jungen Damen wohl Unterricht in Gesellschaftstanz erhielten, malten, stickten oder sangen, wandte sich Elisa eher ihren Büchern zu und informierte sich darüber, was in ihrem Land und in anderen Ländern so vorging. Sie war sehr belesen und klug, verfügte über ein großes Selbstbewusstsein, beteiligte sich gern an Gesprächen über Politik und vertrat immer ihre Meinung. Sehr zum Leidwesen ihrer Eltern, wie er sich erinnerte, denn einige potentielle Ehekandidaten, die ihre Eltern schon für sie ausersehen hatten, hatte dies abgeschreckt. Aber nicht so Jonathan. Ihm waren Frauen lieber, mit denen er auch mal lebhaft diskutieren konnte, als jene, die nur Klatsch und Tratsch im Sinn hatten, in seinen Augen, sinnloses Gefasel, oder jene, die gar nichts sagten.
Nach über acht Monaten, in