Tödliche Sure. Wolf Thorberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolf Thorberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738024739
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meinen, ich hätte alles inszeniert, nur um zu beweisen, dass Außerirdische hinter mir her sind? Das ist ungeheuerlich!«

      Fuchs beugte sich zu ihm. »Viele Brandstiftungen haben einen psychischen Hintergrund. Ich wiederhole: keine Zeugen, keine Spuren, dann Ihre Vorgeschichte. Und, Herr Eschenbach, warum noch mal hatten Sie Ihr Zimmer verbarrikadiert?«

      Nachdem sie endlich fort waren, duschte er und entließ sich anschließend selbst aus dem Krankenhaus. Er hätte zu gerne die nach Rauch stinkenden, zerknitterten Kleider gewechselt. Dazu aber müsste er hinaus zur Jagdhütte, eine lange Fahrt, und er wollte schnellstens zum Anwalt. Die Ereignisse der Nacht, dass er beinah lebendig verbrannt wäre, ihn jemand kaltblütig hatte umbringen wollen, dass seine Existenz und vor allem der Afghan in Rauch aufgegangen waren: All dies verblasste beinahe angesichts jener unfassbaren Karikatur eines Polizisten. Ruchling musste ihm das Mundwerk so lange mit Dienstaufsichtsbeschwerden und Strafanzeigen stopfen, bis er daran erstickte.

      So legte er nach dem Krankenhaus nur einen Zwischenstopp in einem Café ein. Dem Tod entronnen zu sein, sorgte für gewaltigen Appetit, merkte er. Zwischen Rührei und Plunderhörnchen klingelte sein Handy.

      »Harold Moor vom International Journal of SETI. Erinnern Sie sich an mich?«, meldete sich eine pompöse Stimme auf Englisch.

      Das Bild eines kleinen, kugelrunden Mannes mit schimmernder Glatze tauchte vor Eschenbachs innerem Auge auf. Moor hatte einen seiner Vorträge in London über Extrinische Mathematik besucht und anschließend mit schnaufender Stimme ein Interview mit ihm geführt.

      »Ja natürlich, Herr Moor. Wir haben in London miteinander gesprochen.« Was beim gestirnten Himmel über ihm wollte er ausgerechnet jetzt?

      »Ich dachte, Herr Eschenbach, ich frage mal, was es Neues gibt. Ich bin nächsten Monat in Basel, eine Astrobiologiekonferenz. Da könnten wir uns treffen.«

      Eschenbach sog die Luft ein. Es war einer jener Zufälle, die ihn an Vorbestimmung glauben ließen. Für einen Augenblick sah er sich als Teil einer unendlichen und unabänderlichen Ereigniskette, vom ersten Säuglingsschrei bis zu seinem letzten Atemzug. Sollte er oder nicht? Oder vielmehr: Aus welchem Grund sollte er nicht?

      »Herr Moor«, sagte er bedeutungsvoll, »es gibt in der Tat einige Neuigkeiten.«

      Er erzählte ihm von dem Afghan.

      »Ein Muster, das ein Raumschiff zeigt?«

      Eschenbach errötete leicht. »Ich hatte erst ein Mal, beim Kauf, die Gelegenheit, es zu sehen. Das Gewebe ist so brüchig, dass ich es nicht riskieren wollte, ihn auf der Heimreise aufzurollen. Aber ich bin mir fast sicher. Natürlich ist es kein rauchender Colt, wie es Zellmaterial wäre oder ein Foto oder gar ein Skelett. Man muss die Dinge im Zusammenhang betrachten.«

      »Herr Eschenbach«, sagte Moor nach kurzer Pause, »lassen Sie uns den Teppich einfach zusammen anschauen, wenn ich bei Ihnen bin.«

      »Das ist leider nicht möglich.« Er erzählte von letzter Nacht.

      »Überfallen und den Laden angezündet? Den Teppich womöglich auch?«

      »Das weiß ich nicht. Vielleicht wurde er vorher beiseitegeschafft.«

      »Das klingt ja alles … wie eine gewaltige Verschwörung. Der Geheimdienst? Oder am Ende …«

      Eschenbach lachte verlegen. »Langsam beginne ich es zumindest als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Zumal es nicht das erste Vorkommnis ist.«

      »Herr Eschenbach, ich glaube, darüber müssen wir berichten.«

      Auf einmal kamen ihm Bedenken. Er hatte jemandem sein Herz ausschütten wollen. Es gleich an die große Glocke zu hängen, war etwas anderes. »Ich weiß nicht, Herr Moor. Sollten wir nicht abwarten, bis wir mehr wissen?«

      »Ich bleibe bei den Fakten. Und wem können die das Geringste anhaben, außer denen, die sie unterdrücken wollen? Bedenken Sie: Die freie Presse kann Ihr Schutz sein.«

      »Sie haben wohl recht«, sagte er ohne große Überzeugung. »Was kann es schaden?«

      Eschenbach würde nicht lange brauchen, um es herauszufinden.

      10

      Ich hatte eine Eingebung, die den Coretech-Fall dramatisch wenden und Jan und Ruchling unsterblich machen könnte. Dazu müsste ich nur das Datum zweier Rechnungen mit den Lagerlisten des Mandanten vergleichen. Denn Daten spielen in der Justiz eine gewichtige Rolle. Doch zu Jans und Ruchlings Pech, und zu dem des Klienten natürlich, konnte ich mich nicht mehr erinnern, welche der Tausenden von Rechnungen meinen Argwohn erregt hatten. Ich müsste den kompletten Buchungsstoff eines Jahres durchgehen.

      Von dem Augenblick an aber, in dem Frau Hambrecht die Tür aufriss und mir Eschenbachs Besuch wie ein ausgebrochenes Feuer meldete, sollte ich lange Zeit keine Muße dafür erübrigen.

      Die Metapher erwies sich als erstaunlich zutreffend. Eschenbach sah nicht nur übernächtigt aus und sein Anzug zerknittert, sondern im Zimmer verbreitete sich tatsächlich Rauchgestank.

      »Wo ist Herr Doktor Ruchling?«, bellte er zur Begrüßung. »Sind Sie die neue Assistentin?«

      Sein Blick schweifte durch das winzige, mit Ordnern und Kartons vollgestopfte Büro. Er hielt kurz inne bei der Porzellanwindmühle auf dem Schreibtisch, die mir mein Bruder als Dank für den Geburtstagskuchen aus Holland geschickt hatte, und glitt abschließend über mich, meine Jugend und damit offensichtliche Unerfahrenheit.

      »Er hatte nie eine«, sagte ich kühl. »Herr Ruchling ist auf Dienstreise und ich bin Ihre neue Anwältin.«

      »Davon hat er mir nichts gesagt.« Eschenbach blieb unschlüssig vor dem Schreibtisch stehen.

      Einerseits verstand ich ihn. Andererseits ging mir neben anderem der vertane Abend mit der Teeprobe durch den Kopf. »Sie waren ja nicht zu erreichen«, sagte ich. »Meinetwegen können Sie darauf warten, dass mein Chef Sie anruft. Oder Sie gehen woanders hin. Oder Sie setzen sich und hören mir zu, was es Neues gibt und was ich inzwischen rausgefunden habe. Oder vielmehr – Sie erzählen mir, was los ist. Denn, etwas ist doch passiert?«

      Ich schnupperte nochmals nach dem Brandgeruch, der aus seinen Kleidern dünstete, und las in seiner Miene jetzt nicht mehr nur Ärger über das unerfahrene Girl, das man ihm vorgesetzt hatte, sondern Ratlosigkeit, Verzweiflung und Entsetzen. Mir wurde flau.

      »Das kann man wohl sagen«, sagte er und setzte sich.

      In der nächsten Stunde erfuhr ich von einem mysteriösen Teppich, der angeblich im Muster ein Raumschiff zeigte, und vor allem alles über den nächtlichen Überfall. Im Stillen hatte ich befürchtet, er hätte jemanden umgebracht. So war ich fast erleichtert, dass es »nur« um einen Brandschaden in Millionenhöhe ging. Außerdem eventuell um Außerirdische und ausländische Geheimdienste und einen bösartigen Polizisten namens Fuchs, den er mit form-, frist- und folgenlosen Dienstaufsichtsbeschwerden bombardieren wollte.

      »Am wahrscheinlichsten steckt meine Frau dahinter«, sagte er. »Sie hat zwar ein Alibi, kann die Tat aber in Auftrag gegeben haben. Ich würde es ja selbst kaum glauben, wenn sie nicht schon versucht hätte, mich zu vergiften.«

      »Also damit«, hakte ich ein, »sollten Sie vorsichtig sein.« Ich berichtete ihm von dem Teegutachten, und daraufhin brach eine Welt für ihn zusammen.

      »Nur Reste vom Anbau? Unglaublich!«

      Einmal dabei, brachte ich das Attest zur Sprache. »Es ist methodisch angreifbar und es scheint, als wäre der Arzt verbandelt mit Ihrer Frau«, schränkte ich ein. »Aber erst einmal liegt es auf dem Tisch.«

      Eschenbach war rot angelaufen, als er gehört hatte, er sei unter Umständen ein gemeingefährlicher Verrückter.

      »Ich habe nie behauptet, meine Theorie könnte nicht falsch sein. Außerdem: Es gab diese Vorfälle, Herrgott! Halten Sie mich denn für verrückt?« Er sah mich herausfordernd an.

      Ich