Tödliche Sure. Wolf Thorberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolf Thorberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738024739
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irgendwie die richtige. Schließlich tauchte am Ende des Weges eine Lichtung auf und darauf die schwarze Limousine.

      Rahim atmete durch. Schwitzend parkte er in einer Bucht und schlich zu Fuß weiter.

      Eschenbach war über den Kofferraum gebeugt, wie Rahim durchs Fernglas erkennen konnte. Der Wagen stand vor einer Jagdhütte, die er erst aufgesperrt haben musste, ehe er den Wagen leer räumte. Er wuchtete heraus, was Rahim beim Verlassen der Galerie in seinen Armen nur erahnt hatte. Es war keine Metallkiste, sondern eine grüne Gitterbox und in ihr schienen nur Bücher und Unterlagen zu liegen.

      Rahim verstaute das Fernglas in der Jacke, die inzwischen schweißgetränkt war. London rückte näher.

      Damit aber auch der Einbruch.

      Als er zum Wagen zurückschlich, fror er. Dabei war es ein warmer Herbsttag.

      7

      Sonntagabend brach er auf zum Flughafen. Er nahm sich den Schlüssel für den Corsa vom Brett im Flur, als die Küchentür aufging.

      »Du fährst noch weg?«

      Sein Vater trug eine Kochschürze, die mit etwas besprenkelt war, das Rahim für Tomatensoße hielt. Spritzer davon zierten auch die Hornbrille und den Bart. Seit er durch die Pleite seiner Firma arbeitslos geworden war, übernahm er für Mama mit dem Haushalt auch das Kochen.

      »Ja. Muss zwei Kumpel abholen.«

      »Von deiner … Tekke?«

      Rahim nickte. »Ich esse mit ihnen in der Stadt.«

      Sein Vater runzelte die Stirn, er schien zu überlegen, ob er ihm wie so oft Vorhaltungen machen sollte.

      »Oma ist wieder im Krankenhaus«, sagte er am Ende. »Kommst du morgen mit, sie zu besuchen? Ich glaube, es geht nicht mehr lange.«

      Obwohl er wusste, dass Omas Kehlkopfkrebs schon Metastasen im ganzen Körper gebildet hatte, sie schon lange nicht mehr sprechen konnte, zuckte er zusammen. Er hatte bei ihr gelebt, als er klein gewesen war und seine Eltern beide gearbeitet hatten, und liebte sie mehr als seine Mutter. Aber er wusste nicht, was Dastan und Seyyed für morgen planten. »Ich versuch’s in jedem Fall.«

      Rahim machte einen Schritt zur Tür, doch sein Vater hielt ihn zurück. »Sonst alles in Ordnung bei dir?«

      »Ja, klar. Was soll sein?«

      »Bleib sauber, Sohn.«

      Rahim zuckte ein zweites Mal zusammen, ehe er ging.

      Nach der Rückkehr vom Flughafen aßen sie in einem libanesischen Lokal, das Rahim ausgesucht hatte. Sobald sie saßen, deutete er auf die mit Filigran verkleideten Lampen. »Wie in dem Restaurant in London, wisst ihr noch?«

      Dabei war damals nur Seyyed mitgegangen, ein Dicker mit Topffrisur und einem käsigen Geruch und einem Faible für coole Sprüche. Jetzt allerdings war er so schweigsam wie Dastan. Nur sein grelles Blumenhemd hob sich ab von Dastans düsterer Montur aus Ledermantel, schwarzem Pullover und ebenso schwarzen Hosen.

      »Ich kann’s kaum erwarten, wieder hinzukommen«, sagte Rahim und nutzte die Gelegenheit, Dastan an sein Versprechen vor ein paar Tagen zu erinnern.

      Dastan schmierte sich Auberginenpüree aufs Fladenbrot, biss ein Stück davon ab und kaute es, ehe er sagte: »Klar, Junge. Bis dahin müssen wir aber noch etwas leisten. Stählerne Rollläden, hast du vorhin gesagt?«

      »Ja.« Rahim zählte nochmals die Sicherheitsvorkehrungen auf, die er ihnen schon auf der Fahrt beschrieben hatte.

      »Dann lass uns gleich hinfahren und uns umschauen.«

      Damit erwischte er Rahim kalt. Der Teppich war angeblich Jahrhunderte eingemauert gewesen. Warum also die Eile und die Aufregung? Noch nicht einmal ihr Gepäck hatten sie in die Tekke gebracht, in der sie übernachten würden.

      »Klar«, sagte er. »Ich hab Zeit.«

      Eine Weile aßen sie schweigend, bis Dastan wieder abrupt das Thema wechselte. Er lächelte.

      »Zahra, hast du damals gesagt.«

      Rahim begriff nicht, was er meinte. Trotzdem fühlte er sich ertappt. »Zahra? Wann habe ich Zahra gesagt?«

      »Als ich bei dir angerufen habe. Und auf Englisch. Wie viele Zahras kennst du in London?«

      Rahim erinnerte sich an seinen Lapsus und wurde dunkelrot. Seine Gegenüber sahen sich an und grinsten.

      »Ich … habe damals einen Plastikspiegel von ihr auf der Bank gefunden und dachte, sie ruft an, weil sie ihn wiederhaben will.«

      Sie lachten so laut, dass eine Gruppe Gäste am Nebentisch herüberstarrte.

      »Du hast geglaubt, sie ruft bei dir wegen eines Plastikspiegels an?«

      Rahim schwieg. Natürlich war es idiotisch gewesen.

      »Hör mal, Junge«, sagte Dastan. »Ich bin nicht überall dabei, aber ich habe Augen und Ohren. Du hast im Speisesaal zu ihr rüber geschaut, bist um sie herumscharwenzelt wie die Maus um den Speck, hast nur Muffensausen gehabt, sie anzusprechen. Du willst wegen ihr nach London, hm?«

      »Nein«, behauptete Rahim. »Ich … sehe dort vor allem bessere berufliche Möglichkeiten.« Er kratzte all seinen Mut zusammen. »Und wenn es so wäre? Sie hat mir gefallen, das gebe ich zu. Aber ich habe nichts Unehrenhaftes getan.«

      Dastan zwinkerte ihm zu. »Weißt du, ich mag dich. Das mit der Galerie hast du bisher prima gemacht. Und jetzt bist du auch noch ein Kerl, der weiß, was er will, hast erstaunlichen Geschmack. Eine Prächtigere als Zahra wirst du kaum finden, selbst wenn sie stolz ist und ihren eigenen kleinen Kopf hat. Außerdem bist du mutig. Verliebst dich ausgerechnet in die Tochter unseres Scheichs.« Er lachte wieder, diesmal leiser.

      Es war pure Phantasie. Da könnte er sich sogar in die Tochter eines Königs verlieben. »Ich … kann man seine Gefühle steuern?«, rechtfertigte er sich.

      »Manchmal«, sagte Dastan, »muss man es. Aber vielleicht nicht in diesem Fall.«

      Rahim durchlief ein Prickeln.

      Dastan packte seine Hand. »Junge, der Teppich ist tausendmal bedeutungsvoller, als du ahnst. Wenn du hilfst, ihn zu beschaffen, wird der Scheich erwägen, sie dir zur Frau zu geben. Mit seiner Einwilligung kannst du sie heiraten, obwohl sie erst sechzehn ist.«

      Er stellte sich vor, Zahra zu besitzen, und sofort presste sich sein steifes Glied gegen den Stoff seiner Hose. »Die Frage ist doch, ob sie will«, stammelte er.

      »Du bist ein stattlicher Bursche. Warum soll sie dich abweisen?«

      »Ich habe ja nicht mal mit ihr gesprochen.«

      Im Garten der Tekke, am letzten Abend, da hätte er seinen Mut zusammengenommen. Aber sie war ihm durch ihren hastigen Aufbruch zuvorgekommen.

      »Der Scheich wird es für dich tun.«

      »Aber … so will ich es nicht. Und du hast doch gesagt, sie ist … eigenwillig.«

      Dastan hob eine Braue. »Nicht so eigenwillig. Niemand bei uns kann das sein, verstehst du, Bruder?«

      Rahims fürchtete jetzt, sein Glied könnte platzen.

      Nach dem Essen langte er in der Jacke nach dem Geldbeutel.

      Dastan hielt ihn zurück. »Du bist eingeladen. Hol mir den weißen Umschlag aus der Vordertasche. Dort sind meine Euros drin.«

      Rahim öffnete gehorsam den Reißverschluss von Dastans Reisetasche aus weinrotem Cordura auf der Sitzbank. Das Kuvert ertastete er ganz zuunterst. Um es packen zu können, zog er etwas heraus, was im Weg lag. Ein Kunststoffdraht, an dessen Ende dunkle Holzgriffe befestigt waren.

      »Was ist das?«, fragte er. Der Draht weckte in ihm auf eine ungute Weise Erinnerungen an gewisse Filmszenen.

      Dastan