Dass sich nun alle Offiziere der drei Einsatzregimenter und einige der Schiffsführung hier versammelten, deutete auf einen sehr bedeutungsvollen Einsatz hin, denn man überging die klassische Hierarchie, in der die Regimentskommandeure ihre Majore einwiesen, die dann wiederum die Kompanieoffiziere instruierten. Von deren Ebene ging es dann weiter zu den Unteroffizieren und schließlich Troopern. Hier wurden jedoch alle gleichzeitig instruiert.
Joana saß in der zweiten der nach hinten ansteigenden Sitzreihen und beobachtete die beiden Colonels, die vorne auf dem Podium saßen, wo sich die Raumsteuerung und der Holo-Projektor befanden. Die hinter ihnen befindliche Wand wurde von einem großen Bildschirm dominiert. Während der vergangenen Jahre hatte Joana alle der anwesenden Offiziere kennengelernt und mit einigen auch näher zusammengearbeitet. Man wusste einander einzuschätzen, und das war ein wesentlicher Vorteil, wenn man sich im Einsatz aufeinander verlassen musste.
Einer der Offiziere fehlte noch. Colonel Fred Carruthers, der Kommandeur von Joanas fünftem Regiment. Da er sich zum Zeitpunkt des Alarms bereits an Bord befunden hatte, und trotzdem noch nicht anwesend war, vermutete Joana, dass Carruthers wohl das Briefing leiten würde und gerade noch die letzten aktuellen Informationen erhielt.
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Währenddessen nahm die Flugmannschaft der Trafalgar ihre Manöverstationen ein. Die Troopers eilten in ihre Bordunterkünfte, um die Overalls anzulegen und auf Anweisungen zu warten. Von aller Geschäftigkeit oder Erwartung der Menschen an Bord ungerührt, bereitete das „Flight-Command“ den Start vor.
Für ein Schiff dieser Größe war die Brückenbesatzung überraschend klein. Bei normalen Flugmanövern bestand sie aus sieben, bei Gefechtsmanövern aus zwölf Personen. Die Brücke ähnelte der Pilotenkanzel eines FLV und befand sich, nach rechts versetzt, am Bug des Schiffes. Sie war, vom Boden abgesehen, rundum mit Klarstahl versehen, der einen ungehinderten Ausblick zuließ. Im Gefechtsfall war diese Lage sehr exponiert und so gab es neben der „Flugbrücke“ auch eine „Gefechtsbrücke“, tief und gut geschützt im Inneren des Kolosses.
„Flight-Command D.C.S. Trafalgar an Base-Command Arcturus: Die Besatzung ist vollzählig an Bord. Schleuse geschlossen. D.C.S. Trafalgar ist bereit zum Lösen der Versorgungsverbindungen. Eigenversorgung ist ein.“
„Base-Command Arcturus an Flight-Command D.C.S. Trafalgar: Bestätige Schließen der Schleuse. Absaugen der Luft aus Pylon Sieben beginnt. Absaugvorgang beendet. Versorgungsverbindungen werden gelöst.“
„Flight-Command D.C.S. Trafalgar bestätigt. Verbindungen sind gelöst. Vorbereiten zum Öffnen der Andockklammern.“
„Bereit zum Öffnen der Andockklammern.“ Die flexible Außenhaut des Tunnels von Pylon Sieben zog sich ein wenig zurück und man konnte nun wuchtige Klammern aus Tri-Stahl erkennen, die sich, vom Pylon aus, in Halterungen am Rumpf des Trägerschlachtschiffes krallten. Ein leichter Ruck ging durch die Gangway, als sie sich nun öffneten. „Base-Command Arcturus an Flight-Command D.C.S. Trafalgar: Andockklammern sind gelöst. Sie sind klar für Manöver. Flugkorridor für Beschleunigung ist frei. Base-Command Arcturus wünscht guten Flug.“
„Flight-Command D.C.S. Trafalgar bestätigt. Klar für Manöver. Flugkorridor für Beschleunigung ist frei. Danke für Ihre Wünsche, Trafalgar meldet sich ab.“
Captain Wang, Kommandant des Trägerschlachtschiffes, saß in seinem gepolsterten Sessel in der Flugbrücke am Bug. Er überließ das Manöver seinem Ersten Offizier, Flight-Commander Stuart, und dem diensthabenden Piloten, Flight-Lieutenant Menz. Wang befehligte das Schiff erst seit drei Jahren und war zuvor Captain des Schwesterschiffes D.C.S. Ticonderoga gewesen, welches nun stillgelegt im Marsorbit lag. „Eins-O, übernehmen Sie und bringen Sie uns auf Kurs.“
„Aye, Captain.“ Stuart hob seine Stimme ein wenig, damit ihn keiner der Anwesenden überhören konnte. „Erster Offizier übernimmt Kommando. Mister Menz, klar bei Manövertriebwerken.“
Wang liebte dieses Zeremoniell, das seinem inneren Streben nach Ordnung entsprach. Er lauschte mit sanftem Lächeln den Befehlen und Ausführungsbestätigungen. Vor seinem inneren Auge sah er das kurze Aufflammen der seitlichen Manöverdüsen, mit denen das Schiff, sein Schiff, sich nun behutsam von der Basis löste und Meter um Meter an Abstand gewann. Wenn er durch den Klarstahl hinausblickte, dann konnte er beobachten, wie sich die Sterne langsam zu bewegen begannen, als die Trafalgar behutsam herumschwang und den Bug in ihre geplante Flugrichtung brachte.
„Eins-O an Navigation: Ist die Flugbahnberechnung abgeschlossen?“
„Aye, Sir. Datenübertragung an Ruder erfolgt in diesem Augenblick. Datenübertragung ist abgeschlossen und synchronisiert.“
„Ruder bestätigt Datenempfang. Synchronisation läuft“, bestätigte Menz. Wie es der Tradition der Navy entsprach, bezeichnete man den Piloten hier als Rudergänger und dessen Steuerung als Ruder. Der Begriff Pilot war den Flugbesatzungen der Landungsboote und Jagdbomber vorbehalten.
„Mister Menz, klar zum Zünden der Haupttriebwerke bei maximaler Beschleunigung.“
Der Pilot bewegte den Kopf, der unter dem wuchtigen Virtual-Reality-Helm verschwand. Wang bedauerte, dass dem Mann der Anblick der Sterne verwehrt blieb. Sicher, er sah sie durch die Augen des Helmes, doch was war das im Vergleich dazu, sie mit eigenen Augen zu erblicken? Der chinesischstämmige Captain war sich sicher, dass es die Erfindung der Raketen durch sein Volk gewesen war, welche die Sehnsucht der Menschen nach den Sternen geweckt hatte.
„Aye. Haupttriebwerke gezündet. Bestätige maximale Beschleunigung.“
Im Heck des Trägerschlachtschiffes strahlten die Impulsdüsen in blauem Feuer. Vom Andruck der Beschleunigung war nichts zu spüren. Die Shriever-Aggregate sorgten für ein gleichmäßiges Schwereempfinden und das Beibehalten von oben und unten.
„Eins-O an Systemüberwachung: Status?“
„Alle Systeme Grün.“
Wang räusperte sich. „Erster, lassen Sie die Spulen schnellstmöglich aufladen. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“
„Aye, Captain, Sir.“ Flight-Commander Stuart unterdrückte seinen Ärger, denn die Ermahnung des Kommandanten empfand er als vollkommen überflüssig. „Eins-O an Systemüberwachung: Beginnen Sie mit der Aufladung der Spulen. Ladungsintensität mit Navigationsrechner synchronisieren. Melden, wenn bereit.“
„Aye, Sir. Aufladung der Spulen beginnt. Synchronisation mit Navigationsrechner ist aufgeschaltet. Melde, wenn zum Sturz bereit.“
Während man über viele Jahrzehnte auf den „nur“ überlichtschnellen Antrieb angewiesen war, hatte man bereits mithilfe des seltenen Hiromata-Kristalls den Nullzeit-Funk entwickelt, der es erlaubte, Nachrichten ohne zeitliche Verzögerung zwischen den Sternen zu übermitteln. Allerdings war es nie möglich geworden, sehr komplexe Inhalte zu übertragen. Statt Ton und Bild zu transportieren, musste man sich beim Nullzeit-Funk mit kurzen und langen Sendeimpulsen begnügen, so dass man auf das alte Morsealphabet zurückgegriffen hatte. Der Hiromata-Funk wurde daher auch oft, in Anlehnung an vergangene Zeiten der Seefahrt, als „Krachfunk“ bezeichnet.
Vor wenigen Jahren war dann es endlich gelungen, die Eigenschaften des Kristalls auch als Antrieb nutzbar zu machen. Jeder Raumfahrer kannte die Maßnahmen, die erforderlich waren, damit er funktionierte, doch selbst die Entwickler des Nullzeit-Sturzantriebs konnten nicht erklären, warum das so war. Man wusste nur, dass ein Schiff, dank der richtigen Ladung des Kristalls, bei Erreichen der Lichtgeschwindigkeit entmaterialisierte und im gleichen Augenblick an einer anderen Stelle wieder erschien. Damit dies am gewünschten Ort geschah, musste der Hiromata-Kristall mit der exakten Ladung versehen werden. Ein Hiromata-Antrieb sah höchst unspektakulär aus. Bei kleineren Schiffen war es ein