Für das synchrone Zusammenspiel der Muskulatur ist es erforderlich, dass der Körper in den jeweiligen Einzelfasern Signalgeber (Rezeptoren) hat, die dem Unterbewusstsein permanent mitteilen, wie der jeweilige Spannungszustand eines Muskelfaserbündels zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Die hierbei an das Gehirn zu übertragende Datenmenge pro Sekunde ist unbeschreiblich hoch – die Anzahl derartiger Messfühler wird auf über 10.000 geschätzt. Die Wissenschaftler nennen diese Sensoren u.a. „Propriozeptoren“ (u.a. Golgi, Ruffini, Pacini). Deren Informationen sind beispielsweise notwendig, um überhaupt das Gleichgewicht halten zu können. Denn das Gehirn verknüpft diese Daten mit den Informationen aus den Gleichgewichtsorganen des Innenohrs und berechnet so die Lage des Körpers im Raum. Anschließend steuert es dann blitzschnell alle jeweiligen Muskeln so an, dass der Mensch in der Balance bleibt. Bei jedem Ein- und Ausatmen oder mit jeder Kopfbewegung ist eine Anpassung in der Fußmuskulatur nötig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es weniger um die Betrachtung einzelner Muskelfasern geht, sondern um die Steuerung der gesamten Muskelketten durchgehend vom Kopf bis zum Fuß. Dies zeigt, warum es einige Zeit dauert, bis das Laufen gelernt wurde und welche Perfektion sich hinter artistischen Höchstleistungen auf unterbewusster Steuerungsebene verbirgt.
Schmerz ist ein
Bewusstseinsprozess
Für gewöhnlich arbeitet das muskuläre System in den ersten Lebensjahrzehnten einwandfrei – ohne dass ein Mensch im Alltagsbewusstsein Kenntnis davon nimmt. Meistens wird die Bedeutung dieses Systems erst viel später bewusst, wenn plötzlich Schmerzen auftreten.
Um was handelt es sich bei Schmerz?
Die derzeit allgemein medizinisch verwendete Definition lautet: „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache.“
Schon diese Definition zeigt, dass es sich um einen Bewusstseinsprozess handelt. Weiterhin wird explizit darauf hingewiesen, dass eine Schädigung eines Körpergewebes nicht zwingend stattgefunden hat, falls es zu Schmerzen kommt.
Alle Menschen kennen Schmerzen, aber warum und wieso Schmerzen wirklich auftreten, ist nach meinen Recherchen bis heute wissenschaftlich weitgehend ungeklärt. Die Schmerzforschung teilt Schmerzen heute weitgehend isoliert nach anatomischen Strukturen ein, z.B. nach der Art der Gewebe oder dem Schmerzort. Beispiele hierfür sind Nervenschmerz (Neuralgie), Meniskusschmerz, Bandscheibenschmerz oder aber auch somatischer bzw. psychosomatischer Schmerz. Je nach Qualität des Schmerzes (bohrend, stechend, dumpf . .) erfolgen weitere Einteilungen und es werden hieraus vermeintliche Schmerzursachen abgeleitet.
Viele dieser Einteilungen sind therapeutisch wenig zweckmäßig und verwirren die betroffenen Schmerzpatienten oftmals noch weiter.
Besser wäre es, die Tatsache anzuerkennen, dass Schmerz erst durch die Verarbeitung von Signalinformationen im Bewusstsein entsteht. Diese Sichtweise und ihre therapeutische Bewertung scheint aber in der Schmerzforschung weitgehend ausgeklammert zu werden – obwohl hier die Lösung zur Vereinheitlichung vieler Schmerztheorien liegen würde.
Selbstverständlich wurden viele verschiedene Erklärungsmodelle hervorgebracht und einige sehr wirksame Schmerzmedikamente erfunden. Eine einheitliche Herleitung, welche alle oder zumindest viele Schmerzen und ihren biologischen Sinn auf einen gemeinsamen Nenner bringen würde, scheint in der medizinischen Lehre aber bis heute nicht gefunden zu sein.
Hierzu einige Zahlen zum Konsum von Schmerzmedikamenten: Nach Angaben des BKK Gesundheitsreports 2015 nimmt jeder Deutsche jährlich durchschnittlich 50 Kopfschmerztabletten ein. Von 2006 bis 2015 stieg der Absatz der extrem starken Schmerzmittel (Opiate) um 31 % an, obwohl die potentiellen Nebenwirkungen ganz erheblich sind. 300.000 Deutsche gelten als opiatabhängig.
In den meisten medizinischen Erklärungsmodellen wird Schmerz mit irgendeinem Schaden oder einer Entzündung in Verbindung gebracht. Vor allem die bei chronischen Schmerzproblemen so häufig aufgesuchte Fachärzteschaft der Orthopädie spricht hiervon regelmäßig – selbst wenn im Blut sogenannte Entzündungsparameter überhaupt nicht festgestellt werden können und sich der Patient ansonsten bester Gesundheit erfreut.
Grundsätzlich bleibt in der derzeit noch gängigen medizinischen Lehrmeinung die Frage unbeantwortet, warum manche (angeblichen) Entzündungen bei ansonsten intaktem Immunsystem jahrelang bestehen können und der Grund für chronische Schmerzen sein sollen. Die Biokinematik geht grundsätzlich davon aus, dass tatsächliche Entzündungen gleichzeitig von den fünf klassischen Entzündungszeichen begleitet sind. Diese sind: Rötung, Schwellung, Übererwärmung, eingeschränkte Funktion und Schmerz. Zudem sind Entzündungen im Regelfall in Blutuntersuchungsparametern nachweisbar (Leukozyten, Blutsenkung, C-reaktives Protein, Procalcitonin...). Fehlt nur eines der Entzündungszeichen oder ist im Blut keine Entzündung nachweisbar, so geht die Biokinematik therapeutisch nicht von einer primären Entzündungproblematik aus. Viele dieser genannten Symptome lassen sich über die Muskelfunktion und deren schon länger eingeschränkte Funktion erklären.
Diese Sichtweise unterscheidet sich klar von der Vorgehensweise der klassischen Schulmedizin, insbesondere im Bereich der Orthopädie. Ich kenne den Leidensdruck von chronischen Schmerzpatienten und er wird dann besonders deutlich, wenn einem Betroffenen am Ende einer langen, erfolglosen Behandlung von Ärzten als Alternative mitgeteilt wird, seine Probleme wären rein psychischer Natur oder lediglich eingebildet, obwohl es sich tatsächlich lediglich um größere muskuläre Fehlfunktionen handelt. Offensichtlich bestehen bezüglich des Schmerzphänomens noch große Defizite in den Theorien der Schulmedizin.
Ich möchte darauf hinweisen, dass Schmerz auch nur in den seltensten Fällen ein Hinweis auf wirklich lebensbedrohliche Erkrankungen ist. Viele Immunerkrankungen oder auch Krebs sind bis zum Endstadium nicht oder nur kaum schmerzhaft. Oftmals werden diese Erkrankungen erst dann sehr schmerzhaft, wenn durch eine Raumforderung oder die Gewebezerstörung die freie Beweglichkeit von Muskelstrukturen beeinträchtigt wird.
Um die Entstehung von Schmerz tiefgreifend zu verstehen, ist es unabdingbar, sich gedanklich von der Stelle wegzubewegen, an der es weh tut.
Es ist erforderlich, die lokale Dimension des Schmerzortes zu verlassen und eine Ebene höher zu gehen – in das menschliche Bewusstsein. Denn die Schmerzwahrnehmung ist in erster Linie ein Bewusstseinsprozess. Daher spüren bewusstlose Menschen keinen Schmerz. Diesen Effekt macht sich die Medizin nach schweren Unfällen zu Nutze, wenn Verletzte in ein künstliches Koma versetzt werden. Das Spüren von Schmerz ist eine Empfindung, welche erst im Bewusstsein hervorgebracht wird. Es ist immer eine individuelle Bewertung von Informationen aus dem Körper und der Psyche des Betroffenen. Diese Bewertung erfolgt im (Unter-)Bewusstsein, das alarmiert reagiert, wenn bestimmte Normparameter größere Abweichungen aufweisen. Dies erklärt auch, warum Menschen Schmerz in seiner Ausprägung subjektiv so unterschiedlich empfinden.
Aus eigener Erfahrung sind mir starke Schmerzen aus der Vergangenheit sehr gut bekannt. Doch für mich besteht kein Zweifel, dass Schmerz durch das (Unter-)Bewusstsein lediglich in eine bestimmte Region projiziert wird. Er entsteht erst durch die Verarbeitung von verschiedenen Informationen und nicht bereits an der Stelle, wo es schmerzt. Aus diesem Grund darf man sich nicht täuschen lassen, dass genau an der Schmerzstelle ein Schaden sein muss. Das kann der Fall sein, muss aber nicht. Insbesondere bei chronischen Schmerzen wird häufig am Schmerzort kein Schaden vorhanden sein – auch wenn in der derzeit noch herrschenden Lehrmeinung der Medizin oft Gegenteiliges behauptet wird. So kommt es zur Interpretation vermeintlicher „Normabweichungen“ bestimmter Körperteile, die beim Schmerzgeschehen oftmals überhaupt nicht relevant sind. So geschieht es, dass häufig unnötig oder an der falschen Stelle therapiert wird. Der immer weiter zunehmende Anteil chronisch schmerzkranker Menschen in der Bevölkerung belegt deutlich, dass es offensichtlich große Behandlungsdefizite in der Schmerztherapie gibt.
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