Allah ist unsichtbar. Martina Dr. Schäfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Dr. Schäfer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783745082845
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Zeit­genossen ohne Quellenangaben zu zitieren: Man schrieb sie einfach ab und ging anscheinend davon aus, dass jeder Leser wusste, wer da gemeint war. So auch Dionysius Areopagites Rezeption des Proklos.

      Kurt RUH stellt dann endlich die Frage nach dem gesellschaftlichen Warum und der Funktion, welche das Pseudonym für den Autor jener so erfolgreichen literarischen Verschleierung selber hatte, die – obwohl Dionysius Areopagites einer der meist gelesenen Autoren des Früh- und Hochmittelalters wurde – kon­se­quent bis heute aufrecht erhalten werden konnte.[54]

      War denn die Propagierung neuplatonischen Gedankengutes tatsächlich schon so lebensgefährlich, dass sie nur unter dem Deckmäntelchen eines mehrfachen Pseudonyms ausgeführt werden konnte?

      Beate R. SUCHLA ist durchaus dieser Ansicht[55] und weist Dionysius Areopagites unter anderem die Rolle eines Brückenbauers zwischen den unterschiedlichen christlichen Richtungen selber und auch zwischen dem Christentum und der grie­chischen Philosophie zu.[56]

      Als solcher plädierte Dionysius Areopagites auch selbst für einen gesitteten, unpolemischen Stil des «interreligiösen» Dialogs.[57]

      Kurt RUH spekuliert noch über ganz unpolitische und sehr persönliche Gründe für Dionysius Areopagites so erfolgreiche Verschleierungstaktik[58] und hält ihn eher für irgendeinen demütigen Klostermann, fern ab der Welt in einsamer Zelle.

      Um Kurt RUHs Spekulationen noch mit einer eigenen zu ergänzen, will ich zuerst einmal darauf hinweisen, dass immer nur zahlreiche M ä n n e r als potentielle Dionysii genannt werden, was mir, als mit gender-Fragen vertrauter Prähistori­kerin, auffällt.

      Wäre es denn nicht tatsächlich denkbar, da bisher noch niemand die Frage stell­te, ob sich hinter dem Pseudonym des Dionysius Areopagites nicht etwa eine kluge Philosophin, ähnlich beispielsweise der Hypathia von Alexandrien (355– 415/16 n.d.Z.) verbirgt? Was SUCHLAs These eines Schreibens unter Lebens­gefahr sicher unterstützen würde, bedenkt man das Schicksal Hypathias[59] aber auch das in Glaubens- und Philosophiefragen so aufgeregte Jahrhundert, in welchem Dionysius Areopagites seine/ihre Schriften verfasste und die generelle Tendenz des immer christlicher werdenden Mittelmeerraumes zur Herausnahme der Frauen aus den öffentlich geführten gesellschaftlichen Diskursen.[60]

      Trotz dieser Fragestellung, die ganz sicher doch eher mein eigenes Wunschden­ken als Dionysius-Areopagites-Fanin widerspiegelt, verzichte ich also auf die vermutlich politisch korrektere grammatikalische Genderform eines gros­sen Binnen-I oder auf umständliche Doppelpronomina à la er/sie, ihre/seine etc., beuge mich dem Geheimnis als Ganzem (= Pseudonym als Abbild einer grossen, warum-auchimmer Unaussprechlichkeit) und im Besonderen (Dionysius Areopa­gites als « M a n n ohne Eigenschaften») und fahre nun mit der Referierung seiner Werke, dem Corpus Dionysiacum, fort.

      McGINN[61] listet die Reihenfolge der Werke von Dionysius Areopagites folgender­mas­sen auf:

      – De divinis nominibus (als DN zitiert)

      – Mystische Theologie (als MT zitiert)

      – De caelesti hierarchia (als CH zitiert)

      – De ecclesiastica hierarchia (als EH zitiert)

      In der Reihenfolge meiner Gliederung halte ich mich allerdings eher an Beate R. SUCHLA, welche die MT auf DN und CH folgen lässt. Dieses scheint mir auch vom Literarischen her logischer. Wie auch die Formulierung «vermutlich»[62] zeigt, scheint die angenommene Abfolge bei McGINN nicht gesichert oder logisch zu sein,[63] a.a. O. schreibt McGINN: «DN handelt hauptsächlich vom Hervorgang, EH und CH befassen sich mit unteren Stufen der Rückkehr. MT schliesst die Darstellung der Rückkehr ab…»[64]

      Die erste Herausgabe des CD wurde von Johannes von Skythopolis um 540 veranlasst und umfasste die genannten vier Abhandlungen (Traktate) sowie zehn Briefe. Es folgte eine kommentierte Herausgabe durch Maximus Confessor ca. 100 Jahre später, Übersetzungen z.B. ins Syrische, Kirchenslawische und Arabi­sche, 827 dann ins Lateinische durch Hilduin den Abt des Klosters St. Denis bei Paris, um 855 durch den grossen Gelehrten Scotus Eriugena[65] sowie die profes­sio­nell redigierte und verbesserte Version durch einen päpstlichen Bibliothekar Anastasius Bibliothecarius um 870.[66]

      In «De divinis nominibus» (DN) geht es, wie der Titel bereits sagt, um die Namen Gottes. Geht man die 13 Kapitel von DN einmal auf der Suche nach den Namen Gottes (eigentlich: göttliche Namen!) durch, so ergibt sich folgende Liste:[67]

      im IV. Kapitel:

      – das Gute

      – das Licht

      – die Macht

      – der/das Anmutige

      – die Schönheit

      – die Liebenswürdigkeit

      – die Liebe

      im V. Kapitel:

      – Sein

      – Leben

      – Weisheit

      im VI. Kapitel:

      – ewiges Leben

      im VIII. Kapitel:

      – Kraft

      – Gerechtigkeit

      – Heil

      – Erlösung

      im IX. Kapitel:

      – der Grosse

      – der Kleine

      – Ebenderselbe

      – der Andere

      – der Ähnliche

      – der Unähnliche

      – der feste Stand

      – die Bewegung

      – der Gleiche

      – der Unveränderliche

      – der Unvergängliche

      im X. Kapitel:

      – der Allmächtige

      – der Alte der Tage

      im XI. Kapitel:

      – Friede

      im XII. Kapitel:

      – Heiliger der Heiligen

      – König der Könige

      – König für immer und ewig

      – Herr der Herren

      – Gott der Götter

      im XIII. Kapitel:

      – der Vollkommene

      – der Eine

      Die Reihenfolge dieser Namen ist nicht willkürlich gewählt, sondern stellt eine Art aufsteigender Systematik dar, die gewissermassen vom «Guten», das aus­strahlt gekrönt wird und zum «Einen» als Ziel und Kulminationspunkt (wieder) hinstrebt.

      Wie Licht strahlt sich «das Gute» in seiner Schöpfung aus. Die treibende Kraft, die «Motivation Gottes» hierzu ist der Eros, die Liebe, welche eben diese «Schöp­fung» liebenswert macht, «schön».

      Zwar ist das Wesen Gottes eben nicht beschreibbar (ich komme im Abschnitt 3.2.3 zur MT noch einmal näher und ausführlicher darauf zurück), aber dieses beschriebene Wirken auf Welt und Schöpfung hin kann benannt werden, insofern es sich quasi um die Spuren «des Guten» in der Welt handelt.[68]

      Da dieses bereits in der Bibel geschah, kann es auch Thema der Abhandlung zu den göttlichen Namen