schenke dir den ganzen Garten!»
Mevlana Rumi (1207–1273)
0 Einleitung
Interkulturelle Kommunikation muss mit den Werten umgehen, welche hinter dem Reden und Verhalten von Menschen, mit denen ein Gespräch geführt werden soll, stehen.
Die meisten dieser Werte sind unbewusst, vom Gegenüber nicht so leicht zu durchschauen und oft hoch emotional besetzt. Insofern kommt im Rahmen interkulturellen Bemühens der interreligiösen Kommunikation eine ganz besondere Bedeutung zu: Sind doch die Religionen im guten wie im schlechten Sinne Quelle und Legitimation von Werten, ethischen Vorstellungen und moralischen Anforderungen.
Man kann die andere Kultur, die andere Religion nun als das ganz Andere, Fremde, gar Bedrohliche sehen, was sicherlich für eine befriedigende Kommunikation nicht sehr sinnvoll ist, wie ich im Kapitel 5, das den Methoden interkultureller Kommunikation gewidmet ist, aufzeigen werde. Man kann aber auch von möglichen oder erhofften Gemeinsamkeiten ausgehen, was allerdings die Gefahr der Vereinnahmung des/der anderen in sich birgt, was ich ebenfalls in diesem Kapitel ausführen werde.
Eine dritte und sicherlich sehr fruchtbare, Möglichkeit wäre, sich auf die gemeinsamen Wurzeln verschiedener Religionen zu beziehen, die dann mit den bearbeiteten Religionen etwa so viel und so wenig zu tun haben, wie das eiszeitliche Prszewalskiperd mit einem Arabischen Vollblut oder einem Zebra. Aber auch die Differenz zwischen Zebra und Vollblut bleibt auf diese Weise erkennbar, wobei im Rahmen der vorliegenden Arbeit Zebra und Vollblut für das Christentum und den Islam stehen, das Urpferd für die beiden Religionen gemeinsame Inspiration durch die griechische Philosophie.
Eine solche Vorgehensweise orientiert sich also eher an Strukturen, denn an Inhalten, sie fragt beispielsweise nicht so sehr danach, WAS denn nun z.B. offenbart wird, sondern eher, ob überhaupt und wenn ja, WIE sich diese Offenbarungsformen voneinander unterscheiden.
Während religiöse Inhalte oft sehr emotional besetzt und in einem Glaubenskanon festgelegt sind, der nicht hinterfragt werden darf (z.B. das christliche Glaubensbekenntnis «Ich glaube an Gott … und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn …», ist es eine Struktur weniger.
Insofern liegt dieser Arbeit z.B. der strukturelle Unterschied zwischen der Art, wie man über das Transzendente reden könnte, zugrunde: Der zwischen negativer (apophatischer) und positiver (kataphatischer) Theologie, wobei hier nicht nur eine christliche Theologie gemeint ist, sondern auch die vor- oder nichtchristlicher Religionen, respektive Spiritualitäten. Eine kurze Einführung und Begriffsbestimmung in apophatische und kataphatische Theologie ist von daher das Thema des 1. Kapitels.
Bereits bei einer oberflächlichen Beschäftigung mit Philosophien und Religionen des östlichen Mittelmeerraumes fällt ihre allgemeine strukturelle Ähnlichkeit ins Auge. Am stärksten die Tatsache, dass es sich z.B. in der Zeit der ersten Jahrhunderte n.d.Z. vor allen Dingen um monotheistische Religionen handelt. Doch auch beim näheren Hinsehen folgt ein «Aha-Erlebnis» dem anderen. Mir persönlich ging es so, als wir im Rahmen der lectio spiritualis Übungen unseres Studienganges zur Christlichen Spiritualität Origenes und die Wüstenväter lasen, denn seit einigen Jahren engagierte ich mich insbesondere im Rahmen des interreligiösen Dialogs mit dem Islam und kannte die wichtigsten Inhalte dieser Religion sowie den Koran und was gläubige Muslime mit ihm verbinden.
So wurde ich also auch auf die neueren Forschungen von z.B. NEUWIRTH und anderen hingewiesen und referiere im 2. Kapitel dieser Arbeit die gemeinsamen Traditionen und Auseinandersetzungen der monotheistischen Religionen des Vorderen Orients mit neuplatonischer Philosophie, mit der sich alle monotheistischen Religionen des letzten halben Jahrtausends vor und des ersten halben Jahrtausends n.d.Z. auseinandersetzten.
Ein zweites «Aha-Erlebnis» hatte ich, als wir während des besagten Studienganges in Biografie und Texte des Dionysius Areopagites eingeführt wurden. Hier lernte ich, dass die mir sehr bekannte Haltung islamischer Gläubigkeit, jegliche Personalisierung Gottes und auch die Idee zweiseitiger Gespräche mit diesem Gott, wie das Judentum sie kennt, abzulehnen, in der christlichen Theologie «apophatisch» genannt wird.
Da ich ausserdem gerne Kriminalromane lese (die Struktur von Kriminalromanen war sogar ein Thema meiner germanistischen Dissertation), faszinierte mich natürlich diese unbekannte Biografie des Dionysius Areopagites – auch als gutes Zeichen für die Begrenztheit von Wissenschaft, als Appell, niemals alles wissen zu können und diese Grenzen unseres Erkenntnisvermögens zu achten – ebenfalls eine Art «apophatische» Haltung der Bescheidenheit.
Zum Dritten faszinierte mich als Literaturwissenschaftlerin der Aspekt des Poetischen und der Sprachübersteigerung, der ja unweigerlich mit apophatischem Denken verknüpft ist.
Dionysius Areopagites Leben und Werk ist das Thema des 3. Kapitels, wobei in der Beschäftigung mit ihm noch die Frage nach den Werten, welche ein Philosoph, eine Autorin, ein Religionsstifter, etc. vertritt, aufkam und in welchem Verhältnis diese Werte zur umgebenden Kultur stehen: Widersprüchlich? Antwort auf generelle Fragestellungen der Umgebung? Ein Dorn im Auge der Mächtigen? Opium für das Volk?
Nachdem mit diesen ersten drei Kapiteln die Grundlage für das Aufeinanderbeziehen von Islam und Christentum unter dem Aspekt einer apophatischen Theologie und eben auch Poesie gelegt wurde, ist das 4. Kapitel dann Leben und Werk des Propheten Mohammed gewidmet, wobei ich in diesem Kapitel auch die Gelegenheit ergriff, ein allgemeines historische Bild etwa der ersten Jahrtausendhälfte im Nahen Orient darzustellen sowie den Versuch zu starten, eine mögliche chronologische Abfolge für die orale Tradition von frühen Hymnendichtern bis Mohammed zu erstellen. Letzteres bitte ich als Gedankenanregung für vertiefte altphilologische und orientalistische Forschungen zu nehmen und nicht als wissenschaftlich abgesicherte Theorie.
Aus den Kapiteln 2–4 konnte ich Inhalte und Strukturelemente herausdestillieren, passende Elemente für einen interreligiösen Dialog auf Basis apophatischer Einstellungen, die mir als Grundlage für die weitere Arbeit dienten.
Kapitel 5 befasst sich also, wie bereits gesagt, mit Methoden und Instrumenten interkultureller und interreligiöser Kommunikation und einer daraus resultierenden Auswahl aus den Inhalten und Strukturelementen der vorherigen Kapitel, da ich natürlich, aus Gründen des Umfangs einer solchen Masterarbeit, nicht sämtliche Aspekte besprechen konnte.
Kapitel 6 befasst sich dann mit einigen dieser Themen und wie sie für den interreligiösen Dialog zwischen Islam und Christentum nutzbar wären.
Im 7. Kapitel weite ich in abschliessender Weise noch einmal den Blick über das engere Thema meiner Arbeit hinaus und propagiere die «apophatische» Empfehlung für eine allgemeine, gesellschaftlich-kommunale Ebene der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften: Lieber gemeinsam zu feiern statt zu reden und für die individuelle Ebene der interreligiösen Begegnung eine «doppelte religiöse Staatsbürgerschaft».
1 Apophatische und kataphatische Theologie – Begriffsbestimmung
1.1 Apophatische Theologie
Apophasie bedeutet, dass «Gott» oder «das Eine» des Platonismus letztlich nicht zu erkennen oder zu begreifen ist. Woraus folgt, dass «Gott» eben auch nicht beschreibbar, nicht darzustellen ist.[1]
Eine Erkenntnis, welche die zahllosen Abbildungsverbote im Laufe der Geschichte monotheistischer Religionen konsequent umsetzten.
Gleich zu Anfang wage ich aber auch, zu behaupten, dass apophatische Theologie per definitionem das Wesen von Mystik und Spiritualität ausmacht – ganz im Sinne McGINNs, der in seinem ersten Band der Geschichte der «Mystik im Abendland» schreibt: «Negative bzw. apophatische Theologie wird historisch wie systematisch den Hauptteil unserer Geschichte der Spiritualität ausmachen.»[2]
Wie