„Das wäre schön,“ seufzte Anne sehnsüchtig und Freddy nickte finster. Es war manchmal schwer, immer einen Schritt hinter dem Mörder zu sein, ständig in der Befürchtung, dass dieser weitermorden würde. Ein leises Pling ertönte. „Er hat etwas!“ Elektrisiert beugten alle drei ihre Köpfe darüber, um gleich darauf mit lautem „Au!“ zurückzuzucken. Anne sah böse von Susi zu Freddy, während sie ihren Kopf rieb. Gleich von zwei Seiten hatte sie den Rumms abbekommen. „Du musst ja nicht immer vornedran sein, mit deinem Schwellkopp,“ brummte Freddy, während er seinerseits seinen Kopf rieb.
Susi studierte derweil mit zusammengekniffenen Augen das Ergebnis und murmelte dabei vor sich hin. „Was hast du eben gesagt?“ wollte Freddy stirnrunzelnd wissen.
Aufgeregt platzte Susi heraus: „Die eine DNA ist von einer Frau, die vor einem Jahr spurlos verschwunden ist, laut unserer Datenbank!“ „Was?“ entfuhr es Anne und sie beugte sich wieder über den Laptop, während sich Freddy wohlweislich zurückhielt. Langsam las sie: „Verschwundene Person – Claudia Zirkel, 54 Jahre alt, wohnhaft in Breuberg/Sandbach. Vermisst gemeldet am 1. August 2019, von ihrem Sohn Helmut.“
„Jetzt erinnere ich mich,“ rief Anne laut. „Das kam letztes Jahr sogar bei XY im Fernsehen. Hat aber auch nichts genutzt.“ „Stimmt,“ ereiferte sich Freddy. „Ich habe damals auch bei der Suche geholfen. Mein Adalbert war in der Rettungshundestaffel und wir suchten wirklich alle Möglichkeiten ab, wo sie sich normalerweise aufgehalten hat – keine Chance!“ Susi sah ihn fasziniert an. „Aber wie kommt ihre DNA ausgerechnet auf das Blumenkränzchen unserer Leiche?“ Anne fuhr auf: „Es kann nur eine Möglichkeit geben. Unser Mörder hat noch mehr Dreck am Stecken!“
„Ok,“ beschied Freddy. „Wir müssen zu Magda und die alten Unterlagen durchsehen.“ „Sind die bei uns?“ wollte Anne wissen. „Wir müssen sie sicher erst anfordern,“ brummte Freddy. „Magda soll das machen. Die kennt sich am besten aus – wenn sie es nicht bereits in die Wege geleitet hat.“
Aufgeregt sah Susi von einem zum anderen. „Haltet mich auf dem Laufenden. Ich möchte auch mehr darüber wissen, habt ihr gehört?“ „Machen wir,“ gab Freddy zurück. „Wahrscheinlich bist du sowieso bei den Besprechungen dabei,“ meinte Anne beruhigend. „Ja,“ warf Freddy ein. „Es siehst so aus, als ob dieser Fall weitaus komplexer ist, als er sich anfangs darstellte.“ Anne nickte finster. Dann verabschiedeten sie sich schnell, um ins Revier zu fahren.
S I E B E N
Eddie stand vor der großen Tafel und betrachtete konzentriert das vergrößerte Foto von der Wunde. „Der Rand sieht leicht zerfranst aus,“ murmelte er dabei vor sich hin. „Was könnte das nur gewesen sein? Schwert scheidet definitiv aus.“ Er nahm ein großes Blatt in die Hand, mit Stichwerkzeugen, das er sich ausgedruckt hatte. „Ein rundes Loch, das ausfranst – hm.“ Er schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Ich komm einfach nicht drauf. Ein Speer vielleicht?“ Murmelnd fuhr er mit dem Finger über die Eintrittswunde die bei einem Speer entstand und legte das Stichmuster neben das Foto mit der Verletzung ihrer Leiche. Das konnte schon eher möglich sein!
Die Tür ging auf und jemand trat ein. Es rumpelte. Eddie rief über die Schulter. „Nicht so laut, hier wird gedacht!“ Eine Stimme räusperte sich in seinem Rücken und Eddie drehte sich genervt um. „Was ist?“
Hinter ihm stand Wolfi, mit verlegenem Gesicht, auf Krücken gestützt. „Was ist denn mit dir passiert?“ entfuhr es Eddie unwillkürlich. Wolfi räusperte sich. „Es ist mir sehr unangenehm, das kannst du mir glauben. Ich habe gerade die Pflanzen meiner Mutter gegossen, als sie im Urlaub war und bin dabei irgendwie über die zweite Gießkanne geflogen.“
Eddie prustete los. „Ich sehe es direkt vor mir.“ Unwirsch sah ihn Wolfi an. „Was soll ich hier überhaupt machen?“ Magda trat ein. „Ich hab dich gehört. Du sollst Parallelen suchen über unseren Mord.“ „Das hättet ihr doch auch selber gekonnt,“ murrte Wolfi. „Ja, aber lange nicht so gut und schnell wie du,“ meinte Magda begütigend. „Außerdem bist du dadurch in Höchst und brauchst nicht immer nach Erbach zu fahren. Das ist doch gut für dich, wenn du so angeschlagen bist!“ Sie deutete auf seine Krücken. „Was ist überhaupt passiert?“ Widerstrebend erzählte Wolfi noch einmal die Geschichte seines Missgeschickes und wie erwartet, brach Magda unwillkürlich in Lachen aus. „Ja, lacht ihr nur,“ knurrte Wolfi erbittert. „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, ich weiß.“ Er stutzte und sah Eddie verwundert an. „Was ist, du lachst gar nicht?“ Aber Eddie starrte wie gebannt, Wolfis Krücken an. In seinem Hirn arbeitete es zusehends.
Magda schüttelte unwillig den Kopf und wandte sich an Wolfi. „Wie lange musst du denn noch mit den Dingern laufen?“ Der grinste erleichtert. „Nur noch diese Woche, dann steige ich auf den Spazierstock meines Vaters um. „Ja!“ unterbrach ihn Eddies lauter Schrei. Bellend fuhr Fränzchen aus tiefem Schlaf hoch. „Pscht, Fränzchen, alles ist gut,“ beruhigte ihn Magda automatisch. „Was ist denn Eddie, hat dich eine Schnake gestochen?“ „Schnaken stechen nicht, nur Stechmücken, wie der Name schon sagt,“ belehrte Wolfi sie automatisch.
Eddie streckte den Arm in Siegerpose in die Höhe. „Ich hab´s!“ Ich weiß jetzt, welche Waffe der Mörder benutzt hat!“
Magda und Wolfi sahen ihn fasziniert an. Lachend und mit aufgerissenen Augen stand er da. „Versteht ihr denn nicht? Er hat einen Spazierstock benutzt!“ „Aber natürlich,“ sagte Magda langsam und ein Lächeln trat in ihre Züge. Dann biss sie wütend die Zähne zusammen. „Dieses Schwein!“ Eddie dachte nach. „Ich glaube nicht, dass es sehr schmerzhaft für das Opfer war. So wie die Wunde aussieht, hat er sie mit einem einzigen Stoß getötet.“
„Aber das muss doch eine unglaubliche Wucht gewesen sein und Anna hat sich gewehrt, hat Susi gesagt!“ Magda sah verwirrt aus. „Nicht unbedingt!“ Wolfi sah nachdenklich von einem zum anderen. „Er kann die Metallspitze angespitzt haben, so dass sie butterweich hineinging.“ Magda gab ihm einen heftigen Stoß, dass er fast umfiel. „Du Olwel!“ Verwirrt sah Eddie auf. „Was ist denn gleich wieder ein Olwel?“ „Ein gefühlloser Mensch, der zum Beispiel alles rausplatscht, ohne sich Gedanken zu machen, wie er die anderen damit verletzt, ein Grobian.“
„Also wie unser Wolfi,“ pflichtete ihr Eddie bei. „Du bist auch kein Waisenknabe,“ wehrte sich dieser. „Dir geht auch oft das nötige Feingefühl ab.“ Eddie fühlte sich nicht betroffen. Er war von härterem Kaliber.
„Gesetzt den Fall - wenn man die Spitze nachschärfen will – ist das leicht? Kann das jeder?“ Wolfi dachte nach. „Ich bin kein Fachmann, aber ich würde sagen, es kann jeder, der einen Bandschleifer besitzt und einen Schraubstock, um den Schleifer einzuspannen. Mit dem Bandschleifer, auf Dauerbetrieb eingestellt und ein wenig Geschick, kann das so ziemlich jeder mit ein wenig handwerklichem Geschick.“ „Auch eine Frau?“ erkundigte sich Magda. „Sogar eine Frau,“ bestätigte Wolfi. „Also muss man nicht unbedingt eine Schlossereiausrüstung besitzen,“ warf Eddie grimmig ein. „Muss man nicht,“ gab ihm Wolfi recht.
„Sogar eine Frau, sagst du?“ Magda warf ihm einen verächtlichen Blick zu. „Du bist ein Chauvinist, weißt du das?“ Wolfi sah sie entschuldigend an. Er hatte es nicht so gemeint. Oft trat er ins Fettnäpfchen, ohne es zu bemerken. Er war so in seiner Welt der Technik versunken, dass er das normale Leben und die sozialen Beziehungen, kaum meistern konnte. Er lebte in seiner eigenen Welt. Magda legte ihm versöhnlich die Hand auf die Schulter. Wolfi war der Sohn ihrer Freundin Sonja und sie kannte ihn von klein auf. Er war ohne Arg und manchmal bedrückend ehrlich, fast zu sehr, weil ihm nicht bewusst war, wie er seine Mitmenschen mit seiner allumfassenden Ehrlichkeit verletzte. „Ich weiß doch, Wolfi, dass du das nicht wolltest.“ Sie sah ihn liebevoll an. „Du bist halt unser kluger Denker und nicht ganz von dieser Welt. Trotzdem haben wir dich sehr gern. Und wenn du deine Mutter wiedersiehst,“ resolut sah sie ihn an, „sagst du ihr, dass ich nächstes Mal die Blumen gieße! Dann passiert dir wenigstens nichts.“ Er wand sich unbehaglich. „Sag ihr einfach,