Seufzend lief sie langsam weiter und wandte sich nach links, um den Weg über die großen Steinbrüche zu nehmen. Das kleine Tal mit der großen Übernachtungsscheune, Grillmöglichkeiten und Zeltplatz ließ sie rechts unter sich liegen und das Versorgungshäuschen lag auch bald hinter ihr.
Versonnen lächelnd, hörte sie einer Amsel zu, die nun doch begonnen hatte, ihr melodisches Lied zu singen. Extra für mich, dachte sie. Besonders schön kam es ihr heute vor. Hoffentlich kein Abschiedskonzert, schoss es ihr wehmütig durch den Kopf, als sie an die Weggabelung kam, wo der eine Weg steil nach unten führte und der andere nach rechts, bergauf. Schwer atmend blieb sie stehen und überlegte kurz, welchen Weg sie nehmen sollte.
Dann beschloss sie mutig, den steilen Abstieg noch einmal zu wagen und wandte sich nach links, während sie sich versprach, dass es diesmal aber wirklich zum letzten Mal sei.
Sie konnte nicht wissen, dass es tatsächlich kein nächstes Mal für sie geben würde und dass dies nicht mehr in ihrer Macht liegen würde.
Z W E I
Magda genoss ihr umfangreiches Sonntagsfrühstück und las dabei in ihrem neuesten Schmöker, der von Abenteuern und Liebe handelte. Gut, dass die Kollegen keine Ahnung hatten, wie gerne sie romantische Bücher las, dachte sie. Dabei wussten es ihre befreundeten Mitarbeiter natürlich längst alle. Sie gönnten ihr die Entspannung von Herzen und verloren kein Wort darüber. Schließlich standen die zahlreichen Liebesromane in rauen Mengen in ihrem Bücherregal und jeder, der schon einmal in Magdas Haus gewesen war, konnte sich denken, dass sie nicht nur zur Dekoration da waren. Sogar ohne kriminalistischen Spürsinn.
Sie lächelte und blätterte dabei um. Mord und Totschlag gab es bei der Arbeit genug, das musste sie daheim nicht auch noch haben.
Fränzchen, ihr Riesendackel, mit dem Aussehen und den Proportionen eines Dackels in überdimensionalen Ausmaßen, schnarchte derweil in seinem Hundekörbchen neben dem Ofen. Ab und zu öffnete er ein Auge, ob sein Frauchen nicht langsam Anstalten machte, aufzustehen. Nein? Immer noch nicht? Dann schnarchte er eben weiter.
Magda seufzte zufrieden, die Heldin in ihrem Buch brauchte zwar lange, aber nun schien sie endlich zu kapieren, dass sie doch zu ihrem Jugendfreund gehörte. Sie sah sich auf dem Tisch um und bemerkte, dass sie unbemerkt alles aufgegessen hatte. Das leere Müslischälchen und der mit Bröseln bedeckte Teller, zeugten von ihrem guten Appetit. Na und - dachte sie - ich kann es mir schließlich leisten. Sie grinste.
„Fränzchen, mein Butzelchen, wir gehen gleich los. Nur noch einen Moment!“ Der so Angesprochene stand auf und dehnte sich, indem er sich durchbog und den Po nach hinten streckte. Dann schüttelte er sich und setzte sich vor die Badezimmertür, hinter der sein Frauchen verschwunden war. Aus Erfahrung wusste er, dass es nicht lange dauern würde, bis sie wieder herauskam. Sie gehörte zu den uneitlen Frauen, fuhr sich mit der Bürste kräftig durch die Haare und war ruckzuck fertig.
Sie betrachtete ihren leicht molligen Körper im Spiegel und warf ihr schulterlanges, braunes Haar, das bereits leicht mit Grau durchsetzt war, zurück und zuckte die Achseln. Wenn sie nicht gar so klein wäre, wäre ihre Figur fast perfekt, aber mit 1,60m sah man sehr schnell moppelig aus. Hauptsache, ihren Verehrer Herbert, den Chef des SEK, den sie bei ihrem letzten Fall kennengelernt hatte, störte es nicht. Im Gegenteil, er schien Gefallen an ihr und ihrer Erscheinung gefunden zu haben und beteuerte, wie sehr er ihre weichen Kurven liebte. Sie ihrerseits, wusste seine stattliche Erscheinung durchaus auch zu schätzen, obwohl ihr Äußerlichkeiten nicht so wichtig waren. Was nutzte einem der schönste Kerl, wenn er ein Idiot war.
Bald würde sie sich wieder in seinen Armen wiegen lassen. Sie lächelte gedankenversunken. Wie schön, dass er sich spontan bereit erklärt hatte, an ihrem Tanzkurs als ihr Tanzpartner teilzunehmen. Ihre Stammtanzschule hatte länger geschlossen, weil die schwulen Besitzer ihren Traum von einer Australienreise verwirklichten. Magda vermisste die beiden sehr, denn die Atmosphäre bei ihnen war freundlich bis liebevoll und das Tanzen war fast eine tolle Beigabe, aber nicht das Wichtigste.
Herbert tanzte wirklich gut und die Polka, die dort momentan geübt wurde, war zwar sehr schwungvoll, aber danach hielt er sie immer einen Moment in seinen Armen und sie lächelten sich schweratmend, aber glücklich an. Nein, er war wirklich ein Prachtexemplar von Mann und sie gelangte immer mehr zu der Überzeugung, dass sie endlich doch den richtigen Deckel gefunden hatte - oder er sie.
Der Tanzlehrer und seine Partnerin in dieser neuen Tanzschule, waren zwar auch gut, sehr akkurat und genau, aber gleichzeitig für ihren Geschmack zu sehr geschäftsmäßig – und eher kalt. Kein Vergleich mit ihrer Stamm-Tanzschule. Hoffentlich kamen die Beiden bald gut erholt aus ihrem Urlaub zurück.
Fränzchen sah sie geduldig an. Er kannte sein Frauchen genau und wenn sie so unbeweglich dastand, dachte sie wohl gerade wieder allerlei krause Gedanken.
Endlich öffnete sie die Haustür und Fränzchen stand auf und wedelte erwartungsvoll. „Komm!“ Sie zog sich ihre Jacke an, legte dem Hund sein Geschirr um und dann marschierten sie los, die Molkereigasse hoch, in Richtung Königswald. Am Parkplatz, oben vor dem Schützenhaus, sah Magda einen einsamen, schmutzig-weißen Sprinter stehen, den sie nur unbewusst wahrnahm. Sie gingen die Abkürzung den Berg hoch, Richtung Steinbruch und genossen den morgendlichen Frieden. Beiläufig drehte sie sich dabei einmal um die eigene Achse, weil sie plötzlich ein komisches Gefühl befallen hatte, beobachtet zu werden. Es war jedoch niemand zu sehen.
War das heute eine seltsame Atmosphäre! Unwillkürlich schüttelte sie sich und lauschte angestrengt. Sie traten auf eine kleine Lichtung und Fränzchen schnüffelte eifrig. „Was riechst du denn schon wieder? Eine heiße Spur?“ Magda lachte und sah zum Aussichtsturm hoch, der kerzengerade über ihr, in der blendenden Sonne stand. Sie legte die Hand als Schirm vor die Augen, konnte jedoch nichts erkennen. Komisch, aber sie hatte immer noch das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden.
„Komm Franz, wir gehen weiter!“ Sie zog den widerstrebenden Dackel hinter sich her, der beleidigt mittrottete. „Hab dich nicht so,“ murmelte sie ihm zu. „Ich fühle mich nicht wohl hier, wir müssen weiter nach oben!“ Sie zuckelten gemächlich in den Steinbruch, der sich majestätisch und sonnenbeschienen vor ihnen öffnete und Magda dachte wieder einmal, wie gut sie es hatte, an solch einem schönen Ort zu leben. Die Steinbruchwände erstreckten sich bestimmt über fast einen Kilometer und begleiteten den Weg des Wanderers mit seinen hohen Sandsteinwänden, an denen es hin und wieder kleine Pfade gab, mit Bäumen, die sich tapfer daran festklammerten. Dann marschierte sie über den großen Grillplatz, mit seiner Naturbühne, an den Grillhütten vorbei, wo sie am Ende, rechts, die Treppe erklommen, die auf den Weg, oberhalb der Steinbrüche, führte. Fränzchen war mit seinem Allfußantrieb ruckzuck oben, während Magda langsam hinterherkeuchte. „Ja, ja, ich hab halt nur zwei Füße, im Gegensatz zu dir!“ Fränzchen sah nachsichtig auf sie herab und wartete geduldig. Zusammen machten sie sich auf den Weg nach links und ließen den anderen Steinbruch, mit Grillplatz, Zeltplatz, Schutzhütte und großer Scheune, rechts hinter sich liegen.
Als sie ein Stück auf dem Weg, über den Steinbrüchen gelaufen waren, fing Fränzchen plötzlich an zu ziehen wie ein Verrückter. Magda stemmte sich erst dagegen, bevor sie resigniert nachgab und ihm nachrannte, so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Sie kannte ihren Hund gut genug, um zu wissen, dass es sicher einen Grund für sein Ziehen gab und leider sollte sie recht behalten.
An der Weggabelung wurde Fränzchen ganz aufgeregt und zog noch fester nach links. „Halt!“ Magda zog ihn zu sich heran. „Ich möchte nicht gern hinfallen!“ Fränzchen sah sie treuherzig an, bis sie, wie immer, dahinschmolz und zog dann wiederum nach links, den Hang hinab. Magda blieb stehen. „Da hinunter willst du? Den Mountainbikepfad?“ Fränzchen bellte wild und machte Anstalten, sich den Abhang hinunterzustürzen, doch Magda hielt die Leine fest um ihre Hand gewickelt. Sie kniff die Augen zusammen. Lag da etwa jemand? Es sah aus, als schliefe dort ein Mensch, dem Umriss nach. Sie beugte sich vor und dachte nach. Es half nichts, sie musste hinunter. Außen