Tango unterm Regenbogen. Tilo Braun-Wangrin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tilo Braun-Wangrin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753107073
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aß gerade bei Burger King einen Whopper{7}, als mir das kostenlos ausliegende Stadtmagazin [030] {8} auffiel, welches direkt neben dem Tresen auslag. Ich griff mir ein solches Heft, um es in der Stadtbahn auf der Fahrt nach Hause durchzuschauen.

      Sofort fielen mir die Seiten mit den Rubriken Gay Life und Er sucht Ihn auf. Aufmerksam lass ich jede Zeile. Nachdem ich mit dem Anzeigenteil durch war, entschied ich, meinem Schicksal endlich auf die Sprünge zu helfen.

      Eine Anzeige in einem Berliner Stadtmagazin würde allemal mehr bringen als in einer gesamtdeutschen Zeitungsausgabe. Zu Hause ließ ich mir vier originelle Botschaften einfallen, die ich in einer Art Sammelauftrag in jeder zweiten Woche für zwei Monate zum Erscheinen in Auftrag gab.

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      So erhielt ich bereits nach Erscheinen der aktuellen Ausgabe der [030]

      die ersten Zuschriften. Unter all den Zuschriften kristallisierten sich zunächst nur zwei ansprechende Angebote aus Berlin. Dahinter steckten Julian aus Spandau und Patrick aus Hellersdorf.

      Brief von Julian vom 05. März 1998: „Hallo Unbekannter, wer auch immer Du bist, wo auch immer Du sein magst. Ich jedenfalls bin hier! Wo? In Berlin-Spandau. Aber Entfernung ist ja bekanntlich Illusion. Jetzt zu mir. Ich bin 18 Jahre; 1,76 m groß, habe braune Augen/Haare.

      Meine Freizeit verbringe ich größtenteils im Fitnessstudio und mit meiner besten Freundin. Das heißt natürlich nicht, dass Du wahnsinnig sportbegeistert sein musst, wäre aber nicht schlecht.

      Deine Anzeige lass ich irgendwann am letzten Wochenende als wir (ich + beste Freundin) noch spät in der Nacht Hamburger essen waren. So und jetzt schreib ich Dir! Na? Kannst Du Dich aufraffen mir zu schreiben? Ich würde mich freuen. Also vielleicht bis ganz bald... Julian.“

      Brief von Patrick vom 10. März 1998: „Hallo Unbekannter, als ich diesmal die Seite „Er sucht ihn“ aufschlug, da stach mir Deine Anzeige gleich ins Auge.

      Ich dachte mir, schreibe ich mal einem (einsamen) Wehrdienstleistenden. Ich habe nämlich gehört, die sollen immer Heimweh nach Hause haben. Und vielleicht hast Du ja auch bald Heimweh nach mir. Außerdem soll der Brief auch eine Ablenkung vom grauen Alltag beim Bund sein. Ehrlich gesagt, habe ich noch nie auf eine Anzeige geantwortet, aber das alleine sein habe ich echt satt.

      Und ich hoffe, es war nicht falsch, diesen Brief zu schreiben. Vielleicht schreibst Du mir ja zurück, wenn er Dir gefallen hat. Ich heiße übrigens Patrick, bin süße 18 Jahre jung und 186 cm groß. Also gebe Dir einen Ruck und schreibe mit Foto und Adresse zurück, damit aus einem Brief noch viel mehr werden kann. Also bis dann sagt Patrick. PS: Würde mich riesig

       freuen über Deinen Brief“.

      Diese Briefe faszinierten mich am meisten. Unter ca. dreißig Zuschriften fand sich aber noch jemand, der Aufmerksamkeit in mir erweckte. Denis aus Neuenhagen. Er wohnte nur 20 km von mir entfernt! Ich war erschrocken. Sollte ich ihm etwa antworten? Nachher kannte er mich oder ich würde mal dienstlich in Neuenhagen zu tun haben und dann würde es zu Peinlichkeiten kommen.

      Brief von Denis Wangrin aus Neuenhagen: „Hallo Wehrdienstleistender! Mein Name ist Denis und ich bin 22 Jahre alt. Ich bin 1,82 m; 70 kg schwer und schlank.

      Meine Haare sind dunkelblond und kurz und die Augen blaugrau. Ich habe zurzeit leider kein Foto, hoffe aber, dass die Beschreibung etwas weiterhilft.

      In meiner Freizeit gehe ich gerne ins Kino oder zum Billard/Bowling. Meine Musikrichtung ist nicht festgelegt, man hört alles, was einem gefällt.

      Am Wochenende gehe ich mit guten Freunden in die Disco oder bleibe einfach zu Hause und mache mir einen netten Videoabend. Mein Zivildienst war sehr interessant und ich hoffe Deiner ist nicht so anstrengend. Ich bin nicht geoutet und finde es furchtbar, dieses gezierte Benehmen. Man kann sich doch auch völlig normal benehmen. Ich hoffe wir hören voneinander. Tschau Denis. PS: Kein Schreck bei der Adresse bekommen, in 30 Minuten ist man mit dem Auto in der Stadt.“

      Meine Antwort: „Hallo Denis, ich bin sehr überrascht auch einen Brief aus der näheren Umgebung zu erhalten, denn ich wohne in Strausberg, was von Neuenhagen ja ein Katzensprung ist.

      Ich möchte Dir in diesem Brief noch nicht meinen Namen und meine Adresse verraten, da ich mir erst sicher sein möchte, dass Du zumindest erst mal absolut diskret bist.

      Ich bin 20 Jahre alt und wohne in „Hegermühle“. Von den Interessen haben wir viele Gemeinsamkeiten. Auch ich genieße es mal zu Hause zu bleiben und sich einen Gemütlichen zu machen. Doch allein macht das in meiner Drei-Zimmer-Wohnung gar keinen Spaß und da ich nicht geoutet bin, versuche ich es auf diesem Wege. Zurzeit bin ich in Strausberg bei der Bundeswehr, um meinen Grundwehrdienst abzuleisten. Habe eine prima Truppe erwischt und es macht auch Spaß. Es sind nur noch wenige Monate, dann gehört auch dieser Lebensabschnitt der Vergangenheit an.

      Für dieses Jahr habe ich mir endlich vorgenommen, meinem schwulen Leben auf die Sprünge zu helfen. Dieser Brief ist hoffentlich der erste richtige Schritt. Meine Eltern, Verwandte und Freunde glauben, dass ich einen ganz „normalen“ Weg gehe, doch ich halte dieses Schauspiel einfach nicht mehr lange aus. Denis, wenn es Dich nicht abschreckt, dass ich so nah bei Dir wohne, dann schreib mir bitte nochmals unter meiner „030“-Chiffre Nummer. Ich lege aber großen Wert auf Diskretion, ich hoffe, Du verstehst das. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du mir recht bald schreiben würdest. Viele Grüße, Tilo“

      Mit wenig Hoffnung von Denis noch einmal zu lesen, entwickelten sich die Briefwechsel zwischen Julian, Patrick und mir weiter recht rege. Die Briefe nach meiner Antwort behielten ihre Spannung.

      Auch Denis schrieb zurück: „Hallo! Vielen Dank für Deinen Brief. Wie ich gelesen habe, wohnen wir nur eine geringe Distanz voneinander entfernt. Ich finde es optimal, dass man nicht so weit entfernt voneinander wohnt. Furchtbar beide Sätze mit dem gleichen Inhalt beendet. Naja! Es muss bestimmt für Dich angenehm sein, den Grundwehrdienst in der Nähe Deiner Wohnung absolvieren zu können.

      Ich würde mich freuen, wenn wir bei nächster Gelegenheit mal ins Kino gehen würden. Aufgrund meiner Arbeitszeit habe ich meistens am Wochenende Zeit für Unternehmungen. Meine Eltern denken, ich bin auch ganz normal und ich will es auch so belassen. Für mich steht Diskretion ebenfalls an erster Stelle.

      Ich hoffe der Wehrdienst ist nicht so anstrengend, dass Du noch Zeit findest zu antworten, was mich sehr freuen würde. Bis bald Denis! PS: Die Entfernung ist für mich nicht abschreckend.“

      Obwohl ich immer mehr Zuschriften erhielt, blieben Denis, Julian und Patrick meine Favoriten. Zu meinem 21. Geburtstag erhielt ich von Allen liebe Grüße, die sie mir auf unterschiedlichste Weise zukommen ließen. Denis schrieb eine ganz süße Karte, untermalt mit parfümierten Düften.

      Julian sandte ein Sunshine-Fax und Patrick übermittelte per Brief die besten Wünsche. Keiner hatte meinen Ehrentag vergessen.

      Patrick und Denis bekannten sich bereits nach wenigen Wochen ihrer Zuneigung mir gegenüber. Julian blieb auf Distanz. Mit ihm gestaltete sich inzwischen mehr ein platonischer Briefwechsel.

      Im zweiten Brief teilte ich Denis meine vollständige Adresse mit und schrieb weiter: „Gern möchte ich mit Dir ins Kino gehen, jedoch möchte ich Dich vorher noch ein bisschen kennenlernen. Ich würde so gern mal aus mir rauskommen und mich nicht immer verstellen. Vielleicht klappt es ja, wenn wir uns treffen. Wie stellst Du Dir eine Beziehung mit einem Mann vor? Ich bin eher der Romantiker. Außerdem bin ich ein Reisemensch. Zudem interessierte mich, was er beruflich macht.

      Schnell kam Antwort von Denis: „Ich mache zurzeit eine Ausbildung im Einzelhandel bei Peek & Cloppenburg{9} (P&C) in Berlin, Tauentzienstraße. Meine Berufsschule befindet sich im Herzen von Kreuzberg und meinen Zivildienst habe ich in der Schlosspark-Klinik auf der Neurologischen Abteilung, als Pfleger, geleistet. Die Erfahrungen, die man dort gesammelt hat, sind im Bereich des Zwischenmenschlichen von großer Bedeutung. Der Umgang mit den Patienten und die Arbeit mit dem Pflegepersonal und den Ärzten war sehr interessant.

      Die