Federträger. Yves Holland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Yves Holland
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752903874
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Da sie nur zu viert waren, lösten sie sich mit der Wache am Feuer ab, das mehr beißenden, rußigen Rauch als Wärme abgab.

      Es war während der dritten Wache, als der junge Hammat ein Geräusch hörte, das ihn aus dem Schlaf aufschreckte. Er saß am Feuer, und es war an ihm, auf die kleine Gruppe aufzupassen.

      Es ist fraglich, ob Hammat, wäre er nicht eingeschlafen, noch etwas hätte tun können. So aber war alles, was ihm noch zu tun blieb, die Augen aufzureißen. Das Letzte, was Hammat, der Stadtgardist, in diesem Leben sah, waren die Umrisse eines schwarzen Reiters, der gefährlich nahe über ihm stand und mit einem großen Beil kraftvoll ausholte.

      Sie waren umzingelt von schwarzen Reitern und hatten keine Chance.

      Der ungleiche Kampf war nur von kurzer Dauer.

       Aufzeichnungen aus dem Buch der Geschichte von Thorn Jhaerhune von Wolff:

       Geschrieben ward der 23. Juno im Jahre 527 von Arloks Herrschaft, als Fandor Ellson und Thorn von Wolff zusammen mit ihrem Vater und einigen ausgewählten Clanführern der Freien Reiter aufbrachen nach der Stadt Grünberg, die am nördlichen Ende der Himmelberge sich befindet. Dies war der Beginn ihrer langen Reise, und dies war die Zeit des Beginns des großen Krieges zwischen Arlok dem Schwarzen und den Bewohnern der nördlichen Welten.

      Kaum dass die Sonne den Horizont berührte, ritten Fandor und Thorn am Ende der kleinen Gruppe der Freien Reiter aus dem Lager heraus. Prakh von Wolff hatte zur Eile gedrängt und wollte keine Zeit verschenken. Er ließ die seinen unter der Obhut seines Stellvertreters Urso, eines großen, geschickten Mannes, und seines zweiten Sohnes Mjörk zurück, nicht ohne ein ungutes Ziehen im Bauch zu verspüren. Die Reise nach Grünberg sollte zwar keine lange werden, aber die Steppe war unsicher geworden, und am liebsten hätte er sich zweigeteilt, um an beiden Orten zugleich sein zu können.

      Prakh warf noch einen letzten Blick über das Lager, strich sich gedankenlos über die Narbe auf seiner Wange und gab das Kommando zum Aufbruch. Die Männer bliesen in ihre Hörner, ein altes Reiselied, das immer angestimmt wurde, wenn die Clans oder Gruppen von ihnen eine längere Zeit weg sein würden.

      Er hasste die Situation, und er fühlte sich ohnmächtig. Sein Sohn Mjörk war zwar ein guter Stratege und kein Hitzkopf, und auf Urso war auch hundertprozentig Verlass, aber so viel Verantwortung hatten sie noch nie zu tragen gehabt. Beide hatten zwar voller Stolz verkündet, sie kämen schon zurecht, aber was wussten sie schon.

      Es war Ira gewesen, die mit Prakh zusammen entschieden hatte, dass Mjörk bleiben und Larsso, ihr erster Sohn, mit Prakh nach Grünberg reiten sollte. Er würde das den anderen Clanführern natürlich nicht sagen, aber er verließ sich in diesen Dingen immer auf seine Frau. Sie hatte die Jungen schließlich aufgezogen und kannte sie in- und auswendig.

      Er war stolz auf sie, was er ihr auch eines Tages sagen würde, aber wahrscheinlich wusste sie das ohnehin, warum also sollte er es ihr gegenüber erwähnen? Sie verstanden sich nach all ihren gemeinsamen Jahren blind. Sie waren eine gute Verbindung. Und die Jungen waren ihr ganzer Stolz.

      „Mjörk hat einen guten Blick für das Lagerleben und die Bevorratung, die Einteilung, die Pferde, und er hat auch ein gutes Händchen für das Regeln von Streitigkeiten. Er ist der beste für diese Arbeit, wenn du unterwegs bist, Prakh“, hatte sie ihm im Zelt gesagt, als er ihr von seinen Plänen erzählt hatte, Larsso das Lager zu überlassen und Mjörk mitzunehmen.

      „Larsso hingegen ist ein guter Reiter, Jäger, Fährtenleser, er ist gerne unterwegs, und selten hält es ihn länger als ein paar Augenblicke am selben Ort“, hatte sie die Eigenschaften ihrer beiden ältesten Söhne für ihn zusammengefasst.

      Prakh war wie so oft überrascht, wie treffend sie Menschen zu beobachten verstand. Ihm selbst wäre es nie in den Sinn gekommen, dass seine Söhne derart unterschiedlich veranlagt sein könnten. Er war auch überrascht, wie groß sie schon waren. Waren sie nicht neulich noch zwischen seinen Beinen herumgetollt? Wo war bloß die Zeit geblieben?

      Er hatte sich am Kinn gekratzt, seinen Krug geleert, kurz genickt, und es war entschieden. Mjörk würde bleiben, Larsso würde mitreiten.

      Die Hornbläser hatten geendet und hängten ihre Instrumente an ihre Sättel. Prakh nickte noch einmal in die Runde, sah Fas ernst in die Augen, der das Pferd neben seins lenkte, und trieb grimmig sein stämmiges Reittier an.

      Fandor und Thorn, beide wie im Rausch, saßen aufgeregt auf ihren kleinen sandfarbenen Steppenpferden und ritten hinter den Clanführern und übrigen Reitern her. Als der Weg hinter dem Lager eine erste Biegung machte, drehten sie sich noch einmal nach Mome Ira um. Ira und viele andere standen da und winkten ihnen hinterher. Sie lächelten ihr zu, und dann winkten sie zurück, was ihnen zwar etwas unmännlich vorkam, aber es war geschehen, noch ehe sie richtig darüber nachdenken konnten.

      Ira war froh, dass die Gruppe schon so weit entfernt war, denn Wasser stand ihr in den Augen, als sie die beiden Jungen im Staub entschwinden sah.

      Ihre Söhne Thorn, der Heißsporn, und Fandor, der Vorsichtige, ritten in die Welt hinaus. Als was würden sie wohl heimkehren?

      Am Morgen war Neuschnee gefallen in den mächtigen Bergen des Himmelsmassivs, und Brom von Bordur ließ den Männern kaum Zeit zu frühstücken. Sie hatten sowieso nur noch wenige Vorräte dabei, die Brote wurden knapp und das Dörrfleisch auch. Es war an der Zeit, das zu finden, weswegen sie diese beschwerliche Reise auf sich genommen hatten.

      Malvin, der schlecht geschlafen hatte, schritt, ein wenig besser gelaunt als am Abend zuvor, auf Brom zu. „Glaubt Ihr, wir stoßen heute auf das Dorf?“

      Brom nickte. „Ja, es kann nicht mehr weit sein. Ich denke, wir werden noch vor Hochsonn dort sein.“

      Malvin sah Brom ins ernste Gesicht. Dann wandte er seinen Blick zu Boden. „Was erwartet Ihr dort zu finden, Brom? Ich meine, im Ernst.“

      Der Wachmann zuckte die Achseln, sein Blick verfinsterte sich. „Auf jeden Fall ein zerstörtes Dorf. Vielleicht ein paar Tote. Wir werden es bald wissen, Edler Malvin.“ Er verbeugte sich leicht. „Wir sollten aufbrechen, es sieht nach noch mehr Schnee aus. Und das im Jul“, brummte er, schon sein Pferd sattelnd.

      Malvin folgte ohne weitere Worte. Brom leitete die Stadtgarde. Dass Malvin hier mitritt, war bloße Politik. Zu glauben, dass er tatsächlich dazu in der Lage sei, einen solchen Kundschafterritt anzuführen, war der blanke Hohn. Er war Brom dankbar, dass ihn dieser nicht offen spüren ließ, was er von Malvin und seinen Führungsqualitäten hielt. Sie saßen auf.

      Gegen Mittag erreichten sie, wie Brom vorhergesagt hatte, das Bergdorf. Es hätte nicht schlimmer sein können. Langsam ritten sie Mann hinter Mann den schmalen Pfad in das Dorf hinein. Es stand keine Hütte mehr. Die ehemaligen Dorfbewohner waren allesamt überrascht worden. Sie bargen knapp fünfzig Tote von den Pfaden und aus den niedergebrannten Häusern. Es gab keinen Zweifel mehr. Die Gerüchte besagten alle die Wahrheit. Die schwarzen Reiter waren wieder unterwegs.

      Die Männer waren äußerst schweigsam, und die Stimmung war sehr gedrückt. Keiner von den Stadtgardisten hatte in seinem Leben schon an einem echten Kampf teilgenommen, geschweige denn gewaltsam vergossenes Blut gesehen. Sie alle hatten die ausgezeichnete Kampfausbildung im Kloster El Om durchlaufen und waren die Besten ihrer Ausbildungseinheiten gewesen. Aber das war etwas ganz anderes als echter Krieg mit echten Toten.

      Keiner, der an jenem Tag das schreckliche Gemetzel im Bergdorf sah, würde es je wieder vergessen können.

      Schweigend setzten sie die geborgenen Leichen auf dem Dorffriedhof unter den wortkargen Anweisungen Brom von Bordurs in einer großen Gruft aus aufgeschichteten Steinen bei.

      Malvin hielt sich heraus. Er hätte sowieso kein Wort über die Lippen gebracht, seine Kehle war wie zugeschnürt. Nachdem die Männer der Stadtgarde den Bewohnern die letzte Ehre erwiesen und ein kurzes Gebet gesungen hatten, verließen sie, so schnell es ging, wieder die Berge. Der Abstieg würde noch lange genug dauern, und außerdem waren alle mehr als nervös.

      Irgendwo