Typ 1. Matthias Krügel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Krügel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748504535
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in die E-Mail. „Er schreibt: Sich in den Bergen zu bewegen, möglichst über mehr als einen Tag. Das hört sich nach einer Hüttentour an. Manfred, kannst Du kurz recherchieren, ob es im Umfeld von Oberstdorf Schutzhütten gibt?“

      „Moment... nach Angaben im Internet befinden sich im Umfeld von Oberstdorf elf solcher Schutzhütten mit Übernachtungsmöglichkeit.“

      „Gut. Er hatte nur ein paar Tage Urlaub. Folglich dürfte die Tour nicht länger ausfallen. Sofern die nötigen Informationen zügig geliefert werden. Wir haben vorliegend bereits eine Zeitspanne von 36 Stunden.“

      Strunz beugt sich vor. „Ok. Wann kannst Du starten?“

      Vier Augenpaare richten sich auf Julia, die nur den Blick von Strunz erwidert. Ihre Wanderleidenschaft ist den anderen bekannt, auch wenn sie das nicht offensiv kommuniziert. Aber aus üblichen Gesprächen, wie wo der Urlaub war, ist es kein Geheimnis, dass sie sich immer wieder gerne für einige Tage in den Bergen von Hütte zu Hütte bewegt.

      „Ich müsste nur packen, bräuchte nichts beschaffen. Das könnte schnell gehen.“

      „Siehst Du Dich in der Lage, die Zeit einzuhalten? Die 36 Stunden laufen morgen früh um 8 Uhr ab. Vor Ort in den Bergen, nicht hier. Wahrscheinlich geht es dann zügig weiter.“

      Nach der schmalen schwarzen Smartwatch an Julias Handgelenk ist es kurz vor Neun. „Oberstdorf liegt auf dieser Seite der Alpen, das müsste bis heute Abend zu schaffen sein, wenn nichts dazwischen kommt.“

      Schneider gibt Daten in seinem Tablet ein. „Von hier nach Oberstdorf sind es 6 Stunden, 47 Minuten, ohne Verkehrsbeeinträchtigung oder Pause.“

      Strunz nickt. „Gut. Julia, Du machst Dich auf den Weg. Alex, Du nimmst mit der örtlichen Polizei Kontakt auf und sprichst Julias Besuch ab, mit der Bitte um Unterstützung, soweit möglich. Manfred, wie sind die Zuständigkeiten bezüglich Oberstdorf?“

      „Landkreis Oberallgäu, Verwaltungssitz ist Sonthofen. Die sind hinsichtlich der Polizeistrukturen dort anders organisiert als wir in Nordrhein-Westfalen, also keine Kreispolizeibehörde. Es gibt in Oberstdorf und Sonthofen lediglich sogenannte Polizeiinspektionen. In Kempten befindet sich das Polizeipräsidium Schwaben Süd-West des Landes Bayern, an welches wir uns wenden müssen.“

      „Gibt es sonst noch etwas zu klären?“

      Alle schütteln den Kopf, auch Julia. So schnell kommt sie zu einer Hüttentour, verbunden mit einem besonderen Geocaching. Wenn es weiter nichts ist. Zumindest denkt sie sich das im Moment nach den ihr vorliegenden Informationen.

      Julia kommt kurz vor Mittag an ihrem Haus in einem angrenzenden Ortsteil von Borken an. Sie hat ihre Dienstwaffe und Handschellen dabei. In der Polizeistation hat sie sich von Manfred Schneider zudem mit einem Tablet mit eigener SIM-Karte ausstatten lassen. Viel zu besprechen gab es nicht mehr. Unterwegs hat sie sich bei einem Discounter ein paar Müsli-Riegel und Kekse als Reiseproviant besorgt.

      Sie bewohnt ein freistehendes Einfamilienhaus mit angebauter Garage. Ihr Polizeigehalt allein hätte dafür nicht gereicht, aber die Lebensversicherung ihres verstorbenen Lebensgefährten hat es ihr möglich gemacht, ihren Traum von einem Eigenheim zu verwirklichen. Bereits vom Elternhaus aus ist sie es gewohnt, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Sich im und um das Haus herum mit anderen abstimmen zu müssen, missfällt ihr. Gerne hätte sie den Hausbau mit ihrem Lebensgefährten realisiert, aber das Schicksal hatte andere Pläne.

      Über eine Fernbedienung öffnet sie das Garagentor und stellt den Wagen ein. Sie erreicht das Haus über eine Zwischentür zum Hauswirtschaftsraum, um von dort in den kleinen Flur mit einer offenen Treppe in das Obergeschoss zu gelangen. Sie betritt kurz das Wohnzimmer, das nach Süden und Westen mit großen Fenstertüren versehen ist. Es ist niemand da. Kein Mensch, kein Tier, von vereinzelten kleinen Wollmäusen abgesehen. Ansonsten ein paar Pflanzen, im Haus und natürlich im Garten. Sie blickt kurz auf ihr Telefon. Dieses zeigt keine entgangenen Anrufe an. Sie geht zurück in den Flur, über die Treppe nach oben. Dort befinden sich zu den Giebelseiten jeweils zwei Zimmer. Auf der einen Seite Badezimmer und Schlafzimmer, auf der anderen Seite ein Büro und ein leerstehender Raum. Die Treppe führt weiter in den Spitzboden; dort ist neben dem Heizungsraum ein weiteres Zimmer, ihr sogenannter „Snoozle-Raum“, ausgestattet mit Matratzen, Kissen, einer Musikanlage und einem großen Lichternetz. Zur Entspannung, nur für sie allein.

      Sie begibt sich in ihr Schlafzimmer und entschließt sich, einen Trolley mit normaler Kleidung und den Rucksack mit kompletter Hüttentour-Ausstattung zu packen. Mit dem Trolley ist sie schnell fertig, mit dem Rucksack dauert es länger, da es vieler Kleinigkeiten bedarf, die in der Bergwelt fern von jeglichen Geschäften nicht fehlen dürfen. Zum Schluss ein kurzer Kontrollblick durch die Wohnung, ein kurzes Verharren, ob sie vergessen hat, etwas auszuschalten oder einzupacken, aber ihr fällt nichts mehr ein. Sofern nicht jemand einbricht, ein schweres Unwetter alles verwüstet oder ein Erdbeben das Haus zum Einsturz bringen lässt, wird sie es genauso vorfinden, wie sie es gleich verlassen haben wird. Wann immer das sein wird.

      Julia macht sich auf den Weg zum Auto, Trolley und Rucksack sind schnell verstaut. Sie gibt das Ziel im Navigationsgerät ein: Oberstdorf. Geschätzte Fahrzeit: Sieben Stunden; geschätzte Ankunftszeit: 19 Uhr. Das wird sie nicht halten können, da sie im Berufsverkehr landen und Pausen machen wird. Zu spät soll es auch nicht werden.

      Ein wenig realisiert sie, was da gerade abläuft: Da macht sie mal eben einen Kurztrip in die Berge, gesponsert vom Staat, die Zeit dienstlich. Hoffentlich hat sich dieser Kevin Schulte vor seinem Tod eine schöne Tour ausgedacht. Und wenn alles aufgeklärt ist, kann sie vielleicht ein paar Tage für eine eigene private Wanderung dranhängen. In den Alpen hat sie so manche Touren unternommen, aber noch keine im Allgäu. Sie startet den Wagen. Nach einer viertel Stunde ist sie auf der A 31, der ersten von mehreren Autobahnen, und gleitet auf der linken Fahrspur zügig gen Süden dahin.

      In Höhe von Düsseldorf erreicht sie ein Anruf von Alexander Stenzel, den sie mit der Freisprecheinrichtung annimmt.

      „Hi, Alex.“

      „Hi, Julia. Mit dem Polizeipräsidium in Kempten habe ich alles klären können. Man hält dort nicht viel von einer Schatzsuche. Da wahrscheinlich ein Mordfall dahinter steckt, konnte ich sie überzeugen. Aufgrund des zu erwartenden Ausfluges in die Berge wird Dir eine Mitarbeiterin der alpinen Einsatzgruppe Allgäu zugeteilt.“

      „Alpine Einsatzgruppe? Gehört die zur Polizei?“

      „Ja. In Bayern eine Form der Spezialeinheit, neben Spezialeinsatzkommandos oder mobilen Einsatzkommandos. Die Beamten werden je nach Lage als Gruppe oder wie in Deinem Fall einzeln eingesetzt. Das Einsatzgebiet liegt im alpinen oder sonst schwer zugänglichen Gelände.“

      Julia hakt nach. „Du sagtest, mir ist dort jemand zugeteilt?“

      „Eine Frau Rosalia Mancini wird Dich in Empfang nehmen. Sie arbeitet üblicherweise in der Polizeidienststelle in Sonthofen. Die Kontaktdaten sende ich Dir auf Dein Smartphone. Melde Dich bei ihr, wenn Du eine halbe Stunde vor Sonthofen bist. Ihr trefft Euch dort und nicht erst weiter südlich in Oberstdorf. Sie kümmern sich zwischenzeitlich für Dich um eine Unterkunft.“

      „Vielen Dank, Alex. Sonst irgendetwas Neues?“

      „Nein, nichts. Es ist völlig schleierhaft, was sich in der Wohnung von Kevin Schulte aus welchen Gründen abgespielt hat. Wir sind auf Deine Erkenntnisse in den Bergen angewiesen. Hoffentlich helfen sie entscheidend weiter. Viel Glück und weiter gute Reise!“

      Julia legt auf und rauscht weiter Richtung Süden, auf die Alpen zu. Im Audiosystem wechselt sie wieder auf den Sender 1Live. Der laufende Syntpop ist nicht mit einem durchgehenden Bass, sondern von Ansätzen einer Samba unterlegt. Das Lied gefällt ihr und führt zu einer Lautstärke knapp unter der Schmerzgrenze.

      Ein paar Kilometer