Auf dem Beobachtungsbaum auf dem Nachbargrundstück von Frau Spritzer sitzen jetzt erstaunlich viele Katzen und schauen gespannt auf das Haus und das künstlerische Bodenkunstwerk. Wenige Minuten später kommt Frau Spritzer aus dem Haus. Aufgerissene Augen, Brille absetzen, Kopf schütteln, unidentifizierbare Töne entspringen dem Mund, Brille wieder aufsetzen, erneutes, noch heftigeres Kopfschütteln, Brille absetzen, mit dem Taschentusch die Brillengläser reinigen, Aufsetzen der Brille, leichtes Kopfschütteln, noch weiter aufgerissene Augen, ein Tiefer Seufzer, dann ein Hinsinken auf den Boden. Frau Spritzer ist bedient. Im Sitzen schaut sie sich noch einige Zeit die Süßkirschen-Verzierungen an und zieht sich dann fluchtartig ins Haus zurück. Fast empfinde ich sogar so etwas wie Mitleid, aber wenn ich daran denke wie sie mit dem Wasserstrahl meine Artgenossen attackiert und von den Mauern herunterschießt, werden meine Augen hart und ich bin von unserer Aktion wieder mehr als überzeugt. An diesem Tag, und an vielen weiteren, haben die Vögel und andere Tiere keine Spritzattacken zu befürchten, denn Frau Spritzer bleibt für einige Wochen in ihrer Wohnung, bis eines Tages ein Reinigungstrupp vorbeikommt und mit Hochdruckgeräten und Reinigungsmitteln die kunstvolle Aktionsgestaltung vom Untergrund entfernt. Darüber kann ich nur mein Bedauern ausdrücken, denn das Kunstwerk hätte bestimmt in einem Museum für Moderne Kunst, einen würdigen Platz, an exponierter Stelle, bekommen können. Aber durch die Beseitigung der Farben und Muster ist das leider nicht mehr möglich. So kann man auch ein lohnendes Geschäft durch den Verkauf von Kunst zunichte machen. Arme Frau Spritzer.
08: Die bewachte Bettdecke:
Es ist in manchen Haushalten üblich nach dem Aufstehen, die Bettdecken zum Lüften, teilweise aus dem Fenster, oder über das Balkongeländer zu hängen. Als ich im Herbst, morgens an einem Haus, mit einem niedrigen Balkon vorüberkomme, scheinen die Bewohner bereits die Wohnung verlassen zu haben, denn es brennt kein Licht. Der Aufbruch scheint auch etwas eilig gewesen zu sein, denn zwei weiße Bettdecken hängen immer noch über dem niedrigen Balkongeländer und sind nicht ins Zimmer zurückgelegt worden. Eine der Bettdecken hat so herrliche Fransen auf dem Baumwollüberzug und die bewegen sich im leichten Wind.
Zuerst will ich daran vorbeilaufen, aber mit den wehenden Fransen kann man bestimmt ein spaßiges Spiel treiben. Zunächst versuche ich mit einer Pfote einige wehende Fransen zu erwischen, die sind aber zu weit vom Boden entfernt. Also auf beide Hinterbeine stellen und beide Pfoten nach oben krallen. Nur den äußerste Rand einiger Fransen kann ich damit leicht berühren. Jedoch nach dem Hochspringen und dem Festkrallen an der Bettdecke, ist ein optimaler Haltekontakt hergestellt. Ich hänge jetzt ganz an der Bettdecke und durch meinen heftigen Absprung habe ich auch die Bettdecke stärker in Bewegung gesetzt und so schaukele ich mit der Bettdecke einige Zeit hin und her. Als dann die Schaukelbewegungen nachlassen, löse ich mich und springe erneut hoch, damit die nächsten Schwebevorgänge umgesetzt werden können. Hinwippen, zurück schwingen, das macht einen Heidenspaß. Ich schwinge hin und her, fast könnte man meinen Tarzan würde sich auf Lianen durch den Dschungel fortbewegen. Eine weiße Bettdecke, mit einem daran schwingenden, schwarzen Maine Coon Kater, wie toll ist das denn? Ein eindrucksvolles Bild: Schweben, gleiten, wie ein Pendel in der Uhr schwingen, die Geschwindigkeit ist berauschend und immer rasantere Amplituden machen mir sichtlich Freude. Irgendwann einmal scheine ich aber doch mit zu viel Schwung zu agieren, oder die Bettdecke ist einfach nicht fest genug aufgehängt worden. Sei es wie es will: Die Fransen-Bettdecke löst sich komplett und fällt mit mir nach unten. Ich löse meine Krallen sofort aus dem Stoff und komme ohne Probleme auf dem Boden an. Nur wenige Schritte von mir entfernt liegt jetzt auch die Bettdecke auf dem Boden. Jetzt steigt auch ein angenehmer Geruch aus dem Bettutensil heraus. Die Besitzerin dieser Bettdecke benutzt ein feines, zurückhaltendes, wohlriechendes Parfüm. Ich überlege die weiteren Schritte: Die Wohnungsinhaber scheinen nicht da zu sein. Die Bettdecke kann ich aber ganz ohne Bewachung auch nicht auf dem Boden liegen lassen, denn bestimmt wird sie dann gestohlen. Etwas müde bin ich auch. Als Quintessenz dieser Überlegungen habe ich mich dann auf der am Boden liegenden Bettdecke eingekuschelt und geschlafen. Sollte wirklich jemand versuchen sich die Decke anzueignen, werde ich das zu verhindern wissen. Meine Müdigkeit und der vorteilhafte Geruch auf der Decke führen dazu, dass ich schon nach kurzer Zeit eingeschlafen bin. Erst am späten Nachmittag ist dann die Wohnungsinhaberin mit einem Auto angekommen. Statt mich sanft zu wecken und dann die Decke wieder an sich zu nehmen, hat sie zuerst ein Foto mit mir und der Bettdecke gemacht und sofort, unerlaubterweise, im Netz verbreitet. Danach werkelt sie in ihrer Einkaufstasche herum und holt ein Stück geräucherten Heilbutt heraus, den sie mir vor die Nase hält. Das Wasser ist mir im Munde zusammengeflossen und die nahe Anwesenheit eines Menschen hat mich aus dem Schlaf gerissen. Hellwach überlege ich mir das Tauschangebot: Eine Bettdecke, die mir nicht gehört und die ich mir kurzfristig als Unterlage für meine Bewachertätigkeit ausgeliehen habe, gegen ein bestimmt wohlschmeckendes Stück Heilbutt. Der Austausch für meine kostbare Liegestätte hat dann rasch stattgefunden: Ehemals weiße Bettdecke gegen das Stück Fisch. Wie sie meine Haare aus dem Überzug bekommen hat ist mir nicht bekannt, aber vielleicht hat sie die auch drinnen gelassen, weil auch Katzen einen feinen Eigengeruch haben, der äußerst inspirierend für Menschen sein kann.
09: Gisela und der Giftgasalarm:
Gisela, eine fast 80 Jahre alte, ehemalige Lehrerin und ihr Malteserhund Maxl, wohnen in der 2.Querstraße und gehören auch zu meinem bevorzugten Freundeskreis. Als ich kurz vor Weihnachten bei ihnen miaue um „nach dem Rechten zu sehen“ (Gisela ist schließlich schon ein älteres Semester und hat manchmal gesundheitliche Probleme), öffnet mir eine lachende Ex-Pädagogin, die Tränen aus den Augenwinkeln wischt. „Hallo Coon, schön dass du da bist, gerade eben habe ich wieder einmal eine typische Aktion unserer Politiker mitbekommen: Der baden-württembergische Umweltminister, natürlich ein „Grüner“, hat an seine Parteifreundin in Bremen, die dort ebenfalls Umweltminister ist, einen Brief geschrieben. Wenn man gewohnt ist, dass man von seinen Mitarbeitern, die Hand aus der Sonne gelegt bekommt, wenn die Sonneneinwirkung zu groß ist, ist man auch zu bequem einen Absender auf den Brief zu schreiben. Im Brief war noch ein Tütchen mit Blumensamen enthalten. Die Bremer Umweltministerin, offensichtlich voller Misstrauen gegen alle und jedes, und besonders gegen einen geheimnisvollen Brief mit ungewissem Inhalt, hat dann einen Giftalarm ausgelöst. Die Bundespolizei, die Feuerwehr und zusätzlich auch noch die normale Polizei mussten anrücken. Das Behördenhochhaus wurde weiträumig abgesperrt. In Schutzanzügen waren die sachkompetenten Spezialisten vor Ort und haben den geheimnisvollen Brief vorsichtig geöffnet. Der Inhalt war dann die Weihnachtskarte des Amtskollegen aus Stuttgart und sein Samentütchen für die Schmetterlinge und Wildbienen. Die Kosten dieser ganzen Aktion will man jetzt aber wieder mal der Allgemeinheit, statt dem gedankenlosen Absender aufbrummen. Ob die Allgemeinheit auch die Kosten eines Einsatzes von Bundespolizei und Feuerwehr begleichen würde, wenn kein Politiker diesen Brief mit fehlendem Absender losgeschickt hätte, sondern ein ganz normaler Bürger?
Wieder einmal zweierlei Recht in unserem Land. Ich kann nur sagen, es zeigt sich immer mehr wo die Auswirkungen der ehemaligen 68ziger feststellbar sind. Die antiautoritäre Erziehung hat scheinbar ebenfalls einige gewaltige Auswüchse entstehen lassen“.
Ich schmunzele wegen dieser Geschichte. Wenn man die vorab geschrieben hätte, würde sie als Phantasie eingestuft werden. Doch wieder einmal zeigt sich: Die Realität überholt locker das Reich der Phantasie. Gisela hat sich, Maxl und mir noch etwas zum Essen, in der Pfanne zubereitet und gemeinsam haben wir dann den Pfanneninhalt geleert. Unterbrochen wird das Schmatzen immer mal wieder durch ein glucksendes Lachen von Gisela, wenn sie an den unglaublichen Einsatz von Polizei, Giftspezialisten und Bundespolizei denkt. Ob die Blumensamen in dem Tütchen nach den Untersuchungen noch brauchbar waren und ausgesät werden konnten, wurde nicht nachgefragt.