Soeben verlassen Rudy und Hans das Haus, ihre Schlüssel halten sie fest in den Händen. Der übernächtigte Manfred begleitet sie auf die Straße zu ihren Fahrzeugen. Rudy meint: „Wenn es wirklich Dein Kater war der unsere Schlüssel versteckt hat und jetzt wieder beigebracht hat, dann sage ihm unseren Dank, denn vielleicht hätten wir sonst leichtfertig doch noch das Auto benutzt und wären in einen Unfall, mit Personenschaden, verwickelt worden. Vom Verlust des Führerscheins einmal ganz abgesehen. Hans und ich werden auf jeden Fall in den nächsten Tagen ein gutes Filetstück bei Metzger Josef einkaufen und für Euren Kater vorbeibringen“. Hans nickt zustimmend, aber Manfred schüttelt verneinend den Kopf: „Braucht Ihr wirklich nicht, der Kater ist fett genug“!
Aus meinem Versteck kann ich die Szenerie gut hören und sehen und denke etwas unwirsch: „Manfred, kümmere Dich besser um Deinen dicken Kopf, als Entscheidungen zu meinem Nachteil zu fällen – vor allen Dingen wenn ich keine Möglichkeit habe meine Wünsche in einer Diskussion mit einfließen zu lassen. Rudy und Hans winken Manfred noch zum Abschied aus ihren Fahrzeugen zu. Jetzt kommt noch der Rest der Alkoholgeschädigten herausgewankt, eine Hand an der Stirne, die andere Hand umschließt fest die Schlüssel, als wollten sie diese nie mehr loslassen. Nach kurzen Abschiedsumarmungen mit Manfred fahren sie vorsichtig ab. Manfred geht ins Haus zurück, denn er muss noch einige Freunde anrufen, die in der Nacht abgezogen sind, obwohl sie keinen Schlüssel hatten. Zufrieden schreite ich durch die Katzenklappe in mein Domizil und bin fast erschlagen, als ich durch eine Mauer von verschiedenen Gasen und Ausdünstungen nach Erbrochenem durchlaufe. Die Unordnung überall fällt sofort auf und verschüttet müssen die Rabauken auch einige Getränke haben, denn der Boden klebt als ich darüber laufen will.
Meine Futterschüssel ist auch leer und als mich Manfred sieht, knurrt er biestig: „Verdammter Kater, musstest du die Schlüssel meiner Freunde verstecken? Wir haben die ganze Nacht danach vergeblich gesucht“! Ich winke mit einer Pfote ab, denn wieder einmal zeigt sich: „Undank ist der Welt Lohn“! Statt sich bei mir, für meine Umsicht zu bedanken werde ich auch noch geschimpft – und das auf nüchternem Magen. Ich überlege kurz ob ich ihm dafür noch schnell einen Streich spielen soll, aber es ergibt sich dafür bestimmt einmal ein besserer Zeitpunkt. Manfred wirft mir weiter zornige Blicke zu, denn seine Freunde haben eine gewaltige Unordnung und einen würzigen Geruch im Haus hinterlassen und der muss rasch aus den Räumlichkeiten entweichen, noch bevor Martina zurückkommt. Wenn diese Sauerei nicht umgehend beseitigt wird, kann sich Manfred, für den Rest des Wochenendes, schon auf kräftige Rüffel von Martina einstellen.
Doch Manfred ist so richtig in Rage und schimpft weiter hinter mir her, während ich sein Handy sehe und unbemerkt die Taste für die Direktverbindung mit Martina drücke. So, mein lieber Manfred, denke ich mir, jetzt schimpfe nur heftig weiter, Martina wird aus Deinen Verwünschungen, mit Sicherheit, die richtigen Schlüsse ziehen und sofort nach Hause kommen! Ich laufe langsam in die Küche, Manfred folgt mir, dann spiele ich mit dem leeren Futternapf. Manfred schilt weiter: „Blöder Kater, glaubst du wirklich du bekommst jetzt auch nur ein Stückchen zu Fressen? Und sieh mal was für ein Chaos hier drin herrscht! Und die Autoschlüssel meiner Freunde zu verstecken, es ist doch deren Angelegenheit ob sie Autofahren wenn sie gesoffen haben“!
Ich denke mir: Manfred, was für eine Sorte von „Freund“ bist denn du? Würdest Unfälle in Kauf nehmen weil du nicht bereit bist einen Freund vor sich selbst zu schützen? Ein Glück nur, dass die direkte Telefonverbindung zu Martina steht und sie alles „live“ mitbekommt. Ich marschiere langsam vor Manfred her und der steigert sich in seiner Wut. Der Gebrauch von Schimpfwörtern für mich wird immer heftiger, aber das kümmert mich überhaupt nicht, denn schließlich wird jetzt alles „live“ gesendet und die Quittung für die Beleidigungen wird Manfred schon bald erhalten.
Ich gehe langsam zurück in Richtung Wohnzimmer, dann höre ich auch schon ein schnelles Auto die Straße hochkommen, vor meinem Domizil abbremsen, Türenschlagen, - und schon wird die Haustüre aufgeschlossen und eine zornige Martina kommt herein gerannt. Ihre Freundin Gaby folgt langsam, mit einigem Abstand. Als Martina mit Manfred zusammentrifft, bin ich rasch durch die offene Haustüre ins Freie gelaufen, denn ab jetzt wird im Haus eine andere Lautstärke herrschen und ich will mir schließlich nicht mein Gehör versauen. Schon nach kurzer Zeit werden die Fenster aufgerissen und das Gezänke ist unüberhörbar. Martina schreit empört: „Was glaubst Du, wer diesen Saustall wieder sauber macht? Bist Du denn von allen guten Geistern verlassen hier eine Sauforgie zu veranstalten? Hier drin stinkt es richtig eklig, nach Erbrochenem und Schnaps“! Und jetzt kann ich sogar Manfred antworten hören: „Es ist Whisky, kein Schnaps“! Martina scheint die Schnappatmung zu bekommen und herrscht Manfred an: „Ich fahre jetzt mit Gaby wieder weg. Mach bloß alles sauber und lüfte, damit der Gestank aus dem Haus kommt. Morgen komme ich wieder und dann ist hier alles tipp topp, oder Du kannst mich mal richtig kennenlernen“! Martina und Gaby steigen ins Auto ein und brausen davon, während ich einen verkniffenen, wütenden Manfred an einem der Fenster herausschauen sehe. Da kann ich aus meinem Versteck nur sagen: Na dann Prost, und hoch die Tassen! Mein Essen werde ich bestimmt auch nicht mehr bekommen. Dann fange ich mir nachher einfach eine Maus oder eine Ratte, überhaupt kein Problem für mich.
02: Frau Spritzer:
Ob der tatsächliche Name von Frau Spritzer, auf Frau Müller, Maier oder Schulze lautet, interessiert in Tierkreisen wahrlich kein Schwein. Sie hat einfach den Namen Frau Spritzer von der Gemeinschaft der Vögel und vierbeinigen Lebewesen „verliehen“ bekommen. Es ist kein Ehrennamen, denn Frau Spritzer ist eine Tierhasserin und sie spritzt mit Hilfe eines Gartenschlauches sowohl Vögel, als auch Katzen von Bäumen und Mauern ihres Grundstückes. Ihr Grundstück ist in weiten Teilen mit Beton und Knochensteinen bedeckt und nur an wenigen Stellen sind grüne Vegetationsinseln vorhanden. Vögel mag die Frau nicht, denn die machen bereits früh am Morgen Krach und die Exkremente der Flugkünstler gelangen auch einmal auf den Boden oder eine Fensterscheibe. Hunde mag sie nicht, denn die Bellen und verschmutzen die Bürgersteige der Stadt, außerdem sind sie unhygienisch. Katzen mag sie auch nicht, denn die sind vorwiegend nachts unterwegs und in der Paarungszeit sehr laut. Es wundert mich dann auch nicht, dass Frau Spritzer auch keine Menschen mag, aber das beruht wohl auf Gegenseitigkeit, auch wenn sich das soziale Umfeld bemüht dies zu verheimlichen.
Wenn es irgendwie geht versucht man ihr nicht auf der Straße zu begegnen. Sollte man zur gleichen Zeit aus der Haustüre herauskommen, versuchen die Nachbarn so zu tun, als wenn sie etwas in ihrer Wohnung vergessen hätten, und deshalb nochmals dringend zurückmüssten. Eine andere Strategie ist, angeblich das Telefon im Haus gehört haben zu wollen und deshalb sofort wieder in die Wohnung zurückkehren zu müssen, obwohl man in Wirklichkeit nur noch ein Handy hat, und das hat man einstecken.
Wenn Frau Spritzer streng ihre Umgebung unter ihrer Brille heraus betrachtet, ist sie sehr auf Gewissenhaftigkeit bedacht. Fahrzeuge, auch der direkten Hausnachbarn, werden rigoros den Behörden gemeldet, wenn sie falsch parken, oder beispielsweise bei einem Umzug zu lange vor Häusern stehen. Das gleiche rigorose Verhalten legt sie an den Tag, wenn Einkäufe auszupacken sind, oder Koffer und andere Utensilien für ein verlängertes Wochenende oder einen Urlaub eingeladen werden.
Frau Spritzer kann also mit dem Begriff „Irenik“, für die Friedenslehre überhaupt nicht anfangen. Selbst der Pfarrer meidet sie so gut es geht, auch wenn sie immer wieder Blumen für die Kirche bringt. An diesen kleinen Beispielen sieht man: Sie ist eindeutig ein „immerwährender Quell der Freude“ und eine „überschwänglichen Begeisterung“ macht sich sofort bei ihrer Anwesenheit breit. Die strenge Frau hat ihre Umgebung am liebsten besenrein, besser noch antiseptisch, aber wenn wir gerade das Thema Sauberkeit betrachten, ihre menschliche Umgebung in der Pfalz behauptet, dass „sie nicht mehr ganz sauber ist“! Dieser Ausspruch