Das Familiengeheimnis. Peter Beuthner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Beuthner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093650
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siche­rer Aufbewahrung und Handhabung der synthetischen Organismen gibt es ein ausgeklü­geltes System von vielerlei Sicherheits­überprüfungen. In jedem Fall hat die Fra­ge der Sicher­heit für uns die allerhöchste Priorität, das können Sie mir glauben. Es gibt im übrigen seit langem international verbindliche Vorschriften und Sicherheits­bestimmungen zum Umgang mit synthetischen Organismen – vom Design über die Realisierung bis zur An­wendung; und selbstverständlich auch zum Schutz des Know-hows und der Daten­banken.“

      „Hört sich gut an. Aber soweit ich mich erinnere, hat es auch schon mal einen erfolgreichen Angriff von Bio-Hackern auf die Gen-Datenbanken gegeben. Die haben zwar keinen Scha­den mit ihrem geklauten Wissen angerichtet, aber sie haben gezeigt, daß die Datenbanken eben doch nicht sicher sind, daß dieses Wissen nicht gut genug geschützt ist. Und wenn die das können, dann könnten vielleicht auch Terroristen das schaffen.“

      „Das war noch in der Anfangszeit, als auch das damalige Internet nicht sicher war und in viel­fältiger Weise mißbraucht wurde. Da sind inzwischen etliche Riegel vorgeschoben, spe­ziell seit Implementierung des WorldNet. Seitdem hat es meines Wissens keine Netz­inva­soren mehr gegeben.“

      „Ja, das WorldNet ist eine gute und sehr sichere Einrichtung. Aber wie schützen Sie sich gegen Insider mit bösen Absichten?“

      „Naja, das ist natürlich immer und überall ein generelles Problem. Sie können die Leute ‚ver­gat­tern‘, was wir tun. Die müssen alle eine entsprechende Verpflichtungserklärung, wie Sie das aus dem Bereich der Sicherungs- und Verteidigungstechnik kennen, unterschreiben. Aber das nutzt letztlich auch nichts, wenn jemand, aus welchen Gründen auch immer, böse Ab­sich­ten im Schilde führt. Spione und Saboteure muß man erst mal erkennen, bevor man ihrer habhaft werden kann.“

      „Es bleibt also ein Restrisiko?!“

      „Wie überall. Vollständige Sicherheit gibt’s nun mal nicht.“

      „Entscheidend sind aber die möglichen Folgen. In Ihrem Metier können sie tödlich sein.“

      „Womit wir wieder am Anfang Ihrer Fragestellung wären. Ich kann mich nur wiederholen: Wir tun alles Nötige und Mögliche, um Fehler zu vermeiden und Mißbräuche zu verhindern. Un­mög­liches können wir nicht leisten.“

      Qiang überlegte: Sollte er weiter insistieren? Das Thema Sicherheit strapazieren? Aber was soll­te dabei noch herauskommen? War nicht eigentlich schon alles dazu gesagt? Sie würden sich doch nur im Kreise drehen mit ihrem Für und Wider. Interessanter wäre vielleicht eher noch zu erfahren, wie Herr Li zu Fragen der Ethik steht. Schließlich beschäftigt er sich mit der Schaf­fung völlig oder teilweise synthetisierter biologischer Systeme, die mit den her­kömm­lichen natürlichen Lebensformen nur wenig bis gar nichts gemein haben. Wie ordnet er seine ‚Kunstobjekte’ ein zwischen Lebewesen und Maschine? Sind es für ihn also den natür­lichen, durch Evolution entstandenen Organismen vergleichbare artifizielle biologische Sys­teme oder betrachtet er sie lediglich als reine Biomaschinen für definierte Aufgaben oder sind sie für ihn irgend etwas dazwischen? Wo zieht er die Grenzen? Wo beginnt und wo endet für ihn Leben, also wie definiert er Leben überhaupt? Und was ist für ihn schützens- und bewahrenswert, nur die natürlichen oder auch die artifiziellen Lebensformen? Ist es unter dem Gesichtspunkt der Ethik überhaupt vertretbar, in das Leben einzugreifen und die weitere Evolution nach dem Nutz­wert für den Menschen selbst zu steuern?

      Dazu fielen mir noch eine ganze Reihe weiterer Fragen ein, dachte er sich. Die sicherheits­relevanten und ethischen Aspekte der Synthetischen Biologie schienen ihm noch nicht aus­reichend und abschließend geklärt. Jedenfalls fühlte er noch ein gewisses Unbehagen, so sehr er auf der anderen Seite die vielen damit verbundenen Vorteile auch schätzte. Und wo zieht der Professor eigentlich wirklich die Grenze seiner Arbeit, wenn er davon spricht, daß sich sein Arbeitsgebiet über alle Organisationsebenen der belebten Natur erstreckt, von der molekularen über die zelluläre bis hin zur Ebene höher entwickelter Organismen, wie er sich vorhin aus­drückte. Welche Ebene meinte er damit? Ist vielleicht doch auch der Mensch Objekt seiner Forschung mit den analytischen Methoden der Molekularbiologie und Moleku­lar­genetik? Da hat er sich eigentlich nicht so klar ausgedrückt vorhin, der Herr Professor, dachte Qiang. Das fiel ihm jetzt erst richtig auf. Da hätte er nochmal nachhaken müssen.

      Trotzdem wollte er jetzt nicht die ganze Diskussion nochmal von vorne beginnen und auch nicht mehr in eine sicherlich sehr lange dauernde Diskussion mit Herrn Li zum Thema Ethik ein­steigen, entschloß er sich, zumal die Zeit ohnehin schon weit fortgeschritten war, wie er gerade mit einem Blick auf die Uhr feststellte. Auch Herr Li schaute etwas verstohlen auf die Uhr, bemerkte er.

      So beließ er es dabei und bedankte sich noch einmal für die sehr interessanten Ausfüh­run­gen des Professors. Während der Professor Anstalten machte, zu gehen, tauschten sie noch ein paar Höflichkeiten aus und verabredeten ganz unverbindlich ein weiteres Gespräch, sobald sich dazu eine Gelegenheit ergebe. Dann verabschiedeten sie sich.

      Am Abend, nachdem seine Frau vom Partner-Begleitprogramm zurückgekehrt war, machten es sich die beiden noch etwas gemütlich im Wohnzimmer und tauschten ihre Tageserleb­nisse aus.

      „Na, habt ihr euch gut unterhalten?“ fragte Chan ihren Mann.

      „Das haben wir. Herr Li war so freundlich, mir von seiner Arbeit zu erzählen. Die vielfältigen neuen, synthetischen Organismen, die da mit ingenieurwissenschaftlichen Methoden ent­wickelt und in großindustriellem Maßstab produziert werden, sind ja inzwischen schon ein Milliardengeschäft! Beeindruckend, wirklich!“

      „Beeindruckend, ja. Aber habt ihr auch über die Risiken gesprochen?“

      „Die habe ich natürlich angesprochen. Aber darauf reagierte er für meine Begriffe etwas aus­weichend oder besser: abwimmelnd. Er ist der Meinung, Null-Risiko gebe es nicht, aber es seien jedenfalls genügend Sicherheitsmaßnahmen getroffen.“

      „Hat er dir auch von den Bio-Hackern erzählt?“

      „Nein, das hat er nicht. Ich hatte, wie gesagt, den Eindruck, daß er über potentielle Risiken nicht gerne sprechen wollte. Deshalb habe ich da nicht lange insistiert.“

      „Naja, bisher ist ja glücklicherweise noch nicht allzuviel Schlimmes passiert. Aber die Gefahr des ‚Bioterrorismus‘ ist natürlich gegeben. Denn inzwischen kann ja jeder Hinz und Kunz in seinem Keller oder in der Garage damit herumexperimentieren, außer in Deutschland, wo solche Genmanipulationen außer­halb von Sicherheitslabors verboten sind. Die sogenannten Bio-Hacker bilden schon eine weltweite Community von Do-it-yourself-Biologen, und Gen­labor­­ausrüs­tun­gen sind leicht und preiswert zu bekommen. Da besteht natürlich schon die Gefahr, daß die beim Experimentieren mit DNA – absichtlich oder zufällig – auch neue, ge­fährliche Mikroben züchten. Schon seit 2009 wurde in den USA der Wettbewerb International Genetically Engineered Machines (iGEM) veranstaltet, bei dem Studenten­teams aus aller Welt jeweils einen Sommer lang mit gentechnischen Werkzeugen experimentieren. Denen kann man sicher keine bösen Absichten unterstellen, aber es zeigt, daß der Verbreitungsgrad die­ses Tuns unglaublich groß ist. Und schwarze Schafe gibt es überall.“

      „Du meinst also, wir haben es hier mit einer latenten Bedrohung zu tun?“

      „Wer weiß das schon. Wer kann denn in die Köpfe anderer Leute schauen? Jedenfalls kann man es doch nicht von vornherein ausschließen.“

      „Das ist zweifellos richtig.“

      „Und mindestens genauso beunruhigend – zumindest aus ethischer Sicht – finde ich den Gedanken, daß da überall orga­nisches Leben wie ein industrielles Produkt hergestellt wird. Und dabei überblickt doch keiner genau, was für Produkte da überhaupt alles entstehen? Wer garan­tiert uns denn, daß da nicht eines Tages so eine Art Frankenstein-Monster ent­steht? Wie will man eigentlich sicherstellen, daß das Ganze nicht einmal völlig aus dem Ruder läuft?“

      „Du meinst, es könnte bereits ein hochentwickeltes künstliches Lebewesen à la Frankenstein unter­wegs sein?“

      „Das will ich nicht hoffen! Aber was wissen wir denn? Wir haben keine