Narzisse. Jasmin Cools. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jasmin Cools
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752917741
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zur Hölle möchtest du von mir, Ronny Kruger?«

      Einen Moment lang war er fassungslos. Wie kalt sie wirkte. »Ich heiße Johnny. Aber, Rose, sag' ihnen bitte, dass wir zusammen sind.«

      Jetzt lachte sie laut auf. »Wir zusammen? Oh Johnny, du hast wohl zu viel Zeit beim Online-Gaming verbracht. Das ist so erbärmlich, wirklich. Kaum nehme ich bei dir Nachhilfe, erzählst du überall herum, wir wären zusammen? Ich gebe dir einen guten Tipp: Erzähl' keine Geschichten, sondern krieg' dein Leben auf die Reihe! Du tust mir wirklich leid.«

      Johnny stand mit geöffnetem Mund vor ihr. Das war nicht die Rose, die er kannte. Es war nicht die Rose, die er liebte. Jedes ihrer Worte hatte ihn getroffen wie ein Nadelstich. Plötzlich fühlte er sich umzingelt. Vor ihm stand Rose, hinter ihm die keifenden Mädchen, und die gesamte Klasse tuschelte über ihn. Sie zeigten mit dem Finger auf ihn, lachten ihn aus. Dazu Rose‘ grausamer Gesichtsausdruck. Plötzlich konnte er es nicht mehr ertragen. Ihm wurde schlecht. Er sah Rose noch einmal flehend an, erkannte aber, dass es keinen Sinn hatte.

      Johnny stürzte auf den Gang und erreichte gerade noch die Toilette. Dort schloss er sich in einer Kabine ein und übergab sich, bis er glaubte, das miese Gefühl losgeworden zu sein. Nach einer scheinbar ewigen Zeit ließ er seinen Kopf auf den Toilettensitz sinken und schluchzte so heftig, dass es ihn am ganzen Leib schüttelte. Womit hatte er das verdient? Er hatte Lügen erzählt, ja, aber doch nur aus Einsamkeit. Wie sollte er jemals zurück ins Klassenzimmer gehen können? Er hatte niemanden mehr. Als er an Rose dachte, krampfte sich sein Magen schmerzhaft zusammen. Gott, wie sehr er sie liebte. Und doch hatte sie ihn im Stich gelassen, als er sie am meisten gebraucht hatte.

      Er hörte, wie die Tür zum Waschraum aufging. Es klopfte an seiner Kabine. In Johnnys Kopf drehte sich alles. Schwach vom Schwindel zog er sich an der Klinke hoch, fuhr sich über den Mund und öffnete die Tür. Rose stand vor ihm. »Du bist kalkweiß. Komm ans Waschbecken!« Sie führte ihn hin. Im Spiegel sah er aus wie ein toter Mann.

      Nachdem er sich den Mund ausgespült hatte, sah er Rose an. »Du warst es? Du hast es allen erzählt?« Er wusste, dass es stimmte, noch bevor er die Frage zu Ende gestellt hatte.

      Rose nickte. In ihren Augen war nicht eine Spur von Reue zu sehen. »Du hast mir keine Wahl gelassen. Wenn du nicht zu meinen Bedingungen spielen kannst, dann verlierst du.« Er verstand kein Wort. »Ach Johnny, wenn du bloß keinem von uns erzählt hättest, dann wäre dir das alles hier erspart geblieben. Du wärst der glücklichste Kerl der Welt gewesen – bis zur Zeugnisvergabe.«

      Sie hatte ihn ausgenutzt. Die Erkenntnis traf Johnny wie eine kalte Welle. Beinahe wurde ihm wieder übel. Er sank zurück auf den Toilettensitz und vergrub sein Gesicht in den Händen. Die Tränen rannen nur so über sein Gesicht. Wieso tat sie ihm so etwas an? Jede Berührung, jeder Kuss, jedes Versprechen war gelogen gewesen. Er hatte sich geirrt. Nicht er war der König der Lügen, sondern Rose.

      »Das Leben geht weiter, irgendwann«, sagte Rose emotionslos und wandte sich zum Gehen. Als sie die Tür öffnete, sah er noch einmal auf und musterte ihre schlanke Figur, das lange Haar, verfolgte ihre Bewegung. Sie hatte ihm unendlich wehgetan, ihn verraten, sein Vertrauen missbraucht, ihn missbraucht. Und doch liebte er sie immer noch so sehr, dass es wehtat.

      Kapitel 9 – Jetzt – Zweifel

      Zu Hause ließ Rose sich ein Schaumbad ein. Noch immer war sie wütend über diesen Mann aus der Bar, der sie so gleichgültig behandelt hatte. Rose zwang sich zur Entspannung. Sie schlürfte ein Glas Champagner, ließ sich von leiser Norah-Jones-Musik einlullen und wäre beinahe eingeschlafen.

      Nach einer Stunde wickelte sie sich in ein Handtuch und setzte sich auf ihr Sofa. Sie sah sich in ihrer Wohnung um. Seit sie 17 Jahre alt war, lebte sie hier. Manchmal genoss sie die allumfassende Stille, die Einsamkeit, doch heute war sie erdrückend. Sie dachte darüber nach, eine Party zu geben, verwarf den Gedanken aber wieder. Vielleicht sollte sie nach Crumbville fahren. Beim Gedanken an die unterkühlte Miene ihrer Schwester, die stumpfen Augen ihrer Mutter und den glasigen Blick ihres Vaters wurde Rose übel. Nein, Crumbville war definitiv keine Option.

      Gelangweilt warf sie einen Blick auf ihr Mobiltelefon. Eine weitere Nachricht von Billy befand sich darauf. Sie widerstand dem Impuls, sie zu löschen, und hörte sie sich an. Der Gute klang inzwischen etwas verzweifelt. »Rose, ich bin‘s, Billy von gestern. Du fehlst mir unglaublich. Ich glaube, zwischen uns gibt es eine Verbindung. Ich denke, du könntest die Eine sein.«

      Sofort hellte sich Rose‘ Stimmung auf. Ein Verrückter mehr, der von ihr besessen war. Vielleicht konnte aus ihrem langweiligen Abend doch noch ein lustiger werden. Grinsend legte sie das Handy weg. Er würde wieder anrufen. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.

      Zehn Minuten später vibrierte ihr Telefon. Sie ließ es lange klingeln, bis sie endlich abhob. »Wer ist da?«

      »Oh Rose, endlich erreiche ich dich.«

      »Mit wem spreche ich?«

      »Billy, von gestern. Ich habe dir schon ein paar Mal auf die Mobilbox gesprochen.«

      Sie brummte nachdenklich, als würde sie angestrengt überlegen. Dann sagte sie: »Bedaure, ich erinnere mich nicht. Ich hatte gestern mehrere Verabredungen«. Sie musste in sich hineinlachen. Es war so einfach, Männer zu demütigen.

      Betretenes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Rose musste ihr Gesicht in das Sofakissen drücken, um nicht laut loszulachen. »Also, ich habe mich gefragt, ob du Lust hast, mit mir essen zu gehen…heute Abend.« Billys Stimme klang unsicher, verletzt. Rose‘ Worte hatten ihn getroffen.

      Versöhnlich sagte sie: »Gern. Wie wäre es mit Cocktails um 21 Uhr im Foxy? Hol‘ mich ab!« Sie legte auf, ohne seine Antwort abzuwarten. Er würde kommen. Rose machte sich eine Gesichtsmaske für das Shooting am nächsten Tag und legte sich wieder auf ihr Sofa.

      Ein Klingeln ließ sie aufschrecken. Der Blick auf ihr Handydisplay verriet, dass Josie anrief. Schwer seufzend nahm sie ab. »Schwesterherz, was gibt es?«

      »Spar‘ dir die Floskeln! Du weißt genau, was los ist. Ich brauche dich hier, Rose. Mum geht es immer schlechter. Sie hat heute gar nichts gegessen und starrt nur an die Wand. Sie schminkt sich nicht, sie wäscht sich nicht. Sie verwahrlost einfach.« Ihre Schwester klang wirklich verzweifelt. Es war ungewöhnlich für sie.

      Rose und Josie hatten einander noch nie um Hilfe gebeten. Die Schwestern hatten nichts als Verachtung füreinander übrig. Josie hatte Rose der Aufmerksamkeit ihrer Eltern beraubt. Sie war wie eine Fremde für Rose. Es spielte keine Rolle, was in ihrem Leben geschah, ob sie lebte oder tot war. Rose hatte sie nie etwas bedeutet. »Und nun?«, fragte sie ohne Rührung.

      Josie stockte. Rose war, als würde ihre Schwester ein kleines Schluchzen unterdrücken. »Hör mal, Rose. Ich weiß, du liebst mich nicht. Aber du bist immer noch meine Schwester, und ich brauche dich jetzt.«

      »Ich wüsste nicht, was ich tun könnte«, entgegnete Rose unwillig. Das Gespräch ging ihr gegen den Strich. Sie wagte es, einen Blick auf die Uhr zu werfen: 20.30 Uhr. »Komm bitte einfach her! Nimm‘ Dad die Whiskyflasche weg, schrei‘ Mum an, tu' irgendetwas, damit alles wieder normal wird!«

      »Das ist normal, Josie. Das sind unsere Eltern. Sieh es ein, und zieh aus!«

      »Ich werde sie nicht im Stich lassen, so wie du.«

      Rose stöhnte genervt auf. »Sie lassen DICH im Stich. Es wird Zeit, die Nabelschnur zu durchtrennen und so zu tun, als seien sie tot. Für mich sind sie das nämlich.« Josie verstummte am anderen Ende. Rose hörte nur noch ihren Atem. Es war, als wäre ihre Schwester in einer Art Schockstarre. »Hör‘ mal, ich bin verabredet zum Cocktail. Mach einfach, dass du da wegkommst.«

      »Tu‘ nicht so, als würdest du dich um mich scheren«, sagte Josie verbittert.

      Rose sah ihren Gesichtsausdruck förmlich vor sich. »Das tu‘ ich nicht. Ich gebe dir nur einen Rat.« Dann legte sie auf. Das Gespräch hatte sie mehr aufgewühlt, als sie es erwartet hatte. Zornig ging Rose ein paar Schritte