Neuanfang oder so ähnlich. M. E. Wuchty. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: M. E. Wuchty
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738021462
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Oh, ´Tschuldigung.

      „Nö, aber ich bemühe mich! Prost!“

      Damit verkrümelte ich mich wieder ins Wohnzimmer. So, wie er auf meine Äußerungen reagierte, hätte man meinen können, wir hatten ein ernsthaftes Date und ich machte absichtlich alle seine Annäherungsversuche zunichte. Wenn das seine Annahme war, hatte ich ein Problem – früher oder später. Aber vor allem war das genau das, was ich gerade so gar nicht brauchen konnte, oder?

      Eine Minute später kam er nach und so, wie es aussah, hatte er sich wieder beruhigt. Er grinste sogar schon wieder.

      „Warum grinst du?“ fragte ich.

      „Magst du Action-Filme?“ fragte er zurück. Warum klang das so nach Fangfrage?

      „Kommt drauf an. Wenn sie sich selbst zu ernst nehmen, nicht, und es richtet sich auch nach den Quadratzentimetern nackter Männerhaut, die man zu sehen bekommt. Gut trainiert, wenn möglich.“ Junge, glaubst du allen Ernstes, Frauen sehen sich so etwas nicht gern an? Bei seinem Gesichtsausdruck stieg mir schon wieder das Lachen im Hals auf. „Triple X fand ich ganz gut. Tomb Raider hat auch so seine Momente. Was hätten wir denn da noch?“

      „The Dark Knight?“ fragte er und er klang ein wenig ratlos.

      „Oh ja, sehr nett! Heath Ledger als Joker, sehenswert.“

      „Nett“, wiederholte er stimmlos und konnte nur noch den Kopf schütteln. Ich lachte erheitert auf. Offensichtlich durchkreuzte ich gerade seine Taktik und er suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Die Türklingel war seine Rettung.

      Während ich weiter im Wohnzimmer auf der Couch lümmelte, konnte ich ihn in der Küche mit Geschirr klappern hören. Nach einer Weile erhob ich meinen faulen Hintern und ging nachsehen, was er so lange trieb. Mein Magen knurrte bereits deutlich vernehmbar.

      Ich fand ihn in der Küche, nachdenklich auf die Pizzen starrend.

      „Kann ich helfen?“

      Zur Abwechslung zuckte er zusammen.

      „Santa Maria!“ keuchte er.

      „Sorry!“ meinte ich dazu lächelnd.

      Sebastian atmete einmal tief durch und deutete missbilligend auf die Kartons.

      „Diese Teile sind zu groß für die Teller.“

      „Dann nur einzelne Teile der ganzen Pizza?“ schlug ich vor, „Oder gleich den ganzen Karton, ohne die zivilisatorischen Minima von Porzellan und Besteck? Wir trinken das Bier ja auch aus der Flasche.“

      „Dann lass uns unzivilisiert sein“, stimmte er erfreut zu und schnappte sich das Essen, um es ins Wohnzimmer zu tragen. Noch jemand, der seinen Esstisch ausdauernd ignorierte – das fand ich gut.

      „Hast du keine Angst, dass ich dein makelloses Wohnzimmer bekleckern könnte?“ fragte ich hinterhältig.

      Diese Wohnung, wenigstens die Teile, die ich bisher gesehen hatte, waren perfekt sauber, aufgeräumt, schlicht makellos. Obwohl mir eine kleine Anmerkung gestattet sein musste: Die Einrichtung wirkte, als hätte hier ein Innenarchitekt gearbeitet – etwas zu perfekt, alles passte irgendwie zu perfekt zusammen und wirkte einen Hauch unpersönlich.

      „Mahlzeit“, meinte er nur und fischte ein Stück seiner Quattro Stagioni aus dem Karton.

      „Ich gewinne bestimmt keine Preise für jahrelanges klecker freies Essen“, warnte ich ihn ein letztes Mal und nahm mir meinerseits ein Stück Pizza. Er warf mir nur einen amüsierten Blick zu, als er in sein Abendessen biss.

      Die Pizza war unerwartet heiß und sehr köstlich. Für eine ganze Weile aßen wir einfach schweigend.

      „Wow, du warst wirklich hungrig“, stellte er fest, als ich in Rekordzeit durch das halbe Wagenrad durch war.

      „Ja und jetzt komme ich langsam zum maximalen Füllstand“, seufzte ich wohlig und nahm einen Schluck Bier.

      „Maximaler Füllstand?!“ fragte er mit einem leisen Lachen in der Stimme.

      „Etwas mehr als der optimale.“ Ich beäugte das letzte Drittel der Pizza mit einem gewissen Bedauern. Aber ich kannte mich einfach zu gut. Würde ich jetzt noch mehr essen, wäre mir danach nicht besonders wohl und das mochte ich einfach nicht.

      „Darf ich?“ fragte er und warf einen begehrlichen Blick auf die Reste.

      „Gehört alles dir“, sagte ich und machte eine entsprechende Handbewegung. Ohne zu zögern machte er sich über die Quattro Formaggi her.

      „Ich war wohl nicht die Einzige mit Riesenhunger“, stellte ich fest.

      „Mhm, stimmt“, murmelte er mit vollem Mund. Nachdem er geschluckt hatte, fragte er: „Was hältst du von einem Filmchen?“

      „Kommt auf das Filmchen an.“

      „Der Herr der Ringe?“

      „Ein halbes Dutzend Mal gesehen.“

      „Welchen Teil?“

      „Alle. Im Director´s Cut.“

      Er sah mich mit offenem Mund an. Ich grinste und hob die Schultern. Ja, Peter Jackson hat mit seinem Team einen tollen Job abgeliefert! Und die Filme waren allemal unterhaltsamer als dieses langatmige Buch!

      Nach ein wenig hin und her, bei dem ihm mein Filmgeschmack abwechselnd kalte Schauer über den Rücken jagte und ihn erstaunte, einigten wir uns auf ein paar Folgen „Warehouse 13“ on demand, die ich noch nicht kannte. Dass wir hier konform gingen, erstaunte wiederum mich. Allerdings, ich wusste nicht, warum, bestand ich darauf, sie ihn der deutschen Synchronfassung anzusehen. Ich, die alles, was irgendwie geht, im Englischen Original sehen wollte! Keine Ahnung, was mich da geritten hat.

      Egal, wir hatten eine Menge Spaß und was halbintelligente Kommentare zur Handlung betraf, konnten wir einander durchaus das Wasser reichen.

      Ob ich wollte oder nicht, ich musste vor mir selbst zugeben, dass ich mich in der Gesellschaft eines Mannes schon länger nicht mehr so wohl gefühlt und mich so gut unterhalten hatte.

      Es war gegen halb Elf, als ich mich endlich entschloss, nach Hause zu gehen.

      „Schon?“ fragte Sebastian enttäuscht.

      „Schau mal auf die Uhr!“ erwiderte ich kichernd und genoss ein wenig sein überraschtes Gesicht.

      „So spät schon?“

      „Yep und nachdem unser sadistischer Chorleiter überhaupt keine Skrupel hat, uns an einem Sonntag um halb Zehn zur Probe zu bestellen, verlangt mein Körper nach Schlaf, auf dass ich morgen nicht allzu unleidlich bin.“

      Mich trafen ein schwer zu deutender Blick und ein leichtes Kopfschütteln. „Redest du eigentlich immer so?“

      „Wie?“

      „So, wie gerade.“ Er lehnte sich zurück und betrachtete mich.

      „Nur, wenn das Publikum entsprechend ist.“

      „War das gerade ein Kompliment?“ Ich konnte die Fangfrage geradezu riechen!

      „An deine Intelligenz, ja“, antwortete ich zuckersüß und erhob mich.

      Ganz Gentleman geleitete er mich zur Tür.

      „Habt Dank für Speis und Trank und die Zerstreuung“, verabschiedete ich mich mit einem kleinen Knicks, den er entsprechend mit einer leichten Verbeugung erwiderte.

      „Es war mein Vergnügen, Euer Gastgeber zu sein, Madame.“

      Pünktlich um Viertel vor Zehn am nächsten Morgen eröffnete Georg die Chorprobe. Die allgemein etwas müde Stimmung war wohl der „frühen“ Stunde geschuldet und der Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Anwesenden wahrscheinlich deutlich später als ich ins Bett gekommen war. Dennoch hatten sich beinahe alle Mitglieder des Chores zu dieser Probe eingefunden, ein Wunder, wie Georg nonchalant feststellte. Doch die Wunder nahmen kein Ende,