Loch von mehreren Längen Durchmesser. Der unterhöhlte Boden war in die
Kaverne gestürzt, in der es vernehmlich zischte und brodelte. Sehr viel
vorsichtiger als zuvor trat Anschudar an den Rand heran und spähte in die
tiefe Mulde. Der Gestank hatte sich beinahe verflüchtigt, ein gutes Zeichen.
Nur flüssiger Gelbstein roch so penetrant, in fester Form war der Geruch bei
Weitem nicht so ausgeprägt.
Es war, wie Anschudar vermutet hatte, und seine Erleichterung war groß.
Vor langer Zeit musste sich hier der unterirdische Tümpel gebildet haben. Der
durch die kochende Flüssigkeit entstehende Druck hatte die Kaverne stetig
vergrößert, bis er sich durch die Öffnung im Fels ein Ventil geschaffen hatte.
Beim ersten Durchbruch musste es eine beeindruckende Fontäne gewesen
sein, deren Zischen und Brausen sicherlich weit zu hören gewesen war. Im
Lauf der Jahre war die meiste Flüssigkeit verkocht oder hatte sich zu festem
Gelbstein gewandelt. Anschudar sah nur eine kleine Pfütze verbliebener
Flüssigkeit. Mit dem Einbruch der Gesteinsdecke waren nun Hitze und
Überdruck gewichen.
»Gelbstein«, murmelte er andächtig. »Nicht besonders viel, aber es wird
helfen.« Der Schwingenreiter schätzte die Menge ab. Es gab einige große
Brocken, das meiste jedoch war eine körnige Substanz und ähnelte grobem
Sand. Aber diese Substanz konnte man zu festen Klumpen pressen. Die
Schwingen und Menschen des Horstes verstanden sich darauf und würden
nichts von dem kostbaren Gelbstein verschwenden.
Es war gerade genug, um die leeren Transporttaschen damit zu füllen.
Sollte er den kostbaren Fund erst zum Horst bringen oder seine Suche
fortsetzen? Ihn für später zurückzulassen, kam nicht infrage. Wenn es ein
schweres Unwetter gab, konnte sich die Mulde füllen, und das Wasser würde
den Gelbstein vielleicht mit sich führen. Oder es gab einen Steinschlag, der
den Fundort verschüttete. Nein, Anschudar konnte das Risiko nicht eingehen.
Er musste den Gelbstein für den Horst bergen.
Der Schwingenreiter knotete ein dünnes Seil um einen der umstehenden
Felsen und ließ sich daran in die Mulde hinab. Die Hitze war erträglich und
der Boden fest genug. Er begann die festen Brocken mit seinem Messer zu
lösen und warf sie dann nach oben. Während Showaa Wache hielt und
begehrlich auf den Gelbstein schielte, den ihr Reiter ans Tageslicht
beförderte, löste dieser ein Stück nach dem anderen. Er merkte kaum, wie die
Zeit verging. Schließlich war er erschöpft und beschloss, eine Pause
einzulegen. Gerade rechtzeitig, denn es begann schon dunkel zu werden. Die
Nacht würde kalt sein, aber ein Feuer wäre zu verräterisch gewesen, und
Anschudar wusste nicht, was in den tieferen Lagen des Gebirges
herumstreifen mochte. Raubkrallen und Pelzbeißer, sicherlich Felsböcke und
möglicherweise auch Orks. Anschudar fürchtete sich nicht vor einer
Begegnung mit ihnen, aber im Zuge dessen hätte er die Mulde mit dem
verbleibenden Rest an Gelbstein vielleicht aufgeben müssen. So fütterte er
Showaa mit einigen Fleischstreifen aus dem Reiseproviant, aß selbst etwas
davon und schmiegte sich dann zur Nacht an seine Schwinge.
Mit dem ersten Tageslicht erwachte er durch eine Bewegung Showaas und
befürchtete im ersten Moment, sie hätte eine Gefahr entdeckt. Doch alles war
ruhig. So stieg er wieder hinab in die Mulde, nahm diesmal zwei der Taschen
mit und füllte das körnige Gelbsteinpulver hinein. Die Taschen waren zu
schwer, um sie nach oben zu werfen, und so knotete er sie an die Leine,
kletterte hinauf und zog die Taschen dann nach oben.
Showaas Tentakel tasteten begierig nach dem verlockenden Geruch, doch
Anschudar schüttelte den Kopf. »Wir müssen weitersuchen, Showaa. Der
Horst braucht noch viel mehr Gelbstein. Den müssen wir finden. Wir fliegen
noch bis zum Pass von Merdoret, dann kehren wir um und bringen unsere
Beute heim.«
Er wusste, dass dies Showaa nicht gefiel. Über viele vergangene
Generationen hinweg waren die Instinkte der Lederschwingen darauf
ausgerichtet worden, den Gelbstein für ihren Flammenatem zu verwenden,
und nun hatte sie den begehrten Stein vor ihrer Nase und durfte ihn nicht
benutzen. Anschudar hätte ihr gern begreiflich gemacht, warum es nicht
anders ging, doch dafür war ihre Verbindung noch nicht intensiv genug. In
jedem Fall musste er den geborgenen Gelbstein vor dem Weiterflug so
verpacken, dass Showaa durch seinen Geruch nicht abgelenkt wurde.
Das Einpacken war eine mühsame Arbeit, denn Showaa versuchte immer
wieder, mit ihren Tentakeln einen der Brocken zu erreichen, die ihr Reiter,
ebenso wie das Gelbsteinpulver, sorgfältig in Leder hüllte. Nachdem alles gut
verschnürt war, zog er eine metallene Flasche aus der Provianttasche und
öffnete sie. Ein intensiver Duft nach Blüten stieg auf, und Anschudar tröpfelte
etwas von der Essenz auf jeden Packen und verrieb sie sorgfältig. Er konnte
nur hoffen, dass diese Maßnahme genügte, um Showaas Witterung zu
täuschen. Mordeschdar hatte ihm das versichert und diese List nach eigenem
Bekunden selbst erfolgreich angewandt.
Anschudar vergewisserte sich, dass die Packtaschen gut befestigt waren,
und klopfte dann sanft gegen Showaas Hals. Sie senkte ihren Kopf, und er
stieg in den Sattel. Dann schwang sich die Lederschwinge mit mächtigen
Schlägen in die Luft. Die Suche ging weiter und würde sie beide nun bis zum
Pass von Merdoret führen.
Kapitel 6
Man nannte sie die Versteinerten Wälder. Der Name beruhte auf alten
Legenden und auf der Tatsache, dass im Verlauf vieler Jahrtausende immer
wieder Leute spurlos verschwunden waren, die es gewagt hatten, das
Waldgebiet