Die Schwertmänner verstanden sich darauf, den Wert der Waren zu
bestimmen. Schließlich begann der besorgte Händler, die Endsumme
herunterzurechnen, aber der Scharführer ließ sich nicht darauf ein. Erneut
begann ein erregter Streit üben den zu entrichtenden Tribut.
Ta Enderos verlor das Interesse an der Auseinandersetzung und trieb sein
Pferd an den Handelswagen vorbei zum Scharführer. Als dieser den Alnoer
unvermittelt vor sich sah, brachte er den zeternden Händler mit einer
Handbewegung zum Schweigen.
»Seid willkommen in Merdonan, guter Herr. Ich hörte schon von solchen
metallenen Anzügen, wie Ihr sie tragt«, sagte er und musterte ta Enderos und
die anderen neugierig. »Ihr seid Panzerreiter aus dem fernen Königreich
Alnoa, nicht wahr? Da seid Ihr aber weit entfernt von Eurem Streifgebiet.
Was führt Euch in die Ostmark des Pferdevolkes?«
»Ein Handel, guter Herr Pferdelord«, erwiderte der Hochgeborene
freundlich und zugleich irritiert. »Die Garde braucht Pferde, und ich hörte, in
der Ostmark ließen sich welche finden.«
Der Scharführer grinste breit. »Daran fehlt es uns nicht. Ihr findet die
Pferdehändler auf dem großen Markplatz, und dort gibt es auch gutes Quartier
für die Nacht.«
Panval Erkat räusperte sich. Obwohl er selbst aus dem Mannschaftsstand
kam, achtete er sehr darauf, dass man es dem von ihm verehrten ta Enderos
gegenüber nicht an Respekt fehlen ließ. Als der Scharführer nun den
Hauptmann ansah, deutete der auf seinen Kommandeur. »Meldet Eurem
Pferdefürsten die Ankunft von Daik ta Enderos, Hochgeborener des Reiches
von Alnoa und Kommandeur seiner Garde.«
Die Augen des Scharführers weiteten sich vor Überraschung. »Das ist
fürwahr ein bedeutsamer Besuch, Ihr Hohen Herren.« Er salutierte
respektvoll. »So seid uns nun doppelt willkommen. Ich werde den Hohen
Lord sofort verständigen.« Er wandte sich um und gab einem seiner Männer
einen Befehl. Der Mann eilte zu einem am Wachhaus stehenden Pferd,
schwang sich hinauf und trabte dann auf die Silhouette des riesigen Turms zu,
so rasch es das Gedränge auf der Straße zuließ. Der Scharführer trieb die
anderen an, damit man die Wagen zur Seite fuhr, die das Tor teilweise
blockierten. Natürlich hätten sich die Gardisten daran vorbeizwängen können,
doch für jeden Kämpfer war es eine Frage von Ehre und Tradition, dass man
ihnen Respekt erwies und den nötigen Raum schaffte.
»Sagt, guter Herr Scharführer, habt Ihr keine Kunde über unsere Ankunft
erhalten? Wir haben zwei Männer entsandt, die uns vorausritten.«
Der Pferdelord schüttelte den Kopf. »Glaubt mir, Hoher Herr, zwei Reiter
in Panzern wären nicht unbemerkt geblieben. Sie haben Merdonan gewiss
nicht erreicht.«
Ta Enderos runzelte die Stirn. »Das ist seltsam. Sie müssten lange vor uns
eingetroffen sein.«
Der Wachführer leckte sich über die Lippen und blickte unwillkürlich zum
offenen Tor hinaus. »In letzter Zeit kommt es immer wieder vor, dass Leute
einfach verschwinden. Vor einem Zehntag fand eine unserer Streifen ein
verlassenes Gehöft. Von seinen Bewohnern und dem Vieh fehlte jede Spur.
Es gab keine Hinweise auf einen Überfall oder ein gefährliches Tier, das die
Bewohner angegriffen haben könnte. Irgendetwas sucht unsere Mark heim,
Hoher Herr, und wir bestreifen sie, um die Übeltäter zu finden und zu
bestrafen. Nicht jeder will seine goldenen Schüsselchen durch ehrliche Arbeit
und Handel verdienen.«
»Das kommt auch im Reich Alnoa vor«, seufzte ta Enderos. »Doch
überfallen die Ehrlosen keine einsamen Höfe oder Gardisten, sondern
lohnendere Ziele wie kleine Handelszüge.«
»Wohl wahr, Hoher Herr, doch wenn Eure Männer unerwartet auf eine
Bande Gesetzloser gestoßen sind, wird man sie ohne Zögern niedergemacht
haben.«
»Das steht wohl zu befürchten.« Daik ta Enderos blickte die Hauptstraße
entlang. Irgendwo war ein Hornsignal zu hören, und er glaubte am Ende der
Straße den dreieckigen grünen Wimpel eines Beritts der Schwertmänner
flattern zu sehen.
Wenig später erreichte eine berittene Schar das Tor, um ta Enderos das
gebührende Ehrengeleit zu geben. »Seid willkommen, Hoher Lord«, grüßte
der Anführer der Schar und bewies damit, dass ihm der hohe Rang des Gastes
weit bewusster war als dem Führer der Torwache. Dieser errötete prompt, da
er nicht erkannt hatte, dass ta Enderos einem Pferdefürsten gleichgestellt war.
»Ich bin Mor, Erster Schwertmann der Ostmark. Pferdefürst Bulldemut
entbietet Euch durch mich seine Grüße und freut sich darauf, Euch persönlich
willkommen zu heißen. Wenn Ihr mir nun die Ehre erweisen wollt, mich zu
begleiten?«
Ta Enderos nickte und gab Hauptmann Panval Erkat das Zeichen, mit dem
Beritt zu folgen. Er selbst ritt an Mors Seite und musterte den Ersten
Schwertmann der Ostmark verstohlen. Die tiefschwarzen Haare waren
ungewöhnlich für einen Mann des Pferdevolkes. Mor bemerkte seine Blicke
und lächelte. »Ihr vermutet richtig, Hoher Lord. Ich stamme aus Alneris.« Das
Lächeln vertiefte sich. »Ich war Wachmann im Dienste eines fahrenden
Händlers.«
»Und nun seid Ihr Erster Schwertmann einer Mark?« Ta Enderos zwirbelte
seinen Bart. »Recht ungewöhnlich, will mir scheinen.«
»Es ist eine verwickelte Geschichte, gut geeignet für lange Winterabende
und lodernde Kaminfeuer.« Mors Gesicht wurde ernst. »Darf ich fragen, was
den Hohen Lord so weit nach Norden und bis nach Merdonan führte?«
»Pferde«, antwortete ta Enderos knapp.
Mor