Die Freundin lächelte schwach. „Nicht wirklich, Balbina. Ich habe einfach eine sehr starke Blutung. Alpina hat mir einen Trank gegen die Schmerzen gemacht. Ich denke, es wird sicher bald besser.“
Balbina schien beruhigt. „Sag, wo ist denn mein Vater?“
Ilara legte den Kopf ein wenig zur Seite. „Er ist schon wieder weg. Heute Vormittag hat er den Medicus Demetrios, der das Valetudinarium leitet, aufgesucht. Er hat sich bereit erklärt, gleich mitzukommen. Vor kurzem erst sind sie losgeritten.“
„Oh, schon? Na ja, je eher desto besser für Mutter! Ursprünglich wollte ich ihn begleiten, aber ich kann leider nicht. Es wäre zu gefährlich - in meinem Zustand…“
Balbina lächelte entschuldigend und tätschelte ihren Bauch.
„Du bist schwanger?“ Ilaras Reaktion war eher entsetzt als erfreut.
„Ja! Seit etwa zwei Monden ist die Blutung ausgeblieben! Gut, dass du da bist, Alpina! Kannst du mir etwas gegen die Übelkeit empfehlen?“
Sie wandte sich an Ilaras jüngere Schwester.
Alpina nickte. „Meine Mutter verordnet gegen die Übelkeit in der frühen Phase der Schwangerschaft Umschläge mit in Essig und Wein gekochten Datteln und ein Riechöl aus den ätherischen Ölen von Rose, Myrte, Mastix und Narde.“
Balbina bedankte sich für den Rat. „Die Duftöle habe ich ohnehin zuhause und das mit den Umschlägen werde ich gleich ausprobieren. Soll ich die Umschläge auf dem gesamten Bauch applizieren?“
Die angehende Obstetrix bejahte. „Da, wo es dir gut tut, Balbina.“
Dann nutzte sie die Gelegenheit und verabschiedete sich schnell von Ilara und deren Freundin.
***
Glycera riss ihre Dienerin am späten Vormittag unsanft aus dem Schlaf. Nur ungern löste sich Chloe aus der Umarmung des göttlichen Geliebten Hypnos.
„Wach auf, du Flittchen!“
Die Schauspielerin zog ihr die Decke weg und schlug mit der flachen Hand zu.
„Wo warst du gestern so plötzlich? Wir haben dich überall gesucht! Mit welchem der Kerle bist du mitgegangen, ohne uns Bescheid zu sagen?“
Chloe setzt sich benommen auf. Sie hielt sich die Wange.
„Ich bin nach Hause gegangen, nachdem mich die Custodes in ihrer Kammer vergewaltigen wollten. Claudius Paternus Clementianus hat mich befreit und mir geholfen, den fiesen Kerlen zu entkommen. Dann bin ich einfach weggelaufen. Ich hatte solche Angst, Glycera!“
„Weggelaufen?“ Die Schauspielerin funkelte ihre Dienerin wütend an. „Und ich darf das nun wieder ausbaden, oder wie? Die Männer waren doch von Rufus‘ Garde, nicht wahr?“
Chloe zuckte die Achseln.
„Wenn sich die über dich beschweren, dann bekomme ich wieder Schläge von Rufus, du dummes Stück!“
Sie schlug ein zweites Mal zu. Chloe reagierte überhaupt nicht. Wie durch einen Nebel hörte sie Glyceras Stimme.
„Und was war mit Clementianus? Hast du ihn mit hierher genommen?“
Die Dienerin schüttelte den Kopf. „Ich bin einfach weggerannt. Er blieb dort.“
„So? Er hat keine Gegenleistung für deine Rettung verlangt?“
Wieder verneinte Chloe.
„Zieh dich an!“, herrschte Glycera die Sklavin nun an. „Wir müssen proben. In den kommenden Tagen werden wir einige Auftritte haben, und so eine miserable Leistung, wie du diesmal abgeliefert hast, kann ich nicht noch einmal dulden. Du ruinierst meinen guten Ruf!“
Chloe stand mühsam auf. Sie war zittrig und fror, ihre Knie waren weich. Kaum war sie auf den Beinen, als ihr schwarz vor Augen wurde. Kraftlos sank sie aufs Bett zurück.
Glycera schäumte vor Wut. „Los! Aufstehen!“ Sie zerrte die Sklavin auf die Beine. „Mach, dass du in Gang kommst!“
Chloe musste sich an der Wand festhalten. Sie schien überhaupt keine Kraft zu haben. Der ganze Körper war kalt und gefühllos, der Mund trocken wie Papyrus. Myrtale trat ein. Sie unterstütze Chloes Versuche, aufzustehen und brachte sie ins Balneum. Liebevoll half sie beim Waschen, Anziehen und Frisieren.
Monat März, am XVI. Tag vor den Kalenden des Aprils, Liberalia, Agonalia
Als Alpina Ilaras Haus betrat, war die Unruhe förmlich mit Händen zu greifen. Celsa trieb die Haussklaven an, die bereitstehenden Körbe und Kisten zu der vor den Stadttoren wartenden Raeda zu bringen. Mit besorgter Miene wandte sich die dunkelhaarige Leibsklavin an die jüngere Schwester ihrer Herrin:
„Domina Alpina, schlechte Nachrichten! Der Medicus hat sich gestern den ganzen Tag um Alpia Tibulla bemüht. Er hat sie ausgiebig befragt und die Ausscheidungen begutachtet. Dann hat er sie zur Ader gelassen, doch seine Prognose ist schlecht. Aus diesem Grund reist Eure Schwester heute mit der Domina Balbina zu den Schwiegereltern.“
„Balbina will mitreisen?“ Alpina war überrascht. „Gestern sagte sie noch, sie wolle aufgrund ihres Zustandes nicht reisen.“
Celsa nickte. „Ich fürchte, die Prognose des Medicus ist so ernst, dass…“ Sie beendete den Satz nicht, denn Ilara kam ins Atrium. Sie trug einen schweren, langen Kapuzenmantel über dem Arm. Blass und mit schwarzen Schatten unter den Augen, sah sie noch immer sehr schlecht aus.
„Alpina! Gut, dass du kommst! Tibulla ist schwer krank! Der Medicus hat uns wenig Hoffnung gemacht, dass sie wieder gesund wird. Sogar Balbina kommt mit, trotz ihrer Schwangerschaft!“
Alpina sah ihre ältere Schwester zweifelnd an.
„Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist? Du bist noch geschwächt, und Balbina ist das erste Mal schwanger! Sie ist noch sehr jung! Du weißt doch, dass so eine Reise im Wagen gefährlich für sie und das Kind sein kann!“
Ilara hob die Schultern. „Mir geht es schon wieder gut. Die Blutung und die Krämpfe haben nachgelassen. Wir reisen ja nicht nach Rom, sondern nur zur Villa rustica von Tiberius. Was soll da schon passieren?“
Die ältere Schwester ließ Alpina stehen und trieb Celsa an, nachzusehen, wo Balbinas Sänfte blieb. Über die Schulter rief sie zurück: „Sag Vater und Mutter Grüße, ich schicke euch Briefe, um euch auf dem Laufenden zu halten!“
Alpina folgte ihr auf die Straße. Es nieselte. Ilara ließ sich den Mantel umlegen und mit einer großen Scheibenfibel feststecken. Sie fluchte, weil sie mit dem rechten Fuß in eine Pfütze getreten war. Zum Glück kamen gerade die Sänftenträger. Ilara gab der Schwester einen Kuss und stieg dann zu ihrer Freundin in die Sänfte. Sie lehnte sich zurück. Mit großem Gefolge verließen die zwei jungen Frauen die Stadt in Richtung Süden.
***
Nach dem morgendlichen Opfer an den Kriegsgott Mars, der an diesem Festtag von den Soldaten geehrt wurde, ließ sich Caius Iulius Achilleus von seinem Pferdeknecht in den Sattel helfen. Seine Ausrüstung war auf das Packpferd und das Pferd des Knechtes verteilt. Caius‘ Pferd Delicatus war mit dem Gewicht des Centurio inklusive des Kettenhemdes genug belastet. Den Helm würde er nur während des Auszuges aus Augusta Vindelicum oder bei den Paraden und Übungen tragen. Den Uniformmantel jedoch konnte der Centurio gut gebrauchen, es war kalt und windig. Die grauen Wolken, die über ihnen den Himmel verschlossen, sahen bedrohlich aus. Es war anzunehmen, dass sie bald ihre Fracht abluden.
Auf den Wink des kaiserlichen Legaten gab Caius den Befehl an seine Reiter, sich in Marsch zu setzten. Die Spitze des Zuges bildete die Truppe aus Prätorianern, die teils zu Fuß, teils beritten den Gesandten des Kaisers begleiteten. Ihnen folgten die Reisewagen mit Fabricius Veiento und den beiden Statthaltern für die germanischen Provinzen. Den Wagen mit den Begleitern der Statthalter, ihren Frauen