Gesundheit ist das Programm deines Körpers. Ann-Kristin Schablowsky. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ann-Kristin Schablowsky
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783753138107
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Atmosphäre in der Praxis war schrecklich. Sie war geladen mit Hoffnungslosigkeit und Resignation. Der Warteraum war gefüllt mit einer kleinen Menge todkranker Menschen, die alle eine Chemotherapie bekamen.

      Der erste Eindruck des jungen Arztes toppte die Atmosphäre der Praxis jedoch noch. Als ich ihn das erste Mal sah, klopfte er einem offensichtlich sehr kranken und von der Chemotherapie gezeichneten, jungen Mann auf die Schulter und sagte sarkastisch: „Na dann, auf in die nächste Runde!“ Der junge Mann schaute ihn fassungslos an und ich stand einfach nur daneben.

      Kurze Zeit später lernte ich den jungen Arzt selbst kennen.

      Der Mann war genau so, wie ich ihn eingeschätzt hatte: Für mich war er unsensibel, unmenschlich, gleichgültig und eigentlich nur darauf aus, möglichst viel Geld zu verdienen.

      Wie er das tat, ist dir bestimmt bereits klar. Eines tat er jedenfalls nicht – er suchte nicht nach der Ursache für ein Problem, sondern schaute sich nur die Symptome an. Und das darfst du hier wirklich wortwörtlich verstehen!

      Im Behandlungszimmer sprach der Hämatologe eigentlich nicht. Mehr als ein „Guten Tag!“ kam ihm nicht über die Lippen.

      Nach der Begrüßung saßen wir uns gefühlt erst einmal eine Ewigkeit gegenüber, dann sagte er: „Blutbild!“

      Anfangs war ich echt irritiert, aber ich schob ihm den Zettel über seinen Schreibtisch.

      Wieder sprach er nicht. Nicht ein einziges Wort.

      Dann sagte er: „Auf die Liege. Ich mache einen Ultraschall.“

      Während der Untersuchung blieb er wieder stumm.

      Dann raunte er: „Abwischen.“

      Ich befolgte seine „Befehle“ und musste fast ein wenig lachen, weil die Situation eher einem Militär, als einem Arztbesuch glich. Ich hätte am liebsten mit „Jawohl, Sir!“ geantwortet. Ich verkniff mir jedoch jeglichen Anflug von Witzeleien und Lachen, weil ein Witz das letzte gewesen wäre, was der Arzt vertragen hätte.

      Anschließend drehte er sich zu mir und sagte: „Alles in bester Ordnung, junge Frau!“

      Du hättest einmal mein Gesicht sehen sollen. Auf der einen Seite war ich fassungslos – und auf der anderen Seite echt sauer. Wie konnte dieser Facharzt einen Ultraschall als Diagnosemethode wählen, und daraufhin behaupten, mit mir wäre alles OK. Das war echt ein schlechter Scherz. Ich kam mir vor wie bei „Versteckte Kamera“. So nach dem Motto: Wann rastet sie aus???

      Ich blieb aber ganz ruhig und sagte erst einmal gar nichts.

      Der Arzt ging wieder zu seinem Schreibtisch und starrte auf mein Blutbild. Und schwieg. Bestimmt fünf Minuten lang.

      Dann nahm er Blickkontakt zu mir auf und sagte: „Symptome.“

      „Wie bitte?“ Ich war völlig überrumpelt von seiner barschen Aufforderung.

      „Was haben Sie für Symptome?“ Er wurde merklich unfreundlich, weil er die Energie für mehr als ein Wort aufbringen musste.

      Wie befohlen, begann ich damit, die Symptome wie eine Auflistung herunterzubeten. Ich fühlte mich dabei echt unwohl.

      Es fühlte sich einfach so „aus dem Zusammenhang gerissen“ an. Für mich ergab das alles keinen Sinn. Ich äußerte meine Bedenken.

      „Herr Doktor, ich würde mich besser fühlen, wenn ich Ihnen die ganze Geschichte erzählen könnte. So, wie sich die Symptome entwickelt oder aufgebaut haben. Ich habe die ganzen Beschwerden ja nicht erst seit gestern. Und sie sind ja auch nicht aus dem Nichts einfach so entstanden. Ich denke, das ist als ein Prozess zu sehen.“

      Ich schob vorsichtig die Frage nach: „Vielleicht eine Art Vergiftungsprozess?“

      Der Hämatologe schaute mich bestürzt und fassungslos an. So, als ob ich gerade Papst und Gott in einem Satz beleidigt hätte.

      „Nur die Symptome. Alles andere interessiert mich nicht.“

      Als ich dann fertig war mit meiner langen Liste von einzelnen Symptomen, hatte sich der Arzt echt DREI Symptome notiert.

      Er sah mich an, als fehlte noch irgendetwas auf seiner gnadenlos schlechten Mitschrift.

      Der Hämatologe runzelte nachdenklich die Stirn und fragte mich: „Haben Sie eigentlich Zahnfleischbluten?“

      Oh, Mann, das darf echt nicht wahr sein!

      Bei meinen gesundheitlichen Problemen war diese Frage für mich völlig unverständlich. Ich hatte stark geschwollene Füße und Beine, welche beide aufrissen und bluteten.

      Weil ich aber auf seine Frage antworten wollte, sagte ich: „Ja, Zahnfleischbluten habe ich auch.“ Ich hätte den Arzt gerne um ein wenig mehr Aufmerksamkeit gebeten, und mir ein wenig mehr Professionalität gewünscht.

      Aber ich blieb wieder still.

      „Außerdem blutet meine ganze Zunge.“

      Er antwortete nicht, sondern geleitete mich in das Labor, um mir Blut abzunehmen.

      „Sie hören von mir.“

      Das war alles, was er sagte.

      Und ja, ich hörte von ihm.

      Ich bin ein Lebewesen, das kein Blut produziert

      Eine halbe Woche später meldete sich der Doktor höchst persönlich. Er war am Telefon noch viel unfreundlicher als in der Praxis. Der Mann nuschelte so undeutlich ins Telefon, dass es echt eine Kunst war ihn zu verstehen. Davon abgesehen, sprach er ja eh nur drei Worte.

      „Hallo. Junge Frau, Sie produzieren definitiv KEIN Blut.“

      Das waren seine Worte. Mehr nicht.

      Mir rauschten auf einen Schlag gefühlt hundert Fragen durch den Kopf. Wie kann ein Mensch kein Blut produzieren und dennoch leben? Geht es mir deswegen seit sieben Jahren so schlecht? Arbeitet mein Körper deshalb nicht mehr ...?

      Ich sammelte mich aber und fragte den Arzt: „Was bedeutet das für mich?“

      „Ich vermute, es handelt sich um das Myelodysplastische Syndrom. Eine Knochenmarkserkrankung. Oder eine Form der Leukämie.

      Ich muss an ihr Knochenmark ran.

      Ich gehe Freitag in den Urlaub. Passt es Ihnen morgen?“

      Ich war geschockt. Geschockt von seiner Diagnose. Geschockt davon, dass solch eine schlimme Krankheit über sieben Jahre unbemerkt blieb. Geschockt davon, todkrank zu sein.

      Aber klar, bin ich morgen früh da! Es ist ja schließlich nicht so, dass mein Terminkalender im Moment voll ist.

      „Lassen Sie sich an der Rezeption einen Termin geben.“

      Er wartete meine Antwort nicht einmal ab und legte auf.

      Ich saß erstmal nur da.

      Mit dem Hörer in der Hand.

      Und weinte.

      Knochenmarksprobe

      Einen Tag später stand der Termin für die Knochenmarksprobe an. An diesem Tag ging es mir körperlich sehr schlecht. Ich hatte am Tag zuvor geweint. Mein Gesicht war extrem angeschwollen, und meine Atemwege waren verschlackt, weil mein Körper seine Funktionen nicht mehr problemlos ausführen konnte.

      Während des Aufklärungsgespräches versuchte ich den Hämatologen noch einmal darauf aufmerksam zu machen, wie es heute um mich stand. Ich versuchte zu erklären, dass mein Körper nicht wie ein gesunder Körper arbeitet und deshalb auch anders auf die Zugabe jeglicher Mittel (auch Betäubungsmittel) reagiert.

      Der Arzt hörte mir nicht wirklich zu oder wollte es nicht. Er sagte nur: „Haben Sie sich die Haare geschnitten? Sie sehen anders aus.“

      Ich gab es auf. Es würde schon alles gut gehen.

      Zu Beginn des Eingriffs merkte ich nichts. Das war sehr beruhigend.

      Einen