ZUGVOGEL. K. Uiberall-James. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: K. Uiberall-James
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783847619789
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heute will er sich amüsieren und den beiden ‚Neulingen’ etwas bieten.

      „Willst du mir deine Freunde nicht vorstellen?“, säuselt Carla von hinten in Maliks Ohr. Sie will partout die Erste sein, die den Neuzugang begrüßt. Sie will sich die Chance, einen netten, unverfälschten Afrikaner kennenzulernen, nicht durch die Lappen gehen lassen. Wenn sie die Namen der ‚Neuen’ schon kennt und zusammen mit ihnen den Klub betritt, hat sie bereits einen Vorsprung gegenüber den anderen Frauen. Neuzugänge werden immer heftig umworben; weil sie noch so wohltuend unverdorben sind, besonders wenn sie aus ländlichen Regionen kommen; meistens rauchen und trinken sie nicht; sie nehmen keine Drogen und lieben ihre Mama; sie glauben an irgendeinen Gott und teilen alles brüderlich. Sie sind hilfsbereit und anhänglich und selbst eventuell schon vorhandene Kinder schrecken sie nicht ab. Oft verlieben sie sich unsterblich in die erstbeste Weiße, die ihnen über den Weg läuft; denn es scheint ihnen egal zu sein, ob eine Frau hübsch oder hässlich, dick oder dünn ist. Hauptsache, sie ist lieb und kann etwas für den Afrikaner tun. ‚So einen will ich’, denkt Carla und bleibt dran an ihrem Objekt.

      Sekou und Ibrahim verfolgen neugierig und erstaunt die Szene vor sich. In seiner Muttersprache sagt Malik leise zu seinen Freunden: „Wenn euch die Frau interessiert, stellt euch selber vor; aber ich würde eher davon abraten.“ Er findet Carla einfach mitleiderregend, weil sie gar nichts dazugelernt hat. Solche Frauen kann Malik nicht respektieren.

      Anders verhält es sich mit seiner Tina, die studiert hat und nach der Babypause wieder in ihren Beruf gegangen ist. Sie würde nie mehr im Klub ihre Zeit vertrödeln, weil das kein Aufenthaltsort für eine anständige Frau und Mutter ist. Soviel hat er ihr schon beigebracht. Wenn sie ein- oder zweimal im Jahr tanzen gehen möchte, nimmt sie Rücksicht auf ihn und geht mit einer Freundin in einen anderen Klub, wo es kaum Afrikaner gibt. So wahrt er das Gesicht vor seinen Landsleuten und macht dafür auch gerne mal den Babysitter.

      Ibrahim nimmt erstaunt eine Veränderung in Maliks Verhalten wahr; er begrüßt Freunde und Bekannte, die herzlich, mit ausgestreckten Armen, auf ihn zukommen, ungewöhnlich ernst und zurückhaltend. ‚Aha’, denkt Ibrahim, ‚er scheint unter unseren Landsleuten einiges Ansehen zu genießen, und mit seinem reservierten Auftreten festigt er die ihm entgegen gebrachte Achtung.’ Ibrahim kann das gut nachvollziehen, ‚und er kennt fast alle Anwesenden, weil er schon so viele Jahre in Deutschland lebt.’

      Toucou geht forsch, wie einer der sich auskennt, vor und schleust seine Freunde durch den langen Gang zur Tanzfläche. Sofort heften sich mehrere weibliche Augenpaare neugierig auf die ‚Frischlinge’.

      „Und, wie gefällt es euch hier?“, fragt Apollinaire in Richtung Sekou und Ibrahim, als sie sich zur Bar durchgekämpft haben.

      „Wenn nicht so viele weiße Frauen anwesend wären, könnte ich mich fast wie in Afrika fühlen“, antwortet Sekou grienend.

      „Die Musik ist nicht schlecht, und es scheint auch tanzwillige Frauen zu geben“, ist Ibrahims bedächtige Antwort.

      Sekou mischt sich ein. „Aber wie erkenne ich, ob eine Frau alleine hier ist; ich will mir keinen Ärger mit einem plötzlich auftauchenden Freund einhandeln.“

      „Ach, da mach dir mal keine Sorgen“, meint Apollinaire beruhigend, „beim Tanzen fragst du sie, ob sie alleine gekommen ist. Und wenn sie ja sagt, hast du freie Bahn. Aber, seht euch doch erst mal in Ruhe an, wie der Laden so läuft.“

      Nach Mitternacht drängeln sich immer mehr Besucher schwitzend auf der Tanzfläche und an der Bar. Ibrahim und Sekou befolgen Apollinaires Rat und schauen sich so unauffällig wie möglich in der Menge um. Mehrmals treffen ihre Blicke auf ein verführerisches Lächeln; manchmal aber passiert genau das Gegenteil: der rein zufällige Blickkontakt wird abrupt durch Wegdrehen des Kopfes unterbrochen. Sekou ist verunsichert. Toucou, der seinem Blick gefolgt war, setzt zu einer Erklärung an.

      „Weißt du, ob sie dich anflirten oder hochmütig weggucken, ist eigentlich dasselbe“.

      „Ey Toucou“, unterbricht Sekou ihn unwirsch, „du willst mich wohl auf den Arm nehmen?“

      „Neiiinnn“, ruft Toucou entrüstet, fast schon beleidigt aus, „du verstehst das nur nicht.“

      „Was soll daran nicht zu verstehen sein? Der eine Blick ist einladend und der andere ist eindeutig ablehnend“, brummt Sekou.

      Toucou hat keine Lust auf weitere Erklärungen. „Du scheinst ja schon alles zu wissen, aber eins gebe ich dir noch mit auf den Weg: Sie sind interessiert. Nur Letztere wollen erobert werden. Ich zeig es dir.“

      Damit trollt er sich zur Tanzfläche und stellt sich auffallend zufällig mit einem Pokergesicht neben die große, attraktive Frau, die so blasiert über Sekou hinweggesehen hat. Aber die merkt sofort, was er im Schilde führt, und geht demonstrativ in eine andere Ecke, um eine Bekannte zu begrüßen. Toucou ist einfach nicht ihr Typ. Sie hat ihn schon so oft abgewiesen. Aber er kapiert es einfach nicht.

      Toucou kapiert es wirklich nicht. Er blickt verlegen Grimassen schneidend in Sekous Richtung. Warum ignoriert sie ihn? Sie tanzt und redet doch sonst immer mit allen. Er sieht auch nicht schlechter aus als die Anderen, er arbeitet hart und Mundgeruch hat er auch nicht. Es stimmt schon, dass er als Afrikaner von den Frauen erwartet, dass sie die Männer zunächst einmal abwehren, deswegen versucht er es ja auch immer wieder, aber doch nicht ständig und ohne Grund. Diese Schlampe! Redet über hochgestochene sozialkritische Themen, als wenn solche Gespräche in die Disco gehörten. Aber eins versteht er ganz gut, mit ihrem schlauen Gerede verführt sie die dafür empfänglichen Schwarzen. Sie fallen reihenweise darauf herein. Kein Wunder; welcher Afrikaner hätte nicht gerne eine intelligente, hübsche Frau, mit der er sich brüsten kann in der Gemeinde, besonders wenn er selber Analphabet oder nicht besonders hell im Kopf ist. Und abgesehen davon, so eine Frau könnte viel für einen Afrikaner und dessen ganze Familie in Afrika tun.

      Toucou schlängelt sich von der Seite an die Bar, Sekous belustigtem Blick ausweichend. Er ordert ein Glas Sekt und eine Cola und kämpft sich damit zu seiner widerspenstigen Angebeteten durch. Das für die Getränke ausgegebene Geld muss er sich zwar hinterher vom Mund absparen, aber das nimmt er gerne in Kauf; nach Geld auszusehen und keins zu haben, ist in der Szene weit verbreitet.

      Interessiert verfolgt Sekou die nun folgende Szene. Toucou stellt das Glas Sekt neben die Frau auf ein Regal an der Wand. Er spricht mit ihr und sie scheint das Getränk gnädig zu akzeptieren; denn sie nippt bereits daran. Er darf neben ihr stehen bleiben. Sekou grinst und tuschelt Ibrahim zu:

      „Er hat’s tatsächlich geschafft. Schau mal, jetzt tanzt er sogar mit ihr.“

      Toucou zieht sie, mit Beifall heischendem Blick auf seine Leute, an sich, und presst seinen Unterleib gegen sie; schließlich gilt es, eine Schlappe wieder auszubügeln. Für solche Mätzchen hat die Erwählte aber überhaupt kein Verständnis. Sie stemmt die Ellenbogen abwehrend in seine Rippen und als Toucou nachfasst, stößt sie ihn hart von sich und lässt ihn auf der Tanzfläche stehen. Der so beschämend abservierte entzieht sich dem 'das war wohl nichts' - Gesichtsausdruck von Sekou, indem er die Toilette aufsucht.

      Als er wieder an die Bar zurückkommt, findet er nur noch Ibrahim vor.

      „Die lernt es auch noch“, sagt Toucou mit verächtlicher Stimme.

      „So? Was denn?“, will Ibrahim leutselig wissen.

      „Sie ist schon mit so vielen Afrikanern zusammen gewesen; die europäischen Männer wollen sie nicht mehr.“

      „Deswegen muss sie aber doch nicht zu dir kommen.“

      Toucou zieht wieder ein beleidigtes Gesicht. Trotzig fährt er in belehrendem Ton fort: „Wer in die afrikanische Disco geht, muss auch bereit sein zu tanzen. Eine Frau ist so lange für uns alle da, bis sie einem alleine gehört.“

      „Aha.“

      Da es ohnehin keinen Sinn macht, gegen den hohen Lärmpegel anzureden, widmen sie sich eingehend ihrem Getränk, lehnen locker mit dem Rücken an der Bar und schauen auf die Tanzfläche. Dort tauchen immer wieder die Gesichter von Sekou, Malik oder Apollinaire im Gedränge auf.