„Sorry, aber diese Dame wollte nicht geküsst werden.” Samantha löste sich aus seiner Umarmung und sah ihn so kühl an, wie es ihr möglich war. „Und diesen Tanz hat sie auch nicht gewollt, falls Sie sich erinnern. Aber ein Nein wird anscheinend nur ungern oder gar nicht von Ihnen akzeptiert, nicht wahr? Einen schönen Abend noch.” Samantha wartete eine Antwort gar nicht erst ab. Sie nahm sich auf dem Weg ins Haus ein Glas Champagner von einem Tablett, nippte kurz daran und nickte einigen Gästen höflich zu. Dann ging sie ins Kaminzimmer, schloss leise die Tür hinter sich und inspizierte die kleine, aber gut bestückte Bar. Sie musterte kritisch die Etiketten auf den Flaschen, zog eine grüne, bauchige hervor und warf Eiswürfel in ein Glas. Dann schenkte sie etwa zwei Fingerbreit des Alkohols dazu, stellte es auf den niedrigen Couchtisch vor einen Sessel und setzte sich gegenüber auf die Couch. Sie hatte sich gerade mit ihrem Champagner zurückgelehnt und die Beine übereinandergeschlagen, als die Tür erneut geöffnet wurde. Ohne sich nach dem Besucher umzudrehen, lachte sie leise. „Ich dachte mir, dass Sie einen anständigen Scotch einem Glas Champagner vorziehen würden. Mit Eis, ohne Wasser.”
„Woher wusstest du, dass ich dir folgen würde?” Brendon Richmond kam um die Couch herum, nahm das Glas und schwenkte es leicht, bevor er einen kleinen Schluck davon trank.
„Ich wusste es einfach.”
„Ich sollte mich vor dir in acht nehmen.”
„Das gleiche hat man mir bei Ihnen empfohlen.”
„Tatsächlich? Wer?”
„Interessiert Sie das wirklich, oder wollen Sie nur reden?”
„Warum bist du so giftig?”
„Ich bin nicht giftig. Ich sage nur, was ich denke.”
„Was hältst du von mir?”
Sam musterte ihn von oben bis unten, lächelte und stellte ihr Glas auf den Tisch. Dann stand sie auf und trat ganz dicht an ihn heran. Sein Atem strich über ihre nackte Schulter und erzeugte einen Schauer. Sie legte eine Hand auf seine Brust und ging langsam um ihn herum, ließ ihre Fingerspitzen über den glatten Stoff seines Anzuges wandern. Als sie wieder vor ihm stand, nahm sie seine Krawatte zwischen die Finger und sah ihn an. „Wenn ich dich früher kennengelernt hätte, wärst du die Herausforderung für mich gewesen. An einem langen, blanken Konferenztisch sitzen, die gespannte Atmosphäre spüren, die Gesichter, die Geräusche... es gibt nichts, was aufregender ist. Und wenn man dann noch einem Gegner gegenübersitzt, von dem man weiß, dass er einem ebenbürtig, oder sogar überlegen ist, dann kribbelt es noch viel mehr, schießt pures Adrenalin durch die Adern.“ Sie fuhr sich über den Oberarm, spürte die Gänsehaut unter den Fingerspitzen. „Wow“, hauchte sie und schüttelte kurz den Kopf, als könnte sie so die Erinnerungen vertreiben. Dann sah sie ihn an, offen und direkt in die Augen. „Man sagt von dir, dass du immer bekommst, was du willst. Und jetzt? Willst du etwas, das du nicht mehr haben kannst? Weil es nicht mehr da ist? Meine Zeit ist vorbei, Casanova“, meinte sie, die Stimme tief und dunkel. „Such dir lieber ein anderes Spielzeug. Es gibt so viele Frauen da draußen, die für ein bisschen Spaß mit dir sterben würden. Und es gibt so viele Firmen, an denen du dich austoben kannst. Dein Spielplatz ist die Welt, nicht dieses Haus – und nicht mein Verstand. Den nutze ich nur noch für private Zwecke“, fügte sie merklich kühler hinzu.
Er sah sie nachdenklich an, schien sogar etwas überrascht. „Du bist wirklich ziemlich direkt,” meinte er, stellte sein Glas ebenfalls ab und nahm ihre Hand in seine. „Was deinen Job angeht, darüber reden wir noch. Außerdem hast du meine Frage nicht beantwortet, auch wenn das, was du sagtest, stimmt. Aber in erster Linie dachte ich daran, wie ich dich in mein Bett kriege.”
Madonna. Samantha schluckte. Dieses Thema lag ihr überhaupt nicht.
Sie wollte sich abwenden, aber er hielt sie fest. „Du bist doch nicht etwa überrascht, weil ich genauso offen bin wie du?”
„Nein. Aber du hast keine Chance, Casanova.”
„Warum nicht?”
„Weil ich in wenigen Wochen verheiratet sein werde. Ich glaube nicht, dass es richtig wäre, jetzt mit dir ins Bett zu gehen.”
„Du bist nicht mal verlobt. Das bedeutet, dass du genauso frei bist wie ich. Was also sollte dich daran hindern? Ich weiß, dass du...”
„Das ich es genauso will wie du?”, unterbrach sie ihn und lachte leise. Sie befreite sich mühelos aus seinem Griff, nahm ihr Glas und nippte daran. Dann stellte sie es zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Brendon beobachtete jede ihrer Bewegungen. Sam erschauerte, als sie an seine Umarmung beim Tanzen dachte, an den leichten, verlockenden Kuss und daran, was sie jetzt am liebsten mit ihm tun würde. Aber sie musste sich zusammenreißen. „Im Geschäft lernt man zuerst die eigenen Interessen zurückzustellen. Das ist manchmal auch im Privatleben nötig.” Ihr Ton klang geschäftsmäßig nüchtern und sie sah ihn kalt an. Na ja, kalt war ein wenig übertrieben. Aber bestimmt nicht mehr so, dass er an das dabei dachte. Oder denken könnte, dass sie daran dachte.
„Du versteckst dich schon wieder hinter der Fassade der eiskalten Geschäftsfrau,” meinte er leise und kam näher. Er nahm sie an den Schultern und zog sie an sich. Sam dachte überhaupt nicht an Gegenwehr. Sie ließ die Arme einfach baumeln, war neugierig und ein wenig aufgeregt, was passieren würde, wie weit er ging. Sie senkte kurz den Blick, als er seine Hände hinter ihrem Rücken verschränkte, sah sein Lächeln, das wohl beruhigend wirken sollte, sie eher aufwühlte.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, ob du es willst, oder nicht. Unabhängig davon, ob du es tatsächlich zulassen wirst.”
„Ich bin genauso neugierig wie jede andere Frau auf dieser Party, ob das, was über dich gesagt wird, der Wahrheit entspricht. Aber ich werde nicht herausfinden, was an diesem Ruf stimmt und was man großzügig hinzugefügt hat.”
„Schade,” meinte er und sah sie mit funkelnden Augen an. „Ich hätte dir gern gezeigt, was an diesem Ruf stimmt und was nicht.”
Samantha lachte auf. Sie fühlte sich wohl in seiner Umarmung, musste aber das Kribbeln im Magen ignorieren, um konzentriert zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen. Brendon Richmond hatte wahrscheinlich keine Ahnung, wie gern sie mit ihm oben in ihrem Schlafzimmer verschwinden würde. Aber sie durfte die Hochzeit mit Nicolas Forsyth nicht gefährden. Der würde garantiert keine Freudensprünge machen, wenn er erfuhr, dass sie wenige Wochen vor der Hochzeit mit einem anderen Mann geschlafen hatte. „Du hast keine Chance, Casanova.”
„Wirklich nicht?”
„Nein,” erwiderte sie weit weniger bestimmt, als sie eigentlich sollte. „Ich denke, dass es besser ist, wenn ...“
„Denk mal darüber nach,” unterbrach er sie, legte eine Hand an ihren Hinterkopf und senkte gleichzeitig den Kopf.
Samantha wollte sich abwenden, aber er hielt sie fest. Sein Kuss war so leidenschaftlich, dass sich ihr Verstand auf der Stelle verabschiedete. Schwups. Sie seufzte, öffnete bereitwillig die Lippen, als seine Zunge dagegen drängte und genoss das intensive Gefühl, als das Verlangen in ihr erwachte. Das Ziehen in ihrem Schoß wurde stärker, ihre Haut kribbelte dort, wo er sie streichelte, pflanzte sich fort und breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Zum Teufel mit Nicolas Forsyth. Sie stöhnte leise auf, nahm seinen Kopf in beide Hände und bog sich seinen Lippen entgegen, die zu ihrem Brustansatz wanderten. Er liebkoste den Ausschnitt ihres Kleides, streichelte über ihren Rücken und hob sie auf seine Arme, ohne die Lippen von ihrer empfindlichen Haut zu nehmen. Automatisch legte Sam einen Arm auf seine Schultern, hielt sich an ihm fest und bog den Kopf weit zurück. Sie bekam kaum mit, dass er sie auf die Couch legte und sich daneben kniete. Seine Hände glitten über ihre Hüfte, ihren Bauch und zögerten kurz, bevor er eine Hand auf ihre Brust legte und die andere zu ihrer Hüfte zurückkehrte.
Samantha zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn ungewohnt leidenschaftlich, hielt die Augen fest geschlossen, um die intensiven, berauschenden Gefühle zu genießen.