Yildirim setzte sich wieder und nickte Savoy und Colbert zu, sich ebenfalls niederzulassen. Bérénice rührte sich zunächst nicht, doch Amélie Colbert fühlte mehr, als dass sie es sah, wie ihre Freundin sich entspannte. Schon wollte sie sich ihr zuwenden und sie in die Arme nehmen, als noch einmal die Stimme Yildirims erklang.
»Wir ordnen allerdings mit sofortiger Wirkung an, dass Agentin Savoy für unbestimmte Zeit – aber bei vollen Bezügen – vom aktiven Dienst suspendiert wird. Dies soll auch ihrem Schutz dienen. Erst nach einer gründlichen medizinischen Überprüfung kann ihr ein Ärzteteam die Wiederaufnahme ihres Dienstes gestatten. Sofern Agentin Savoy dies wünscht.« Er sah, dass beide Frauen immer noch standen, und lächelte leicht. »Bitte setzen Sie sich doch.«
Endlich folgten die Freigesprochene und ihre Anwältin der Aufforderung.
Richter Yildirim seufzte beinahe unmerklich und hatte dabei einen Gesichtsausdruck angenommen, der wie eine Liaison zwischen einer Zitrone und einer Orange wirkte. »Nachdem die Prägung des Kampfroboters, einem Modell der BEHEMOTH-Klasse III …«, er stoppte kurz und warf einen Blick auf seine Notizen, »… mit der Serien-Nummer 5776893B1122-Alpha, nicht rückgängig gemacht werden kann, steht es Agentin Savoy frei, den Roboter mit dem Individualnamen Freitag als ihr Eigentum anzunehmen … oder seiner sofortigen Verschrottung zuzustimmen.«
Bérénice sah überrascht zu Amélie hinüber, dann wieder zu Richter Yildirim. Der zeigte erneut den Hauch eines Lächelns und fast noch weniger wahrnehmbar die Andeutung eines Nickens. »Das letzte Wort hat die Beklagte … Entschuldigung: Agentin Savoy.«
»Ich nehme das Urteil … und die Suspendierung an. Sie sagten, Euer Ehren, ein Ärzteteam kann mich eventuell reaktivieren. Das hört sich so an, als könnte ich diese Untersuchung auch ablehnen.«
»Können Sie, Agentin Savoy. Wir sind keine Barbaren. Zwang gegenüber verdienten Agenten gehört nicht zu unserer Auffassung von Gerechtigkeit. Sie haben den Krieg mit den Mazzar beendet … zumindest in diesem Raumsektor.«
»Und Freitag gehört wirklich mir?«
»Wenn Sie ihn nicht nehmen, wird er eingeschmolzen. Die Prägung auf Sie ist irreparabel.«
Bérénice schüttelte mit dem Kopf, sodass ihre schwarzen Locken tanzten.
»Das hätte er nicht verdient. Ich nehme ihn!«
Januar 2317
Die 3. Heimatflotte unter dem Kommando von Admiralin Diana Carpenter war immer noch im Laurin-System stationiert. Bérénice und Naya befanden sich in der Kabine der schwarzhäutigen Trooperin an Bord des Flaggschiffes TSS LEONIDAS und hielten jeweils ein Glas rigelianischen Rotweins in der Hand. Beide hatten nur wenig davon getrunken und schienen auf unterschiedliche Weise davon abgehalten, ihn wirklich genießen zu können. Die Verhandlung und der Freispruch lagen erst wenige Tage zurück. Trotzdem herrschte eine undefinierte Spannung zwischen ihnen, die sie ihre alte Unbeschwertheit nicht wiederfinden und die neu gewonnene Freiheit vorerst ungenutzt bleiben ließ.
»Scanne mich!«, stieß Bérénice unvermittelt hervor und stellte abrupt ihr Glas ab. Der schwere Wein schwappte ein wenig über den Rand und rann in einer dunklen Spur auf den Tisch.
»Bist du sicher?«
»Ich vertraue dir mehr als mir selbst.«
Die Rigelianerin nickte unmerklich und dachte darüber nach, wem ihre finstere Freundin wohl überhaupt vertrauen konnte.
Kann ich ihr denn vertrauen? Sie trägt immer noch eine ganze Reihe terranischer und mazzarischer Implantate in sich. Dazu Depots geheimnisvoller Chemikalien, die sonst etwas in ihr auslösen können. Einzig den Sender hat sie sich entfernen lassen. Die Code- und Schlüsselwörter, versteckt in Myriaden von Synapsen und Gehirnwindungen, schlummern aber immer noch in ihr. Kann ich sie entdecken? Und wenn ja: Was soll ich dann tun? Ich bin weder Psychotherapeutin noch Neurologin … nur eine Empathin und Telepathin. Und wenn es kompetente Fachleute dafür gäbe … was würden sie mit ihr anstellen? Würde sie es überhaupt zulassen? Ich fürchte, sie hegt gegen die gesamte terranische Ärzteschaft eher Rache- und Todesgelüste. Rikard … Mister White war nur der Erste.
Naya strich eine widerspenstige rote Locke aus ihrem Gesicht und stellte ebenfalls ihr Glas ab. Ich muss wenigstens versuchen, ihr zu helfen. Dann senkte sie ihre Lider halb herab und sandte ihren Geist zu ihrem Gegenüber. Bérénice saß ruhig in ihrem Sessel und machte ein Gesicht, dem man ansehen konnte, wie gering sie die Chancen einstufte, von der Rigelianerin erhellende Erkenntnisse über ihren Geisteszustand zu erhalten. Und tatsächlich öffnete Naya nach nur einer Minute ihre Augen wieder vollständig und schüttelte bedauernd ihren Kopf.
»Es tut mir leid, Nice. Es geht nicht. Da ist eine Barriere, die ich nicht durchdringen kann. Aus Erfahrung weiß ich, dass solchermaßen konditionierte Gehirne nicht allein auf para-sensitive Weise durchleuchtet werden können.«
»Aber auf chemische Weise.«
Naya erschrak. »Das wirst du doch wohl nicht ernsthaft in Erwägung ziehen? Die Erfolgsaussichten sind mehr als fraglich. Die dabei entstehenden Schäden dagegen treten umso zuverlässiger ein. Ich habe Probanden erlebt, die nach einer solchen Prozedur nicht mehr waren, als stupide vor sich hin glotzende Pflanzen.« Sie schüttelte angewidert ihren Kopf. »Du wirst damit leben müssen.«
»Und mich immer wieder fragen, ob meine Handlungen aus mir selbst entstehen … oder das Reagieren auf irgendein Schlüsselwort sind?« Bérénices Wangenknochen mahlten und ein gehetztes Flackern durchzuckte ihre Augen.
»Ja, so wird dein Leben von jetzt an sein.« Naya beugte sich nach vorne und legte ihre Rechte auf eine Hand der ehemaligen Trooperin. »Auch wenn meine Fähigkeiten bei dir nutzlos sind: Ich werde auf dich aufpassen … wenn du das willst.«
»Was ist mit deiner Dienstverpflichtung?«, fragte Bérénice. »Ich bin ja vorerst davon entbunden.«
Naya lächelte schwach. »Sie haben mir freigestellt, ob ich zu meiner Einheit zurückgehe oder bei dir bleibe.«
»Und?«
»Ich lasse dich nicht allein.«
Das Gesicht ihrer Freundin entspannte sich. Nur um unmittelbar danach die Härte anzunehmen, die eine unausgesprochene Warnung an alle war, die in dieser Frau Black Ice sahen. »Das freut mich … mehr als du glauben dürftest.« Dann nahm Bérénice ihre zweite Hand und legte sie auf die Nayas und ihre eigene. »Ich werde nicht still auf dem Sofa sitzen, meine Liebe. Ich nehme dich und Freitag … und fliege zurück nach Samboll.«
Die Rigelianerin riss die Augen auf. »Was willst du dort? Die Gefangenen werden sicher durch ein Trooperkontingent befreit werden. Die Terranische Föderation wird wahrscheinlich den ganzen Planeten nach Lagern und Überlebenden absuchen. Und wenn die Mazzar Wort halten, werden sie auch ihre Verbündeten dazu bringen, Frieden zu schließen.«
»Ich glaube nicht, dass ich so lange warten kann, Liebes. Siyoss und Bozadd haben schon zugestimmt, als ich sie fragte.« Dann grinste sie und Naya sah förmlich all die kommenden Gefahren darin aufblitzen. »Selbst das Spionageschiff der Mazzar-Agenten darf ich behalten.«
»Is´ nicht dein Ernst!«
»Oh doch. Der Grund dafür ist einfach: Es gibt keinen Menschen außer mir, der es bedienen kann.«
Ihr säuerlicher Tonfall erinnerte Naya daran, dass ihre Freundin nur einen Teil der Mazzar-Einrichtungen bewusst bedienen konnte. Der andere, bislang unbewusste Teil, machte beiden Frauen immer noch Sorgen. Gelinde ausgedrückt.
Bérénice lächelte zaghaft. »Freitag wird