Aevum. Werner Karl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Karl
Издательство: Bookwire
Серия: Black Ice
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748587880
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Und wo ist das zweite Schwert?

      Sie erhob sich mühsam und stöhnte ein wenig wegen ihrer verspannten Muskulatur. Also legte sie das Tagebuch des Doktors behutsam auf den Boden und machte ein paar Lockerungsübungen. Ohne Worte schlossen sich ihr Naya und Laurent Girard an. Jeder Trooper kannte die Übungen, die aus einer Mischung aus Tai-Chi und Capoeira bestanden.

      Als sie damit fertig waren, hatte Bérénice ein Funkeln in den Augen.

      »Wurde deine Hoffnung erfüllt?«, fragte Naya und Girard blickte ein wenig verständnislos beide Frauen an.

      »Ja, eine Menge Rätsel sind gelöst. Aber noch nicht alle …«

      »Aber du scheinst zu hoffen, sie auch noch beantwortet zu bekommen. Dein Gesichtsausdruck lässt sich nicht anders deuten.«

      »Du kennst mich mittlerweile recht gut, meine Liebe.« Dann lächelte Bérénice, doch es lag nicht nur Freude darin. »Warten wir es ab. Morgen früh gehen wir an den Strand …«

      Februar 2317

      Das kleine Mazzar-Raumschiff schwebte im Tarnmodus in einer Höhe von einigen Kilometern über einer der größten Küstenlinien des Planeten Samboll. Mit mäßigem Tempo folgte es seit einer halben Stunde deren Verlauf. Zwar besaß der Dschungelplanet eine nahezu unendliche Zahl an Seen unterschiedlichster Größe, aber nur eine einzige Wasserfläche, welche die Bezeichnung Meer rechtfertigte. Bérénice war sich ziemlich sicher, dass Doktor Muramasa von dem Schlächter nur an diese Küste gebracht worden sein konnte.

      Naya indes teilte nicht unbedingt die Rückschlüsse, die ihre Freundin aus den wenigen Hinweisen im Tagebuch des Doktors gezogen hatte.

      »Du sagst selbst, dass er kurz vor seinem Tod unter Aussetzern und Wahrnehmungsstörungen gelitten hat«, wiederholte sie gerade ihre Bedenken. »Selbst wenn er einen lichten Moment gehabt hätte, hätten die Sambolli ihm sicher nicht gezeigt, wohin sie ihn bringen. Und: Wie wir schon während des Eintauchens in die Atmosphäre festgestellt haben, gibt es etliche Stellen, die seiner Schilderung entsprechen. Was bringt dich also dazu, anzunehmen, genau hier sei seine primitive Schmiede zu finden?«

      Bérénice zuckte mit den Schultern und deutete auf den Frontbildschirm. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sambolli ihn zu einer weiter entfernten und ähnlich geeigneten Stelle geflogen hätten. Diese hier liegt dem Lager am nächsten. Allen kleineren und größeren Seen dazwischen fehlt die außergewöhnliche Zahl von Termitenbauten, die er erwähnt hat. Und nur bei einer ausreichenden Menge solcher Bauten, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sich einige davon – ich gebe zu: eher zufällig – zu einem Kreis angeordnet haben.«

      »Den wir noch nicht …«, warf Naya ein und unterbrach sich, als auf dem Monitor genau so eine Anordnung auftauchte, nach der sie Ausschau hielten. »Dort«, stieß sie hervor und richtete ihren ausgestreckten Zeigefinger auf eine Kreisformation, die zu auffällig war, als dass sie ausschließlich natürlichen Ursprungs hätte sein können.

      »Siehst du?«, antwortete Bérénice triumphierend und registrierte, wie Bozadd ihren Kurs ein wenig korrigierte.

      »Soll ich landen?«, fragte er und gab damit wieder einmal zu verstehen, dass er die schwarzhäutige Agentin außer Dienst als Kommandantin des Mazzarschiffes anerkannte.

      »Nein, noch nicht, Bozadd«, antwortete Bérénice. »Kreisen Sie um die Stelle und fliegen dann einmal direkt darüber hinweg. Ich möchte sehen, was dort ist, bevor wir landen.«

      Er nickte stumm und nahm die entsprechenden Schaltungen vor.

      Laurent Girard hatte Naya schon beim Start gefragt, warum nicht der mittlerweile einzige Mazzar unter ihnen der Besitzer des Schiffes sei, sondern Bérénice Savoy. Die Rigelianerin hatte nur den Kopf geschüttelt und gemurmelt, die Erklärung dafür würde zu lange dauern und ihn aufgefordert, bei Gelegenheit die jetzige Eigentümerin danach zu fragen. Sein erneut bewundernder Blick für die dunkle Amazone hatte sie für einen Moment in Versuchung gebracht, ihm doch einen Teil der Vorgeschichte zu erzählen. Mit dem Schwerpunkt, dass Nice ihre Geliebte sei. Aber dann hatte sie darauf verzichtet. Nicht zuletzt, weil sie sich dessen gar nicht mehr so sicher war. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt miteinander geschlafen hatten. Zu viel war in der Zwischenzeit geschehen und aktuell deutete sich keine Ruhephase an, in der eine der beiden Frauen die Gesellschaft der anderen hätte suchen, geschweige denn genießen können.

      Nun standen Naya und Girard zu beiden Seiten Savoys und verfolgten die Bilder, welche der Monitor lieferte.

      »Was hoffst du eigentlich hier zu finden, Nice? Du hast sein Schwert und sein Tagebuch. Wir haben die Gefangenen befreit … was willst du noch hier?« Naya blickte auf den Kreis aus Termitenbauten und sah, dass die Lücken dazwischen mit großen Stämmen aufgefüllt worden waren. Jetzt allerdings war von diesen Palisaden nur noch ein kümmerlicher Rest übrig. Deutliche Spuren von Zerfall und sicher auch Tieren hatten aus dem Wall eine Sammlung vermodernden Holzes gemacht, das beim nächsten kräftigen Sturm auseinanderbrechen würde, wie ein loser Haufen Mikado-Stäbchen.

      Bérénice drehte sich ihr zu und wirkte überrascht. »Ich weiß es nicht, meine Liebe«, erwiderte sie plötzlich ernüchtert. »Es ist eher ein Gefühl der Verbundenheit. Wenn wir den Planeten verlassen, dann lasse ich den Doktor endgültig zurück. Als würde er erst durch meinen Abflug wirklich sterben … verstehst du das?«

      Zu ihrer aller Verblüffung antwortete Bozadd mit leiser, aber deutlicher Stimme. »Dieser Mann wird niemals wirklich sterben, Menschenfrau.« Der ständig aktivierte Translator passte sich automatisch seiner Lautstärke an und gab Worte von sich, die niemand der drei Menschen an Bord erwartet hätte. »Ihre Erinnerung an ihn erhält ihn am Leben. Genau so betrachten wir Mazzar unsere Verstorbenen. Wir errichten seit Jahrtausenden Nekropolen, in denen wir unsere Toten konservieren und regelmäßig besuchen.« Er wandte sich um und musterte Bérénice mit einem seltsamen Blick. »Ihre Gedanken an ihn und vielleicht auch andere Verstorbene aus Ihrem Nest, machen Sie uns ähnlicher als Sie eventuell noch vor einigen Monaten gedacht haben, Menschenfrau. Dies ist einer der Gründe, warum ich daran glauben kann, dass wir Pazifisten den einzig richtigen Weg gewählt haben. Der Krieg zwischen Menschen und Mazzar war und ist völlig sinnlos. Ich bin glücklich, dazu beitragen zu dürfen, ihn für immer zu beenden.«

      Es war eine der längsten Äußerungen, die Bozadd seit dem Tod seiner Pazifistenkollegin von sich gegeben hatte.

      »Und wir werden auch Siyoss im Gedächtnis behalten, mein Freund«, versicherte Bérénice und hatte Tränen in den Augen.

      Die Rigelianerin dachte an die Ähnlichkeiten zwischen irdischen und mazzarischen Totenkulten. Auch wir haben mehrere Religionen, die so über unsere Toten denken. Vielleicht ein weiterer Punkt, den man bei den nächsten Begegnungen zur Sprache bringen kann.

      Naya und Girard blieben dennoch stumm, jeder aus einem anderen Grund. Aber alle an Bord täuschten sich darin, einer Zeit des Friedens entgegenzugehen.

      Bérénice hielt sich seit einer Stunde inmitten der Schmiede Doktor Muramasas auf und wirkte auf Naya ziemlich enttäuscht. Ratlos ging die Haitianerin zu dem Haufen, der einmal den Kohlemeiler dargestellt haben musste. Das verrottende Material strömte zwar immer noch schwach den Geruch von Holzkohle aus. Aber sein Zustand ließ für Naya erkennbar die alten Zweifel der schwarzen Trooperin neu auftauchen. Der einzige Gegenstand, der an die immensen Anstrengungen des Todgeweihten wirklich erinnerte, war der Amboss. Er war an diesem Strand so fehl am Platz, dass er auf Naya wie ein außerirdisches und nicht von Menschenhand gefertigtes Artefakt wirkte. Trotzdem war er es, der selbst in ihr das Gefühl weckte, als würde der Doktor gleich um die Ecke kommen und mit seiner Arbeit fortfahren.

      Naya saß auf der Spitze eines leeren Insektenbaues und ließ ihren Blick abwechselnd zu Bérénice, Laurent Girard und Freitag schweifen. Das Scoutschiff der Mazzar stand nicht weit entfernt am Rand des Dschungels. Bozadd war an Bord geblieben und schien in seiner neuen Einsamkeit gefangen zu sein.

      Die drei Menschen hatten gleich nach ihrer Landung festgestellt, dass alle Insektenbauten des