Alle wirbelten zu ihnen herum und glotzten sie wie eine Erscheinung an. Und genau das waren die beiden Frauen auch: eine Erscheinung in Form gesunder, durchtrainierter Trooperinnen, angetan in die üblichen nachtblauen leichten Kampfsuits des Terranischen Spacetrooper-Korps. Selbst Saddis-til-saddis blieb der Mund offen stehen. Die Gefangenen jedoch brachen in ein Jubelgeschrei aus, das Hunderte Vögel aus den Wipfeln der Umgebung vertrieb.
Bérénice öffnete das Visier ihres Helmes und winkte lässig nach hinten. Gleichzeitig traten die beiden Mazzar und Freitag hervor. Beiden Seiten, also den Wärtern und Gefangenen, fielen fast die Augen aus dem Kopf. Zwei der Herren der Sambolli, zwei Todfeinde der Menschheit, im Verbund mit einem BEHEMOTH, einem der modernsten Kampfrobotermodelle der Terraner. Das war zu viel für sie. Fast alle Sambolli ließen ihre Waffen fallen, nur sehr wenige zeigten sich störrisch.
Erneut machte Bérénice eine leichte Bewegung und Freitag aktivierte den Translator.
»Saddis-til-saddis«, erklang ihre Stimme gleichzeitig auf Terranisch und Samboll. »Der Krieg zwischen den Mazzar, Ihren Verbündeten, und der Menschheit ist beendet. Ich habe ihn beendet.« Bérénice hatte mit dieser Formulierung gerungen, schließlich war sie keine Angeberin. Doch alle waren sich einig gewesen, Saddis-til-saddis nur so beeindrucken zu können. »Wenn Sie auch nur eine Hand gegen uns erheben, werde ich Sie und alle anderen Sambolli hier ohne zu zögern töten.« Um ihre Worte zu unterstreichen, zog sie mit der Rechten langsam ihr Katana aus der Rückenscheide. In ihrer linken Hand hielt sie ihren Nadler, den Lauf lässig nach unten gerichtet. »Sie haben den Tod mehrfach verdient. Aber ich will von Ihnen noch einige Fragen beantwortet haben.«
Saddis-til-saddis antwortete nicht. Sein Blick war starr auf das japanische Schwert gerichtet. Bérénice sah seinen Blick, interpretierte ihn aber als allgemeine Faszination der Sambolli für jegliche Klingen.
»Haben Sie mich verstanden?«, fuhr sie fort. »Die beiden Mazzar hier sind meine Freunde.« Der letzte Satz war auch an die Gefangenen gerichtet. Doch niemand sagte etwas. Erst langsam kam Gemurmel auf.
»Wir kommen nach Hause.«
»Der Krieg ist vorbei.«
»Wer hat ihn gewonnen?«
Und dergleichen mehr.
Ganz allmählich wurde den über zweihundert Gefangenen bewusst, dass ihre Wächter die Waffen gestreckt hatten und sie eindeutig in der Überzahl waren. Dazu die beiden Trooperinnen, ihr Kamerad und nicht zuletzt ein offensichtlich voll funktionsfähiger Kampfroboter. Das freudige Gemurmel wandelte sich zu deutlichen Rufen, zwischen denen Worte und Sätze wie »Greifen wir sie an!«, »Rache für Jorge.« und »Tötet sie!« immer häufiger auftauchten. Auch die Sambolli vernahmen die rasch ansteigende Unruhe und sie wandten sich nervös zu ihrem Kommandanten um, der immer noch bewegungslos vor seiner Hütte stand und zu keiner Tat oder Worten in der Lage zu sein schien. Wie gebannt glotzte er auf das Schwert in der Hand der schwarzen Trooperin.
Schließlich fing die Menge an, sich zu bewegen, und Bérénice spürte, dass sich die Wut der Gefangenen jeden Augenblick entladen würde.
»Hört auf damit, Kameraden!«, rief sie und gleichzeitig übersetzte der Translator ihre Worte in das insektenhafte Tackern der Sambolli-Sprache. Aber das schien Saddis-til-saddis wenig zu beeindrucken. Allein sein kurzer Blick auf den BEHEMOTH verriet, dass er instinktiv erkannt hatte, von welchem Gegner die größte Gefahr drohte. Wahrscheinlich hatte er noch nie einen irdischen Kampfroboter der Klasse III in Aktion gesehen. Denn sein ohrenbetäubendes Tackern durchschnitt die Rufe der Menge mit Leichtigkeit.
»Krieger! Tötet die Menschen und die beiden Verräter!«
Entweder war es blinder Gehorsam, die schiere Angst oder einfach der sprichwörtliche Kampfeswille der Sambolli, vielleicht auch ein Mix aus all dem. Sie zögerten keine Sekunde, dem Befehl ihres Kommandanten Folge zu leisten. Sie packten die vor ihnen liegenden Hellebarden und wirbelten zu den immer näher drängenden Menschen herum. Die Sambolli zögerten keine Sekunde und gingen rücksichtslos zum Angriff über. Im Reflex erhobene Arme fielen den niedersausenden Klingen zum Opfer und fast ein halbes Dutzend Männer warf sich vor Schmerz brüllend zu Boden, stoßweise Blut aus den Stümpfen verlierend.
Bérénice, Naya und Girard überwanden ihr Entsetzen über den unvermittelten Gewaltausbruch und warfen sich in das Getümmel. Das Katana, eine Lasersichel und eine Hellebarde brachten innerhalb von Augenblicken mehr als acht Sambolli-Krieger zu Fall. Doch noch kämpften etwa dreißig von ihnen mit aller Macht gegen die Menschen.
Freitag hatte sich mit rasenden Schritten durch die Menge der Gefangenen geschoben, sorgsam darauf achtend, nicht einen der Männer und Frauen aus Versehen mit seinem Gewicht niederzutrampeln. Jetzt hatte er die Reihen durchschritten und freies Schussfeld. Ohne noch länger zu zögern, jagte er Schuss um Schuss aus seinen Unterarmläufen ab. Die Projektile fanden mit maschinenhafter Präzision ihre Ziele und mähten die Sambolli-Reihen regelrecht nieder. Ein Regen aus nougatbraunem Sambolli-Blut spritzte über den Kampfplatz, gefolgt von zerfetztem Gewebe und zu Hunderten Splittern zerborstenen Chitinpanzern. Es ging so schnell, dass von einem Augenblick zum nächsten der meiste Kampflärm erstarb und nur noch drei, vier Kontrahenten miteinander rangen; unter ihnen die rasenden Amazonen in ihren nachtblauen Kampfmonturen.
Als der letzte Sambolli-Wärter tot zu Füßen Girards lag, brüllten die Sieger auf und gaben ihrer Anspannung mit wilden, heiseren Schreien ein vielstimmiges Ventil. Bérénice beobachtete befremdet, dass der Franco-Kanadier einen fanatischen Ausdruck in den Augen trug, als er auf die entstellte Leiche eines Sambolli-Wärters vor sich starrte. Nur mit Mühe schien sich Girard wieder unter Kontrolle bringen zu können. Doch dann brachte das Stöhnen der Verletzten und Sterbenden ihn und die anderen Gefangenen wieder zur Besinnung und sie knieten nieder, um den Strömen roten Blutes Einhalt zu gebieten. Die Hellebarden hatten ganze Arbeit geleistet. Binnen weniger Minuten verbluteten alle, die von den Klingen malträtiert worden waren. Viele der Überlebenden sanken zu Boden, manche schluchzten oder weinten still mit bebenden Oberkörpern.
Und doch war es noch nicht vorbei.
Saddis-til-saddis hatte den Kampf mit eiskalten Blicken verfolgt und zückte nun eine Waffe, mit der nicht einmal Bérénice gerechnet hatte. Der Lagerkommandant richtete einen Mazzar-Blitzer auf sie, mühte sich aber einige Sekunden mit der Zielerfassung ab. Siyoss hatte mehr zufällig in seine Richtung gesehen und die Waffe sofort erkannt. Als sie sich duckte und zum Sprung in die Luft schleuderte, hatte Saddis-til-saddis den richtigen Schalter gefunden und erneut sein Ziel anvisiert. Dann drückte er ab …
Bérénice sah einen großen Schatten vor sich in der Luft und warf sich automatisch zu Boden. Sie hörte ein seltsam künstlich klingendes Fauchen. Noch während sie sich abrollte, erfasste sie aus den Augenwinkeln die Mazzarfrau, die gerade getroffen wurde. Mit einer Wucht, die einer gewaltigen Dampframme alle Ehre gemacht hätte, erfasste die Energie aus der Mazzar-Waffe die Pazifistin. Es zerriss ihr förmlich die Brust, ließ für einen Moment einen Blick in das Innere ihres massigen Körpers zu … dann verschlang ein rasender Brand den Rest der Außerirdischen und ließ nur feinste Aschepartikel übrig, die wie ein finsteres Totentuch auf die Trooperin herabfielen.
Naya, Girard und Bozadd hatten – wie die Masse der Gefangenen – von dem Schuss nur das bösartige Fauchen vernommen. Als jetzt der BEHEMOTH eine Minirakete abfeuerte, glaubten sie an neu aufgetauchte Gegner und warfen sich sämtlich zu Boden. Der unmittelbar auf den Abschuss erfolgte Einschlag und die Druckwelle drückten sie noch tiefer nieder. Saddis-til-saddis verging in einem Feuerball, der auch die Baracke dahinter in Zehntausende zerberstende Partikel aus Asche und kleinen Kohlestückchen verwandelte. Nur ein kümmerlicher Rest im hintersten Bereich der Kommandantenbaracke blieb stehen und schwelte langsam vor sich hin, als die Flammen sich verzehrt hatten.
Bozadd kam näher und blickte unverwandt auf den schwarzen Fleck, der Bérénice umgab und eine vage menschliche Kontur