ein wenig ausruhen.«
»Ich bleibe lieber an Deck«, sagte Leoryn unbeschwert. »Ich habe das
Meer noch nie auf diese Weise erlebt und möchte den Anblick genießen.«
Herolas lächelte erfreut, und sein Steuermann stieß ein zufriedenes
Brummen aus, doch Lotaras, der das genaue Gegenteil empfand, versprach
sich Abhilfe für seinen Magen, wenn er das unruhige Wasser nicht mehr vor
Augen hatte. Also nickte er dem Kapitän zu und stieg die kleine Treppe
hinunter, an deren Ende er auf schmerzhafte Weise feststellen musste, dass
man unter Deck nicht aufrecht stehen konnte, und so betrachtete er nun den
Innenausbau des Pfeilschiffes in gebückter Haltung.
Das Erste, was ihm auffiel, war der glatte Boden, der mit Hölzern
ausgelegt war, zwischen denen es golden hervorschimmerte. Lotaras konnte
hier unten keine Lampe entdecken und begnügte sich daher mit dem Licht,
das durch die offene Luke hereinfiel und umherwanderte, wenn sich das Segel
bewegte oder das Schiff sich neigte, was allerdings für Lotaras’ Magen nicht
viel erfreulicher war als der Anblick der Wellen. In der Mitte des niedrigen
Raumes standen ein Tisch und zwei Bänke, die alle fest mit dem Boden
verbunden waren, sowie mehrere Kisten, die wohl die persönliche Habe der
Besatzung enthielten. Entlang der Seiten standen mehrere schmale,
übereinander errichtete Schlafstätten, die an den Seiten mit hohen, fein
gearbeiteten Handläufen versehen waren, welche Lotaras verwundert
betrachtete.
Ein Schatten legte sich über die Luke, und Kapitän Herolas blickte herein.
»Wegen des Seegangs«, merkte er beiläufig an. »Es kann unruhig werden,
wenn wir schlafen, und keiner möchte dann aus seiner Bettstatt fallen. Sie
mögen nicht bequem aussehen, aber glaube mir, Bruder des Waldes, wenn
man müde ist, so liegt man hier wie im Schoß seiner Mutter.«
Lotaras stampfte mit dem Fuß auf den Boden. »Habt ihr Gold hier
drunter?«
»Jede Menge.« Herolas lachte. »Der Mast ragt hoch auf, und so brauchen
wir ein starkes Gegengewicht, damit unsere feine ›Sturmschwinge‹ nicht
kippt. Der Rumpf ist über seinem Fuß teilweise mit massivem Gold
ausgegossen. Es ist schwer, wird nicht vom Wasser angegriffen und hält das
Schiff aufrecht.«
Der Kapitän machte mit der einen Hand eine unbestimmte Geste und hielt
sich mit der anderen am Handlauf der Treppe fest, als das Schiff ein wenig
überholte und sich stärker neigte. »Wenn du Durst oder Hunger hast, findest
du alles in den Kisten. Sie sind wasserdicht, damit nichts verderben kann,
falls wir Wasser aufnehmen.«
»Wasser aufnehmen?«
»Du brauchst nicht zu erblassen, Bruder des Waldes. Wenn wir besseren
Wind bekommen und die Fahrt schneller wird, kann ein wenig Wasser
hereinspritzen.«
Lotaras begann sich zu fragen, ob der Aufenthalt auf dem Schiffsdeck
nicht sicherer war. »Und wenn zu viel Wasser hereinspritzt?« Er wies auf das
glänzende Gold unter seinen Füßen. »Das Metall ist schwer.«
Herolas wies zu einer der Streben des Rumpfes. »Dort befindet sich eine
Pumpe, mit der man das Wasser herausbefördern kann. Das hält einen richtig
warm.«
Lotaras hielt sich wankend an einer Strebe fest und fluchte, als er sich
erneut den Kopf stieß. Sein Helm wurde nach vorne gedrückt und schob sich
über seine Augen. Er hörte das freundliche Lachen des Kapitäns und ärgerte
sich über dessen gutmütigen Spott. »Nach einer Weile bekommst du richtige
Seefüße, Bruder des Waldes. Man gewöhnt sich an die Bewegungen des
Schiffes. Oh, man beginnt sie sogar zu lieben.«
»Aha.« Lotaras konnte sich das kaum vorstellen. Er liebte diese
Bewegungen jedenfalls nicht und sein Magen hasste sie sogar. Er hatte lieber
die Kontrolle über seine Beine und nicht gerne das Gefühl, der Willkür eines
schaukelnden Schiffes ausgesetzt zu sein.
Die See wurde spürbar unruhiger. Kapitän Herolas nickte Lotaras zu und
trat wieder neben seinen Steuermann. »Steuere weiter auf das Meer hinaus«,
sagte er zu Gendrion. »Falls wirklich ein Sturm kommt, will ich nicht von
ihm an die Küste gedrückt werden.«
»Sei gewiss, der Sturm kommt«, brummte Gendrion.
Das Schiff begann nun auch seitlich zu schwingen. Eine unregelmäßige
Folge von Auf- und Abbewegungen und seitlichen Neigungen, die seinem
Magen immer weniger behagte, ließ Lotaras erneut nach Halt suchen, als er
wieder auf Deck trat. Er versuchte, seinen Blick auf einen Teil des Schiffes zu
fixieren, denn immer, wenn er auf das wallende Meer sah, schien sein Magen
das Bestreben zu haben, den Bewegungen des Wassers zu folgen.
»Ist es nicht eintönig, so lange Jahre über das Meer zu fahren?«, fragte er
den See-Elfen neben sich. »Hier gibt es doch nichts außer Wind und Wellen,
Wellen und Wind.«
»Meinst du?« Der See-Elf lachte. »Beuge dich ein wenig über den
Handlauf und schaue ins Wasser hinab, Bruder des Waldes. Dann siehst du,
wie sehr das Meer lebt.«
Lotaras verzichtete darauf, denn er bemerkte gerade, wie sehr sein Magen
zu leben begann.
Der elfische Seemann wies um sich. »Nirgends sonst wirst du solche
Schönheit finden. Sonne und Wolken, ja, selbst ein Sturm verzaubern das
Wasser. Immer neue Formen und Reflexe entstehen. Die Wellen bäumen sich
auf und fließen ineinander.«
In Lotaras Magen begann sich Ähnliches abzuspielen, aber der See-Elf
fuhr ungerührt fort. »In der Nähe des Landes findet man Unmengen von
Seevögeln, die auf der Jagd nach Fischen sind, und im Wasser wimmelt es