»Wirklich? Sehr gut. Nichts ist schlimmer, als nicht ein bisschen zu spinnen. Das Leben wäre sonst viel zu langweilig.«
Würde sie mich nicht mit diesen stechenden, intelligenten Augen anschauen und hätte sie nicht dieses verspielte Zucken in ihren nur fast lächelnden Mundwinkeln, ich würde sie für völlig verrückt erklären.
»Du hast also keinen Ehemann?«
Oder ist sie doch verrückt? Trotz dieser Augen?
»Nein... Also, verheiratet bin ich nicht.«
Will sie sich gerade mit diesem Zögern ein Hintertürchen offen halten und mir später sagen, dass sie eigentlich einen Freund oder einen Verlobten hat, der gleich um die Ecke kommt? Das könnte sein. Sie spinnt. Sie spinnt wirklich. Und das schöne ist, mir ist das ziemlich egal. Denn die ganze Sache hier ist ausgesprochen unterhaltsam. Und ich schaue gerne in ihre Augen. Ich höre mir das jetzt einfach bis zu Ende an.
»Also, dein Mann, kommt nicht gleich vorbei. Sonst irgendwer?«
»Nein, ich bin allein hier.«
Ob sie einen Freund hat oder nicht, spielt ja nun wirklich keine Rolle.
»Du?«
»Also ich... Ich bin auch allein hier. Keine Ehefrau, kein Ehemann, keine Lügengeschichten.«
»Du! Entschuldige! Ich... Ich... Ich lüge sonst nicht viel. Ich will auch nicht, dass du mich für verrückt hältst. Die ganze Geschichte hat sich so ergeben. Ich wollte eigentlich nur deine Reaktion testen. Und dann... und dann...«
Und dann habe ich zickig und eingeschnappt reagiert, weil ich eifersüchtig auf deinen nicht existenten Ehemann war.
«...und dann... ist meine Geschichte ein bisschen mit mir durchgebrannt.«
Vielleicht bin ich ja schuld. Wollte sie wirklich nur meine Reaktion testen, wie ich reagiere, wenn sie mir offenbart, dass ihr Ehemann gleich vor mir steht?
»Wir haben uns so schön gegenseitig hoch genommen...«
Das stimmt. Und am Anfang habe ich auch ganz souverän geführt bei dem kleinen Duell. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, wer hier gewonnen hat. Ich schenke ihr den Sieg einfach:
»Schätze, du hast gewonnen.«
»Schätze, da hast du recht.«
»Zicke!«
»Zicke?«
Was für ein Lächeln!
»Oder, blöde Kuh?«
»Schlechter Verlierer? Ganz schlechter Verlierer, Arsch!«
»Was heißt denn hier Verliererarsch? Ich hatte vielleicht einen mittelguten Start, aber am Ende gewinne ich immer. Ich bin ein Gewinnerarsch.«
»Na, das werden wir ja mal sehen.«
»Willst du ein Bier?«
»Cuatro oder diez?.«
»Erstmal für jeden eins?«
»Auf keinen Fall. Es ist 4 Uhr nachmittags!«
»Heute noch was vor?«
»Ich wollte Kite surfen.«
»Aber heute ist kein Wind.«
»Na dann...«
»Na dann, ein Bier?«
»Na dann eben nicht. Ist mir noch zu früh.«
»Och!«
»Gehen wir zum Strand? Ich war noch nicht da. Ich bin wirklich gerade erst angekommen.«
»Von mir aus. Aber ein ganz kleines Bierchen vielleicht?«
»Später?«
»Abgemacht. Später.«
»Wollen wir los?«
Das Geld für den Kaffee lasse ich mal lieber auf dem Tisch liegen. Dann muss ich nicht wieder spanisch reden.
»Okay. Gehen wir.«
»Hat der Hobby-Macho gerade die Dame auf einen Kaffee eingeladen?«
»Ja. Und zwar selbstverständlich.«
»Und einfach das Geld auf den Tisch gelegt, ohne die Rechnung zu bestellen?«
»Warum nicht?«
»Lässig. Du bist ja doch schon ein kleiner Macho-Spanier.«
»Na klar. So wolltest du mich doch. Falls es dir nicht gefällt, hättest du da mal früher drüber nachdenken sollen!«
»Ich... Ja, genau. So wollte ich das. Danke für den Kaffee.«
Zum Schluss des Kennenlernkaffees noch ein halber Punkt für mich. Ich glaube, das war insgesamt ein Unentschieden. Aber was für ein Unentschieden. Ungefähr ein 7:7 nach regulärer Spielzeit im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft. Mehr als ein schönes Fußballspiel. Ein unvergessliches Spiel für die Geschichtsbücher. Zumindest für mein Geschichtsbuch.
»Ich mag große, starke Männer. Da fühlt man sich so sicher, tagsüber auf dem Weg zum spanischen Strand.«
Was? Und was macht sie überhaupt jetzt? Sie hakt sich bei mir ein. Gerade war ich noch am Buch lesen und jetzt laufe ich mit einer alles andere als unsympathischen Frau eingehakt zum Strand, als wären wir entweder beste Freunde oder ein sehr eingespieltes Paar. Gut gemacht. Sehr gut gemacht. Und eigentlich angenehm. Nur berührt mein eingehakter Arm jetzt ihre Brust. Eigentlich auch angenehm. Aber irgendwie auch gar nicht. Nein, nicht angenehm, aber äußerst interessant. Und es fühlt sich verboten an. Wahrscheinlich denkt sie, ich würde das mit Absicht machen. Dabei kann ich gar nichts dafür. Mein Arm ist einfach da wo er ist. Und da ist eben auch ihre Brust. Wahrscheinlich hält sie mich jetzt für einen notgeilen Grabscher. Oder merkt sie das alles gar nicht? Haben Frauen mehr oder weniger Gefühle in ihren Brüsten, als ich in meinem Unterarm? Macht sie das mit Absicht? Oder merkt sie gar nicht, was sie da gerade tut? Ich werde Frauen nie verstehen. Aber auf jeden Fall kann es so nicht weitergehen. So kann ich mich ja auf kein Gespräch konzentrieren:
»Schatz, mein Unterarm berührt deine Brust.«
»Schatz?«
»Ja?«
»Du nennst mich Schatz?«
»Erstens kenne ich deinen Namen nicht und zweitens, na ja, du berührst mich mit deiner Brust!«
»Erstens Nina. Und zweitens: Na und?«
»Erstens Holger und zweitens: Ist schon schön, aber es macht mich nervös!«
»Erstens: Hallo Holger. Zweitens: Das war eigentlich auch mein Plan. H ab ’ dir deine Nervosität leider nur nicht angemerkt.«
»Wie, dein Plan?«
»Na ja, mein Plan eben. Deinen Arm ein bisschen an meine Brust halten und gucken, wie du nervös wirst.«
»Ah. Und das findest du lustig?«
»Es ist saulustig und vor allem interessant. Man lernt eine Menge über den Mann, den man gerade im Arm hat. Manche sind so nervös, dass sie kein Wort mehr sagen können. Solltest du auch mal machen.«
»Wie soll das denn gehen? Ohne dass meine Auserwählte gleich nach der Polizei ruft, wenn ich ihre Hand in meinen Schritt halte?«
»Oh...