„Kommen Sie fort von hier, Mr. Mac Donald," sagte jetzt plötzlich Mr. Powell, seinen Arm. ergreifend, „mir wird ganz übel, wenn ich dieses Schreckbild hier länger betrachten soll. Himmel! sollte man denn glauben, daß menschliche Wesen zu solchen furchtbaren Geschöpfen herabsinken können, wie diese Frau hier!"
„Ihr werdet bekommen," wendete sich Mac Donald beschwichtigend an die Frau, und dann noch einen Blick auf den bärtigen Indianer zurückwerfend, der regungslos in seiner Stellung verharrt war, sein Auge aber nicht von dem Weißen weggewendet hatte, schritt er mit Mr. Powell nach dem Hause zurück. /45/
Kaum hatten übrigens die beiden Männer ein paar Schritte gethan, als Kakurru sich langsam aufrichtete und, den Speer in der Rechten haltend, vorsichtig hinter ihnen herging. Nur die im trockenen Lehm und Sandboden zurückgelassene Spur des jungen Weißen behielt er dabei im Auge, bis er zu einer Stelle kam, an der die Fährten klar und rein abgedrückt waren. Hier blieb er stehen, bog sich einige Minuten aufmerksam darüber hin, maß sie dann mit seiner Hand, indem er auf eine eigenthümliche Weise die Knöchel darüber drückte, und sprang dann plötzlich, während ein eigenes triumphirendes Lächeln über seine Züge flog, empor und hinter den Weißen her, die er in wenigen Sätzen eingeholt hatte.
Mac Donald hörte die Schritte hinter sich und drehte sich rasch danach um. Als er Kakurru erkannte, blieb er stehen.
„Nun, Kamerad, was willst Du?" frug er, ihn lächelnd betrachtend.
„Jack!" sagte aber dieser und streckte ihm die linke Hand entgegen - „Jack - gewiß!"
„Alle Wetter!" rief der junge Mann, indem er leicht dabei erröthete - „so hat der Bart Dir mein Gesicht doch nicht genug versteckt gehalten?"
„Bart gewiß, aber die Füße nicht," lachte der Schwarze, aus die Fährten nicderzeigend - „Kakurru kennt sie, wenn cr sie ein einziges Mal gesehen."
„Was sagt er?" frug Mr. Powell erstaunt.
„Er hat mich nach meinen Fußstapfen wiedererkannt," erklärte ihm Mac Donald, „man sollte es kaum für möglich halten.“
„Doch, doch“, erwiderte Powell. „Es ist erstaunlich, was die schwarzen Burschen darin leisten, und die Fährte eines Menschen merken sie sich auch fast rascher als sein Gesicht. In ihren ewigen Kriegen mit einander ist das auch unumgänglich nöthig, beim Auffinden von Spuren Feind und Freund von einander unterscheiden zu können. Der Bursche scheint Ihnen aber noch etwas sagen zu wollen."
„Ich komme nachher wieder zu Dir, Kakurru," nickte ihm /46/ ohne weitere Erwiderung Mac Donald zu, und schritt dann mit Mr. Powell, ohne fernere Notiz von dem Schwarzen zu nehmen, zum Hause zurück.
Wie lebendig das jetzt aber in dem Lager der Schwarzen zuging. Die Frauen schleppten Holz herbei, als ob sie sich gegen den Angriff eines feindlichen Stammes verschanzen wollten, und die Männer lagen schon lange mit ausgestellten Vorposten bei ihren verschiedenen Lagerplätzen auf dem Rücken, der Dinge harrend, die da kommen sollten. Die Schafe waren ihnen einmal versprochen worden und mußten nun auch kommen. - Und sie kamen auch, aber nicht so bequem, wie es die Schwarzen erwartet hatten.
Eine halbe Stunde etwa dauerte es, als Mr. Bale, der Stockkeeper, auf seinem Braunen an das Lager sprengte und von den Eingeborenen in einem furchtbaren Kauderwelsche von englischen, australischen und überhaupt gar keiner Sprache angehörenden Worten ein halbes Dutzend Männer aufforderte, oben nach dem Stationshause zu gehen und die für sie bestimmten Geschenke in Empfang zu nehmen. Ein Theil der Schwarzen schien nicht übel Lust zu haben, die Frauen hinaufzuschicken, da sie es unter ihrer Würde hielten, sich damit selber zu befassen. Nguyulloman entschied das aber durchs einen Machtspruch - er war jedenfalls hungrig geworden und fürchtete, daß die Frauen zu lange zögern möchten, indem er dreien von seinen jungen Leuten befahl, mit vier von den Frauen der Aufforderung Folge zu leisten und die versprochenen Lebensmittel so schnell als möglich zum Lager zu schaffen.
Das geschah auch verhältnißmäßig sehr rasch. Die drei jungen Burschen kamen kaum zehn Minuten später, jeder ein Schaf auf den Schultern, in wilden, jubelnden Sprüngen angesetzt, und während die Frauen etwas langsamer mit den Dampern folgten, ging der ganze Stamm an das Ausschlachten der erhaltenen Thiere, bei dem sie eine außerordentliche Geschicklichkeit zeigten.
Sämmtliche Nieren bekam einmal vor allen Dingen Nguyulloman, der sie auch ohne Weiteres auf die Kohlen warf und mit ziemlich einem halben Damper verzehrt hatte, /47/ ehe die Uebrigen nur mit dem Ausschlachten und Abstreifen der Thiere fertig waren, wonach er noch eine doppelt so große Quantität Fleisch verschlang.
Es ist ganz erstaunlich, welche Massen von Lebensmitteln diese Schwarzen auf einem Sitz in sich hineinschlagen können, und ihre Bäuche schwellen danach wie wohlgefüllte Säcke auf. Eben so lange können sie aber auch hernach fasten, und das Hanf- oder Bastseil, das sie häufig als Gürtel um den nackten Körper tragen, dient ihnen dann, fest angezogen, zum Hungerriemen, um den rebellischen Magen im Zaum zu halten.
Das Fleisch, wie überhaupt sämmtliche Lebensmittel wurden jetzt von den Burkas oder alten Männern, die zugleich die Häuptlinge jedes Stammes sind, eingetheilt, um den verschiedenen Altersklassen und Geschlechtern zugewiesen zu werden. In keinem Land der Welt werden nämlich in dieser Hinsicht so viele und strenge Gesetze aufrecht erhalten, als gerade bei den australischen Wilden, und dies gilt von dem ganzen australischen Continent.
Gewisse Speisen, gewisse Theile der verschiedenen erlegten Thiere oder gefangenen Fische werden nur von einem Theil gegessen und sind einem andern verboten, wofür man die verschiedensten Ursachen angiebt. Theils sollen sie Die, welche sich des Vergehens schuldig machen und sie dennoch genießen, vor der Zeit altern und schwächen, theils ihre Muskeln und Zehnen erschlaffen, theils ihnen tödtliche Krankheiten zuziehen. Gewisse Altersgrade bilden am häufigsten die Scheidewand, indes doch nicht immer. Nur die Burkas dürfen Alles essen, wie es auch bezeichnend ist, daß diese, von denen jene Gesetze ausgehen, die besten Stücken sich selber, als am zuträglichsten, und verordnet haben. Diese Gesetze werden übrigens sehr streng und meistentheils durch abergläubische Drohungen aufrecht erhalten.
Wie nun Alles bestimmt und zur Zubereitung fertig war, gaben sich diese sorglosin Kinder der Wildniß dem Genuß des Mahles mit einer solchen Gier hin, als ob ihnen eine gleiche Lieferung, wie die heutige, für jeden der folgenden Tage versprochen wäre und sie diese für die nächste schon auf-/48/räumen müßten. Ob ihnen für den morgenden Tag noch etwas blieb, kümmerte sie entsetzlich wenig - der mochte für sich selber sorgen.
Nach dem Essen, bei dem die Hunde ebenfalls ein volles. Mahl erhielten - vielleicht das erste seit langer Zeit - warfen sie sich dann auf den Rücken neben ihre Feuer nieder. Ngupulloman war ihnen darin schon mit gutem Beispiel vorangegangen, und gegen Abend blieben nur noch die dunkeln Gestalten der Frauen sichtbar, die mehr Holz zu den Gunpos schafften, um das Feuer auch in der Nacht zu unterhalten.
„Wir haben noch Zeit, Mr. Mac Donald," sagte Mr. Powell, als das Mittagsmahl vorüber war, „vor Abend einen kleinen Ritt zu machen. Ich wollte auf unsere nächste Schafstation reiten und Einiges dort bestellen. Haben Sie Lust,, so nehmen wir die Hunde mit und jagen auf dem Heimweg, vielleicht einen Dingo aus."
„Von Herzen gern, aber mein Pferd wird heut etwas müde sein."
„Oh, das muß rasten, das versteht sich von selbst. Pferde sind genug im Paddock, und wir nehmen ein paar von mir. Sie sehen auch dabei gleich ein wenig mehr von unserem Busch, und ein paar tüchtige Heerden Schafe kann ich Ihnen ebenfalls zeigen."
„Und wann brechen wir auf?"
„Gleich! Ihrer Zusage ziemlich sicher, habe ich die Pferde vorher bestellt; dort drüben wartet mein Bursche mit ihnen schon auf uns."
Die beiden Männer schritten auf die Pferde zu, die schon ungeduldig in die Gebisse schäumten, und sprangen in die Sättel. Mr. Powell rief mit einem gellenden Pfiff auf der Peitsche seine Hunde