„Ist allerdings dabei; aber wie steht's mit den Schafen? - noch nichts gespürt von der Krankheit?"
„Nichts - alle so gesund wie Butter!"
„So? - und die Lämmer?"
„Ist noch zu früh mit denen; die wenigen, welche kommen, gehen auch gewöhnlich drauf. - Kommt der Rationsbringer morgen?"
„Morgen früh - und nehmt Euch in Acht, wir haben Schwarze hier ganz in der Nähe gespürt. Auch an der Station lagert ein kleiner Trupp."
„Hol' sie der Böse!" knurrte Hendricks.
„Und seht mir Eurem Hüttenwächter ein wenig auf den Dienst. Ich glaube, der Bursche schläft in der Nacht so gut wie am Tage."
„Das glaub' ich auch," lachte der Schäfer, „aber das ist seine Sache. Wenn ich am Tage alle Hände voll zu thun habe, werd' ich ihm nicht auch noch sollen in der Nacht wachen helfen."
Mac Donald lachte, und Mr. Powell sagte, indem er sein Pferd wieder wendete:
„Dem Rationsbringer gebt morgen früh zwölf von Eurenbesten Hammeln mit, und wie sich nur eine Spur von der Krankheit zeigt, schickt mir augenblicklich Miller mit der Meldung auf die Station. Verstanden?"
„Ay, ay, Sir," erwiderte der Schäfer mürrisch - „vergesst nur nicht, mir Tabak mitzuschicken. Verdammt will ich sein, wenn ich nicht schon alle meine Taschen ausgekaut und /59/ nicht einmal einen Platz mehr habe, wohin ich ihn stecken kann.“
„Ich werde daran denken - aber laßt auch, wenn ich bitten darf, wenigstens das lästerliche Fluchen."
„Ay, ay, Sir - aber was ich noch fragen wollte - sind frische Maultrommeln angekommen?"
„Bestellt hab' ich sie," lachte Mr. Powell, „aber noch nicht nachgesehen, ob sie dabei sind. Jedenfalls, denk' ich aber, sind sie dabei."
„Dann komm' ich morgen Abend selber hinüber und suche mir ein paar neue aus," sagte der Mann, selbstzufrieden und entschlossen vor sich hin nickend.
„Nun, ich denke, die Eure spielt noch recht gut," warf hier Mac Donald ein.
„Ich kann Euch auch morgen früh ein paar mit herübersenden," sagte Mr. Powell.
„Nein, ich danke," brummte Hendricks - „ich muß sie selber visitiren - ich möchte gern ein paar neue haben, welche andere Lieder spielen. Die hier kenn' ich alle schon."
„Ach so!" lachte sein Herr - „ja, dann müßt Ihr freilich selber kommen. Ich fürchte aber, Ihr werdet wohl keine darunter finden."
„Wäre ver- wäre fatal," brummte der Schäfer.
„Und nun Good bye. Habt nur ein Auge auf die Schwarzen und auf Miller, und seht mir gut nach den Schafen!" Und mit den Worten stieß er seinem Pferd wieder die Sporen in die Seiten und sprengte, von Mac Donald gefolgt, der eigenen Heimath zu.
„Augen überall, heh?" knurrte Hendricks, der den beiden mürrisch nachgeschaut hatte - „für fünfundzwanzig Pfund Sterling jährlich und keinen Tabak! Wer nur der neue cove gewesen sein mochte - etwa ein frischer Aufpasser? – könnten wir hier gebrauchen. Aber was kümmert's mich," setzte er noch nach kurzer Pause hinzu, indem er seinen alten Strohhut auf den Kopf drückte und seinen Mantel von der Erde aufnahm. „Morgen giebt's Tabak und heute treiben wir heim. Die vermaledeiten Bestien werden sich /60/ doch den Wanst vollgeschlagen haben oder bis morgen früh nicht verhungern. Hier, Pollo! - nach Hause!"
Der Ruf galt dem Hunde, und das kluge Thier wußte genau, was es zu thun hatte. Mit lautem Bellen trieb er die Schafe aus den verschiedenen Büschen heraus, der nächsten offenen Stelle zu, bis er die ganze Heerde beisammen hatte, und dann, an seinem Herrn vorüber, der Richtung nach den Hürden zu. Hendricks blieb stehen, bis sie an ihm vorbeipassirt waren, und wollte dann langsam folgen, als er ein einzelnes Mutterschaf bemerkte, das in der letzten Stunde gelammt hatte und bei dem Jungen zurückblieb. Das Kleine war noch nicht im Stande, der übrigen Heerde so rasch zu folgen.
„Heh - Pollo, dort!" rief er dem Hunde zu, mit seinem Stock auf das arme Thier deutend, „weiß die Bestie nicht, was sich schickt?"
Der Hund sprang auf das Schaf zu und bellte es ein paar Mal an. So scharf er aber auf die übrigen einbiß, wenn es ihnen etwa einmal in den Kopf kam, die Heerde zu verlassen, so rücksichtsvoll benahm er sich jetzt, und sah bald auf das kleine noch kaum auf den Füßen feste Lamm, bald auf seinen Herrn, als ob er hätte sagen wollen: „Du wirst hier wohl ein wenig Geduld haben müssen; ich kann doch die Mutter nicht vom Kind verjagen!"
Hendricks schien aber anderer Ansicht. - Die Heerde wanderte indeß schon langsam weiter, und wenn er sich hier aufhielt, kam er vielleicht eine halbe Stunde später heim. So, einen gotteslästerlichen Fluch ausstoßend, und Schaf und Hund und seine eigenen Augen verdammend, ging er auf das arme, ängstlich zu ihm aufschauende Thier, das sich, wie Böses ahnend, zwischen ihn und das Lamm drängte, zu, stieß es bei Seite und vernichtete mit einem Fußtritt, den eine neue Gotteslästerung begleitete, das junge Leben. Blökend sprang die arme Mutter zu - es war aber zu spät, das kleine Lamm zuckte am Boden und lag dann still, und während die Mutter um das gemordete jammerte, hetzte Hendricks den Hund auf's Neue gegen sie an.
Pollo that es vielleicht nicht gern, denn von den Beiden /61/ hatte er jedenfalls mehr Gefühl, als sein Herr, aber das Lamm war nun doch einmal todt, der Schäfer schlug auch mit seinem Stock auf das blökende Schaf los, und so trieben es die Beiden der indeß ein Stück vorangegangenen Heerde nach und dem Hause zu.
Hätte Mr. Powell das mit ansehen können, Hendricks wäre jedenfalls auf der Stelle fortgejagt worden. Entdeckung war aber hier nicht zu fürchten, denn ehe eine Stunde verging, hatten die immer in der Nähe von Schafheerden umherschleichenden wilden Hunde jedenfalls schon das Lamm aufgefunden und verzehrt. War es denn auch der Mühe werth, sich eines einzelnen Lammes wegen eine halbe Stunde länger im Busch aufzuhalten?
Der Deutsche war, als ihn die beiden Reiter verließen, allein an der Hütte zurückgeblieben. Bis der letzte Schall der Hufschläge verhallt war, starrte er auch den Pferden nach, dann warf er sich wieder auf sein Lager nieder, barg das Gesicht in den Händen und lag wohl eine halbe Stunde still und regungslos. Nicht ein Zucken seines Körpers verrieth, daß er lebe.
„Hallo hier - todt?" sagte da plötzlich eine rauhe, fremde Stimme, und die Spitze eines breiten, nägelbeschlagenen Buschschuhes berührte die Seite des Liegenden, der rasch den Kopf hob und dann erstaunt empor und auf die Füße sprang.
„Oho, da ist ja noch Leben genug," lachte der eben Gekommene. „einer halben Schöpfenkeule und drei oder vier Quart Thee gefährlich zu werden. - Wie geht's, old cove!13 Und wer warendie beiden Männer, die vorhin hier vorüberritten?“ /62/
„Wer seid Ihr denn eigentlich, wenn man fragen darf?" erwiderte ihm jetzt statt aller Antwort der Deutsche, indem er die vor ihm stehende Gestalt mit mißtrauischen Blicken betrachtete. Dazu hatte er übrigens auch alle Ursache, denn wenngleich im Busche, was die äußere Erscheinung der verschiedenen Individuen betrifft, entsetzlich wenig Ansprüche gemacht werden, so schien dieser Gesell doch nicht einmal einem gewöhnlichen bundleman zu gleichen. Er sah im Gegentheil weit eher aus wie ein entsprungener Räuber, als ein ehrliche Beschäftigung suchender Arbeiter, der gewöhnlich zu solchem Zweck von Station zu Station zieht.
Auf dem Kopfe trug er nicht einmal einen Hut, und die wirren, langen, rothbraunen Haare hatte er sich mit einem Streifen Bast, fast wie die Indianer, zusammengebunden; der gleichfarbige Bart war in Monaten nicht geschoren. Den Oberkörper deckte dabei ein zerrissenes Opossumfell, während er eine anscheinend noch neue Opossumdecke zusammengeschnürt auf dem Rücken trug. Die Beine staken in durch Dornen und langen Gebrauch unten ausgefransten Baumwollen-Hosen und nur die bloßen Füße in neuen, derben Schuhen Außerdem hing ihm ein Netz, wie es die Frauen der Schwarzen brauchen, um das gefundene Harz und andere Delicatessen umherzuschleppen, über die linke Schulter, und in dieser war eine Feldflasche, ein kupfernes Pulverhorn,