das Herz auf – denn seit seines Vaters Tod hatte noch
kein Mensch freundlich ihm zugeredet – und er klagte,
wie sein Bruder ihn so schlecht behandelt, wie er
sein Erbe ihm vorenthalten, und ihn, wie einen Bettler,
aus seinem väterlichen Schloß hinausgeworfen.
Die Alte aber sagte: »Komm mit mir, nach drei Jahren
wollen wir wieder zu deinem Bruder gehen, vielleicht
reut's ihn bis dahin, und er gibt dir dein Eigenthum.«
Der Jakob ließ sich das gerne gefallen, und sie
nahm ihn mit sich in ihr Häuschen und gab ihm auf,
ihren Rosmarinstock zu gießen, und ihre Katze zu füttern,
und ihr Flachsfeld zu bauen, und im Winter
mußte er Pfahlstecken schneiden für die Weinbergsbauern
und Schiffsstangen für die Schiffsleute, und im
Frühjahr trug er sie an den Main, um sie zu verkaufen.
Wenn die rechte Zeit dazu gekommen war, nahm
die Frau Hulle ihren Spinnrocken in die Hand, als
einen Gehstock, und ihre Kötze (Huckelkorb) auf den
Rücken und packte ihr Garn hinein, um es auch zu
verkaufen und ging mit, und wenn dem Jakob die
Pfahlstecken und Schiffsstangen zu schwer wurden
wegen seines lahmen Beines, nahm sie ihm die Last
ab und warf sie mit ihren dürren Armen oben auf die
Kötze, als wenn's Strohbürden wären. Zwischen Haßloch
aber und Faulbach ist hart am Weg ein Stein,
dort ruhte sie jedesmal aus, und wo ihre Kötze mit
den Füßen aufstand, sind die Löcher davon heute
noch zu sehen. So hatte es der Jakob recht gut bei ihr;
dabei lehrte sie ihn alle Bauernarbeit, so daß er sich
zuletzt besser darauf verstand, als ein geborner Bauer.
Wie aber die drei Jahre um waren, sagte die Alte:
»Komm, nun wollen wir zu deinem Bruder gehen!«
und nahm ihren Spinnrocken in die Hand und die
Kötze auf den Rücken, und der Jakob ging mit. Den
Bruder fanden sie im Schloßhof unter der Linde sitzen,
– denn es war sehr schwül an dem Tag, und die
Linde blühte und gab einen großen Schatten, und die
Vögel sangen in ihren Zweigen. Wie sie herankommen,
fragt er sie nach ihrem Begehr, und die Frau
Hulle nimmt das Wort für den krummen Jakob und
sagt, sein Bruder sei da und wolle, was ihm gehöre.
Der Schloßherr aber flucht und sagt, wenn sie nicht
gleich gingen, wolle er ihr ihren alten wackeligen
Kopf herunterreißen und dem Krummen das andere
Bein auch noch lahm schlagen. Da wurde die Alte
sehr zornig, nahm ihren Spinnrocken und stieß ihn in
die Linde, und alsbald, wie dieß geschehen, fliegen
die Vögel auf, und der Baum fängt an zu zittern von
der Wurzel bis zum Gipfel, und aus dem Stamm und
den Aesten und Zweigen läuft der Saft und tropft auf
den Boden, und die Blätter werden gelb und fallen ab,
und die Frau Hulle sagt: »O du arger Bösewicht, sieh'
her! wie dem Lindenbaum, so soll es dir gehen und
deinem Hause, – so sollst du verdorren und verschmachten
und absterben, und kein Glück mehr
haben ewiglich!« Dann ging sie mit dem Jakob von
dannen.
Wie sie gesagt hatte, so geschah's. Als der Lindenbaum
verdorrt war, da hielt das Schloß nicht mehr. So
oft es stürmte, fiel auch ein Thurm, oder eine Mauer
ein, und der Regen schwemmte die Steine hinweg, so
daß man's nicht mehr aufbauen konnte. Kein Mensch
wollte mehr im Schlosse bleiben, und der Schloßherr
wohnte im Keller, – dort stand die Geldkiste, und von
der wollte er sich nicht trennen, sondern hütete sie
Tag und Nacht. Zuletzt, wie nichts mehr vom Schlosse
übrig war als der Keller und der verdorrte Lindenbaum,
der vor dem Keller stand, kam auf Martini in
der Mitternacht ein großer Sturm und warf den Lindenbaum
auch um: der fiel gerade vor die Kellerthür
und sperrte den Ausgang und der Schloßherr konnte
die Thüre nicht mehr aufbringen, wie er sich auch anstemmte
und nach Hülfe schrie, und mußte elendiglich
auf seiner Geldkiste verhungern.
Die Frau Hulle aber wußte das Alles gar wohl, und
den Tag nach seinem Tod kommt sie, hebt den Lindenbaum
hinweg, öffnet die Kiste und scheidet das
Geld in zwei gleiche Theile; den einen läßt sie liegen,
den andern nimmt sie mit, und wie sie aus dem Keller
tritt, stürzt der auch zusammen. Daheim gibt sie dem
Jakob das Geld und sagt: »So! jetzt hat jedweder das
Seine – er und du! – wie's der Vater befohlen hat.
Nimm, was dein ist, aber den Edelmann schlag dir
aus dem Sinn und werd ein Bauer: so kannst du noch
Glück haben. Leb wohl, mich wirst du jetzt nicht
mehr sehen.«
Da nahm der Jakob Abschied und baute sich von
dem Gelde einen großen Bauernhof auf dem Hundsrück
bei Altenbuch, nahm eine Frau und viel Knechte
und Mägde und ward ein großer Bauer. Keine Seuche
kam in seinen Stall, und keine Raupen auf seine Obstbäume,
und kein Hagelschlag über seine Felder. In
der Erntezeit, wenn das Gesinde alle Hände voll zu
thun hatte, damit das gute Erntewetter nicht verpaßt
würde, geschah es oft, daß, wenn sie in der Früh auf's
Feld kamen, die Arbeit schon gethan war, daß die
Garben alle geschnitten und gebunden und auf Haufen
gestellt waren, daß man sie nur hineinzufahren
brauchte. Die Leute sahen sich groß darum an, – der
Jakob aber wußte wohl, wer's gethan hatte. Wie ihm
sein erster Sohn geboren wurde, und er's den Nachbarsleuten
anzuzeigen ging, meinte er in seiner Freude,
er müsse der Frau Hulle doch auch davon Meldung
thun, und machte sich zu ihr auf den Weg, aber
wie er auch suchte und sich die Augen rieb, er konnte