Und wo der Schleier ward gefunden,
Stieg bald ein Kloster himmelan.
Dort stand die Gräfin auch am Fenster,
Und sann, wie reich sie sei zur Zeit,
Zwar nicht an Gütern nächst der S a a l e ,
Doch an der Seelen Seligkeit.
276. Frauenroda.
Von J . B . G o ß m a n n .
Mit still vergnügtem Sinnen
Beim Abendsonnenstrahl
Steh'n auf den hohen Zinnen
Der Ritter und sein Gemahl.
Sie schau'n ihr liebes Franken
Und schau'n hinab ins Thal,
Und haben fromme Gedanken,
Der Ritter und sein Gemahl.
Laßt uns ein Kloster bauen
Und beten drin zumal.
So sprach die Perl' der Frauen
Zum Ritter, ihrem Gemahl.
Das eben ist mein Sinnen,
Doch wird mir schwer die Wahl,
Wo Raum sei zu gewinnen!
Der Ritter so zum Gemahl.
Da kam ein Sturm geflogen
Mit großer Gewalt zumal,
Der hat den Schleier gezogen
Vom Haupte seinem Gemahl.
Ihn trug der Wind im Wehen
Wohl über Berg und Thal,
Das haben mitangesehen
Der Ritter und sein Gemahl.
Ihr Knappen, auf! ihr geschwinden,
Zum Suchen auszugeh'n!
Wo man den Schleier wird finden,
Da soll das Kloster steh'n.
Drei Tage sind verschwunden,
Und nach der dritten Nacht,
Da wird der Schleier gefunden
Und in die Burg gebracht.
Des Klosters Bau wird begonnen,
Wo man den Schleier fand,
Er ward bestimmt für Nonnen
Und Frauenrode genannt.
In selbem Kloster thäten
Der Ritter und sein Gemahl
Für ihre Seelen beten
Gebetlein ohne Zahl.
Im Kloster zu Frauenrode
In Zellen eng und schmal,
Da ruhen nach ihrem Tode
Der Ritter und sein Gemahl.
Dort hängt zur ew'gen Feier
Am heiligen Altar,
Der wunderbare Schleier,
Der Gottes Bote war.
277. Die luftige Brücke.
B e c h s t e i n S. 124.
Bei der alten Klosterstätte zu Frauenrode ist es, der
Sage nach, nicht geheuer. Lodernde Feuer oder bläuliche
Flämmchen werden in gewissen Nächten brennend
auf dem Kirchhof oder in der Nähe der Klosterkirche
erblickt, welche einen großen dort vergrabenen
Schatz anzeigen. Nicht weit von der Kirche erhebt
sich ein Hügel, auf welchem vor langen Zeiten erst
eine Burg, dann ein Theil des Klostergebäudes gestanden.
Von dort führte ein bedeckter Gang nach der
Kirche, über welchen die Nonnen schritten, wenn sie
auf dem Chor sich versammelten, die Horas zu singen.
Man sieht noch überm Portal die vermauerte
Oeffnung. Alljährlich in gewissen heiligen Nächten
erblickt man diesen Gang durch die Luft und den Zug
gespenstiger Nonnen und sieht die Kirche erleuchtet,
doch ist es nicht gut lange hinzusehen, noch viel weniger
die Kirche dann zu betreten, denn in dieser halten
die Geister Mette und es knieen vor dem Altar die
Gestalten des Stifters und der Stifterin und hinter
ihnen alle, die in der Kirche begraben wurden; von
dem Haupte Beatricens weht der weiße Schleier, und
auf Otto's Haupte rauschen die Blätter eines welken
Lorbeerkranzes geisterhaft im Hauche der Nacht.
Nach der Mette ziehen die Nonnen alle still zurück
und schwinden in Nebel, wie sie dem Hügel sich nähern.
278. Sterneckerschloß bei Roth nächst
Kissingen.
F r . P a n z e r Beitrag S. 182.
Auf dem Berg Sterneck stand in alten Zeiten ein
Schloß gleichen Namens, welches aber in die Tiefe
versunken ist. Von dem Sterneckerschloß zieht, so
geht die Sage, ein unterirdischer Gang unter der Saale
durch, und hat in dem Thurme des alten Schlosses zu
Steinach seine Mündung. Vor Zeiten kamen durch
diesen Gang zwei Jungfrauen auf die Kirchweih in
Steinach zum Tanze. Sie waren allgemein unter dem
Namen: »die Sterneckerfräulein« bekannt. Sie durften
nie über die zwölfte Stunde weilen. Einst suchten sie
die jungen Leute zu bestimmen, länger zu bleiben;
nur eine ließ sich bewegen, und weilte bis zwei Uhr in
der Nacht, gerieth aber dann in große Angst und eröffnete
ihren Tänzern, daß sie schwerer Strafe nicht
entgehen werde; sie möchten nur nach der Saale
gehen, zeige diese einen rothen Strich, so habe sie
ihre Schuld mit dem Leben gebüßt. Hierauf eilte sie
durch den unterirdischen Gang fort. Die jungen Leute
sahen die blutigen Wellen. Von nun an kommen die
Sterneckerfräulein nicht mehr zum Tanz. Einst ging
ein Mann am Weihnachtstag früh fünf Uhr von Stei-
nach nach Windheim. Als er an das Schloß Sterneck
kam, sah er eine Schlüsselblume. Er wunderte sich,
im Winter eine so schöne Blume zu finden, pflückte
und steckte sie auf den Hut. Nun irrte er aber lange im
Walde herum, und es war ihm, als ob ihn eine unsichtbare
Macht in die Höhe ziehe. In Schrecken und
Angst gelangte er vor ein großes Thor eines Schlosses,
welches sich von selbst öffnete. Er trat in das
Schloß und sah ein weißes Fräulein, neben ihr zwei
weiße Tücher ausgebreitet; auf dem einen lag ein
Haufe Roggen, auf dem andern ein Haufe Weizen.
Dabei lag ein schwarzer Hund. Der Mann faßte Muth,
nahm von