Pferde an die Tränke führte. »Den Eid gilt es zu erfüllen«, hörte er den Mann
rufen. »So eilt nun, ihr Pferdelords, denn der Pferdefürst ruft euch zu den
Waffen!«
Die Männer, Frauen und Kinder auf dem Platz des Weilers hatten ihre
Tätigkeiten unterbrochen und traten nun neugierig heran. Die Ankunft des
Boten, denn um einen solchen handelte es sich offensichtlich, rief Unruhe
hervor. Auch aus den umliegenden Häusern traten nun weitere Bewohner des
Horngrundweilers hervor.
»Sind Plünderer oder Ausgestoßene in die Mark eingefallen?«, fragte eine
junge Frau erregt. »Sagt schon, Schwertmann, was ist los in der Mark?«
Der Reiter aus Eternas nahm kurz seinen Helm ab, wischte sich den
Schweiß von der Stirn und nahm dann dankbar einen Becher Wasser
entgegen. Er trank durstig und setzte sich danach den Helm sofort wieder auf.
»Der Pferdefürst lässt alle Gehöfte und Weiler evakuieren«, rief er den
Bewohnern zu. Weitere Menschen traten aus den Häusern heran. »Nehmt
nicht mehr als eure Tiere mit und eilt nach Eternas, und jene von euch, die
den Umhang des Pferdelords tragen, jene erinnere ich an das Gebot. Erfüllt
nun den Eid in Eile. Ich selbst muss jetzt weiter.«
Der Mann nickte der Menge noch einmal kurz zu, saß auf und trieb sein
Pferd erneut an.
Die Bewohner des Horngrundweilers waren noch immer ganz verblüfft
und starrten dem entschwindenden Reiter nach. Da hob der Älteste des
Weilers Achtung gebietend den Arm. »Ihr habt es gehört, ihr Männer und
Frauen. Nehmt Kind und Huf, nehmt nur das Notwendigste. Die Knaben und
Jungmänner, die den Eid noch nicht geleistet haben, begleiten die anderen zur
Stadt. Jene aber, die den Eid abgelegt haben, mögen sich rüsten und den Eid
erfüllen.«
Holger zögerte nicht und ritt an seiner verwirrten Frau vorbei zu seinem
Haus. Sein Pferd war gut ausgebildet, und so ließ er ihm die Zügel frei und
band es nicht erst an, als er angekommen war und schnellen Schrittes an
seinem Sohn vorbei ins Haus eilte. Er öffnete die schwere Holztruhe, holte
sein Kettenhemd und den leichten Brustharnisch hervor, zog sich beides über
und legte dann die restliche Rüstung an. Zuletzt schwang er sich den grünen
Umhang um die Schultern und verschloss ihn vor seiner Brust.
Sein Sohn sah ihn mit großen Augen an. »Ich will mit, Vater«, sagte der
Zehnjährige automatisch.
Holger antwortete zunächst nicht, sondern nahm den runden Helm mit dem
langen Nasenschutz und setzte ihn auf. Der Helm war aus bestem Stahl, mit
braunem Leder bezogen und mit golden blitzendem Messing verziert. Er
schloss den Riemen und strich seinem Sohn kurz über das lockige Haar. »Du
wirst mit deiner Mutter gehen, mein Sohn«, sagte er nach einer Weile
bestimmt, »und an meiner statt auf die Herde achten.«
Seine Frau trat gerade in die Hütte, als Holger die schwere Streitaxt aus
den eisernen Haken über der Tür nahm und den Rundschild vom Boden hob.
»Was soll das bedeuten?«, fragte sie ängstlich. »Noch nie hat der Herr die
Pferdelords einberufen.«
»Jetzt hat er es«, erwiderte Holger und zog sie kurz an sich. »Du weißt,
was nun zu tun ist. Wir haben es schon oft besprochen. Reiche mir eine
Provianttasche mit Nahrung für drei Tage. Und fülle mir die Wasserflasche.
Eile dich, Frau. Nun gilt der Eid.«
Holger prüfte die Streitaxt und seinen Dolch. Doch ihre Schneiden waren
scharf, denn die Waffen wurden in der Hochmark stets in bestem Zustand
bereitgehalten. So verlangte es die Tradition der Pferdelords, auch wenn die
Männer der Hochmark noch nie mobilisiert worden waren. Holger hängte den
großen Rundschild an den Sattel. Das Grün der Pferdelords und in weißer
Farbe darauf gemalt das Horn des Horngrundweilers. Er schwang sich auf
sein Pferd und wartete, bis seine Frau zu ihm geeilt kam, um ihm die
Feldflasche und die Verpflegung zu reichen. Auch an den anderen Häusern
war Bewegung, dort saßen ebenfalls Männer mit grünem Umhang, Rüstung
und Waffen auf ihre Pferde auf. Holger sah die Sorge in den Augen seiner
Frau, küsste sie und lächelte sie ermutigend an. Dann zog er sein Pferd herum
und ritt zu den anderen Lords hinüber.
Achtzehn Pferdelords konnte der Weiler aufbringen, und diese achtzehn
Männer waren nun bereit. Der Älteste von ihnen sah sie kurz an. »Ihr habt
den Boten des Pferdefürsten gehört. Er hat uns zu den Waffen gerufen, um
den Eid zu erfüllen. So lasst uns reiten, ihr Pferdelords. Schneller Ritt …«
»… und scharfer Tod«, erwiderten sie.
Gleich nach ihnen saßen auch die Knaben und nicht wehrfähigen Männer
und Frauen auf, trieben ihre Tiere zusammen und machten sich auf, dem
Gebot des Pferdefürsten zu folgen und nach Eternas zu ziehen. Sie alle waren
besorgt, denn noch nie hatte es in der Hochmark den Ruf des Waffeneides
gegeben. Einige Male zuvor waren zwar schon Plünderer und Ausgestoßene
in die Mark vorgedrungen, doch stets hatten die Pferdelords schnell wieder
Ruhe in der Hochmark hergestellt. Nein, dies hier war etwas anderes, und
Sorge erfüllte die Herzen der Männer und Frauen, die sich auch rasch auf die
Unbeschwertheit der Kinder legte. Nur ungern ließen sie den Weiler hinter
sich, denn keiner von ihnen wusste zu sagen, ob sie ihn wohl jemals
wiedersehen würden.
Währenddessen war der Reiter mit dem Rosshaarschweif des
Schwertmanns schon längst in einem anderen Tal angelangt. Vier andere
Gehöfte und den Horngrundweiler hatte er insgesamt schon benachrichtigt,
nun galt es nur noch, den alten Malenan und seinen Sohn Maredas zu den
Waffen zu rufen. Seine Blicke glitten über die Landschaft und suchten sie
nach Gefahren ab, während er seine Pferde