In Amerika. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753136028
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genommen, fotografiert und dann gespeist und beschenkt wieder entlassen.“

       „Also ist er auch Fotograf?“

       „Gewiss, und einer der besten, die wir in Cincinnati haben, kann aber nur sehr selten bewogen werden, Porträts anders als im Profil zu liefern, und wer ihm so nicht sitzen will, den fotografiert er gar nicht.“

       Die Straße herunter und ihnen entgegen kam ein ältlicher, ganz anständig gekleideter Herr, der an ihnen vorbei ging und sie mit seinen kleinen, grauen Augen musterte. Beide Freunde schwiegen, bis er vorüber war, dann sagte Fortmann:

       „Wenn ich je in meinem Leben ein konfisziertes Gesicht gesehen habe, so trägt es der Gentleman – wenn er das wirklich ist – sehr zu seinem Schaden in der Welt herum.“

       „Ich wollte eben die nämliche Bemerkung machen“, meinte der Doktor, „der Bursche wohnt übrigens seit einiger Zeit drüben in Cincinnati; ich bin ihm dort wenigstens schon mehrmals begegnet und habe auch keine Idee, wovon er lebt, und woher er stammt. Er geht aber immer ganz anständig gekleidet und verkehrt, so weit ich bis jetzt wenigstens bemerkt habe, mit niemandem. Er hat wirklich ein grundgemeines, böses Gesicht und so ordinäre Züge, die vielleicht noch schärfer hervortreten, weil sie zu der ganzen übrigen Erscheinung nicht passen.“

       „Mir fiel er besonders dadurch auf“, sagte Fortmann, „dass unmittelbar hinter ihm ein Mulatte ging, der gegen ihn wie ein Adonis aussah und dabei so offene und ehrliche Augen hatte. Wenn ich einem von den beiden fünf Taler borgen sollte, bekäme sie der ,Gentleman’ wahrhaftig nicht.“

       „So weit nämlich ein Mulatte wie ein Adonis aussehen kann“, lachte der Doktor.

       „Lachen Sie nicht“, sagte Fortmann, „ich habe in der Tat Schönheiten im strengsten Sinn des Worts unter den Männern wie Frauen der farbigen Rasse gefunden, und besonders um ihren Wuchs könnte sie mancher unserer Elegants62 und manche unserer Schönen beneiden. Sehen Sie das Mädchen an, das uns da entgegenkommt. Ihre Haut ist allerdings dunkelbraun, aber was für ein liebes Gesicht hat sie.“

       „Und wie geschmackvoll ist sie gekleidet“, spottete der Doktor.

       „Dagegen lässt sich nichts einwenden“, erwiderte achselzuckend Fortmann, „Geschmack haben die farbigen Damen nicht, und bunte Ausstattung ist nun einmal ihre Leidenschaft; aber war das auch nicht die einzige Freiheit, die ihnen gegönnt wurde? Lassen Sie mir die Neger zufrieden, Doktor – wie ruhig und friedlich wurde heute alles in der Versammlung behandelt, wie harmlos trat das arme, bisher so schwer gedrückte Volk zum Tanz an, wie ruhig und friedlich werden sie wieder auseinandergehen. Wären das Irländer gewesen – und es gibt keine größere Bande als die irländischen Arbeiter – so lägen schon Drei oder Vier mit blutigen oder gar zerschlagenen Schädeln auf der Seite. Stellen Sie selbst einen dieser irischen Säufer neben einen Neger und sagen Sie dann, wer das anständigere Gesicht von den beiden hat, und doch gehört der Ire zu der bevorzugten Rasse der Weißen.“

       Die Straße herab kam ein schwarzer Stutzer, die wahre Karikatur eines Menschen, nach unseren Begriffen wenigstens. Er war wie ein Gentleman gekleidet, in schwarzem Frack und weißen Hosen, eine sehr bunte Weste, ein blauseidenes Halstuch mit hohen Vatermördern, riesig frisierter Wolle und einem Zylinder, der das Ganze krönte. Eine Unmasse falschen Schmuck trug er dabei an sich, eine Lorgnette hing ihm am Hals und ein feines Spazierstöckchen mit elfenbeinernem Griff hielt er an die wulstigen Lippen.

       Als er vorüber ging, grüßte er sehr graziös, fast herablassend den Friedensrichter, den er kannte, und schwebte dann in einem halb tanzenden Gange vorüber.

       Die beiden Freunde blieben stehen und sahen ihm lächelnd nach; nur wenige Schritte von ihnen entfernt saß eine alte, dicke Negerin, die Hände in ihrem Schoß gefaltet, die kurze Pfeife im Mund, vor der Tür ihrer Wohnung. Es war eine sogenannte Freie, die sich vor einigen Jahren losgekauft und eine Wäscherei eingerichtet hatte, bei der sie viel Geld verdiente.

       „Ah, Missus Caroline“, rief der schwarze Stutzer, indem er ehrfurchtsvoll den Hut abzog und eine tiefe, zierliche Verbeugung gegen die Dame machte, „sehr erfreut, Sie wohl und munter zu finden.“

       „Gentleman Jupiter!“, rief aber die alte Dame, indem sie die Hände auseinander nahm und beide vor lauter Erstaunen auf ihre breiten Knie schlug. „Nein, wie sehen Sie denn aus? Ich hatte Sie ja gar nicht gleich erkannt. Aber das tut kranken Augen wohl! Nein, das ist ja eine helle Pracht. Ich glaubte erst, es wäre unser junger Massa, der die Straße herunterkäme, so vornehm und prächtig.“

       Gentleman lächelte. „Missus Caroline“, sagte er, indem er selbstgefällig mit seiner Lorgnette spielte – und er hatte dabei Augen wie ein Falke, „wir müssen den white folks doch auch zeigen, dass wir zu leben wissen – Kleider machen Leute, und Kleider waren doch das Einzige, was sie bis jetzt vor uns voraus hatten.“

       „Kennen Sie den Burschen?“, frug Fortmann den Doktor.

       „Ich habe nicht das Vergnügen“, erwiderte dieser.

       „Er war einer der fleißigsten Neger, die wir hier im Ort hatten, und er verdiente sich in seiner Freizeit so viel, dass er schon fast das Geld zurückgelegt, was er brauchte, um sich selber freizukaufen. Ich weiß das so genau, weil er es mir selber indessen anvertraute. Jetzt ist er frei geworden, ohne es zu brauchen, und hat nun nichts Eiligeres zu tun, als es durchzubringen, wobei er natürlich nichts mehr arbeitet.“

       „Und wenn er damit fertig ist?“

       „Ich fürchte, dann wird er fortbummeln und das fortbleiben, was er jetzt augenblicklich ist – ein liederlicher Lump.“

       „Schöne Aussichten.“

       „Was wollen Sie?“, sagte Fortmann. „Sie können nicht verlangen, dass die plötzlich freigelassenen Sklaven auch ebenso plötzlich freie und vernünftige Menschen werden. Wir müssen ihnen ein Übergangsstadium gönnen, in dem sie Zeit haben, sich zu entwickeln und – durch Schaden klug zu werden. Der Neger hat etwas Affenartiges in seinem Nachahmungstrieb, und dass er sich dazu vorerst das Dümmste wählt, dürfen wir ihm nicht so übel nehmen, denn wir haben ihm ja nicht einmal Schulen gestattet und sogar selbst durch die Gesetze das Lernen verboten, selbst das Schreiben und Lesen.“

       Ein junger, weißer Gentleman, wahrscheinlich der Sohn eines Pflanzers aus der Nachbarschaft, ging an ihnen vorüber. Er sah wüst und übernächtigt aus und schien sogar ein wenig angetrunken. Vor ihm, mitten auf dem Trottoir, stand Gentleman Jupiter, der alten Dame noch die größten Artigkeiten sagend und gar nicht auf den Weißen achtend. Dieser hätte auch wohl noch an ihm vorübergekonnt, Jupiter aber, um graziös mit der Lorgnette zu spielen, mochte in Gedanken seinen Spazierstock unter den Arm genommen haben, so dass dieser den Durchgang etwas verengte. Der Weiße aber fühlte sich nicht in der Stimmung, einem Nigger auszuweichen. Wie er nur an ihn herankam, riss er ihm den Stock unter dem Arm weg und schleuderte ihn auf den Fahrweg, während er den Neger ebenfalls beim Kragen fasste und den nichts Ahnenden gegen das Haus an und fast über Missus Caroline wegwarf.

       „Oh Golly! Golly!“, schrie der Schwarze erschreckt auf.

       „Kannst Du Nigger nicht beiseite treten!“, knirschte der Weiße zwischen den Zähnen durch, als er wütend vorüber schritt.

       Gentleman Jupiter hätte die ausgemergelte Gestalt des jungen Mannes zwischen seinen Fäusten zerdrücken können, sowie er ihn nur angepackt, aber die alt eingewurzelte Scheu vor der bevorzugten Rasse lag ihm noch zu sehr in den Gliedern. Sein Hut war ihm abgefallen, den hob er zuerst auf, danach holte er seinen Stock von der Straße und bog dann beschämt und gedemütigt in eine Nebengasse ein.

       „Da haben Sie den f r e i e n Neger“, lachte der Doktor, „glauben Sie, dass sich d i e s e Rasse je mit der weißen gleichstellen kann oder auf eine Stufe schwingen wird?“

       Fortmann zuckte die Achseln.

       „Es ist immer ein gefährliches Spiel, was diese Baumwollbarone mit den jetzt freigelassenen Sklaven spielen.“

       „Aber ein ganz