In Amerika. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753136028
Скачать книгу
Gesicht, zu dem der unechte Schmuck, den er reichlich trug, vollkommen gut passte. Er nickte auch jetzt Einzelnen der Auswanderer, mit denen er früher schon verhandelt, heimlich verstohlen, aber mit einem gewissen Blinzeln zu, das etwa ausdrücken sollte: Der hat’s ihnen aber jetzt gesagt, d i e werden den Mund nicht wieder auftun.

       Georg hatte den Yankee ruhig ausreden lassen, dann wandte er sich an die Auswanderer und sagte freundlich:

       „Ihr Leute, es werden Euch da verlockende Vorspiegelungen der südlichen Länder gemacht. Ich will gar nicht etwa abstreiten, dass es dort außerordentlich fruchtbaren Boden, ein warmes Klima und für den Augenblick auch wohl günstige Bedingungen für den Einwanderer gibt – günstigere vielleicht in manchen Fällen, als sie ihm hier jetzt geboten werden können, denn viele der Pflanzer sind durch die Freisprechung der Neger vollständig ruiniert und m ü s s e n verkaufen. Andere dagegen, die sich vielleicht zu tief in die Rebellion eingelassen haben, fühlen sich unter der Herrschaft des Nordens, unter den jetzigen Verhältnissen und zwischen den f r e i e n Negern nicht wohl und gedenken deshalb eine große Kolonie in dem südlichen Mexiko zu gründen. Aber Ihr kennt den eigentümlichen Charakter der Leute nicht, die doch noch zurückbleiben und zwischen denen Ihr leben müsstet. Es ist dort nicht so wie im Norden, wo die Arbeit e h r t. Der südliche Pflanzer verachtet jeden weißen Mann, der selber die Hand an den Pflug legt, und wird Euch immer über die Schulter ansehen – aber das nicht allein – das könnte man als unbedeutend betrachten; das Schlimmste bleibt, dass noch viele, viele Jahre vergehen müssen, ehe die für den Augenblick niedergeworfenen ,Herren’ den Hass und Ingrimm vergessen werden, den sie dem Norden und besonders auch uns Deutschen geschworen haben, weil wir so treu zur Union gestanden und uns so wacker für sie geschlagen haben. Ihr würdet wenig frohe Stunden dort unten im Süden erleben und sogar mancher Gefahr ausgesetzt sein. Ich selber k a n n kein Interesse dabei haben, ob Ihr im Norden bleibt oder nach dem Süden geht; wenn Ihr aber m e i n e m Rate folgen wollt, so besinnt Ihr Euch zweimal, ehe Ihr den Ohio kreuzt. Wer etwas Näheres darüber von mir hören will, der mag mich aufsuchen und ich will ihm gern Rede stehen. Ich heiße Donner und wohne auf dem Platz, der hier den Namen Lobensteins Farm hat – und so Gott befohlen. Kommen Sie, Wolf, wir wollen unseren Spaziergang fortsetzen.“

       „Warten Sie noch einen Augenblick“, sagte Wolf, der indessen den Dolmetscher des Yankees aufmerksam betrachtet hatte und jetzt auf ihn zuging.

       „Um Verzeihung, Mister“, sagte er dabei, „wie ist doch gleich Ihr Name?“

       „Mein Name?“, sagte der Angeredete, augenscheinlich etwas in Verlegenheit gebracht. „Sie wünschen meinen Namen zu wissen?“

       „Ich bat Sie darum“, lächelte Wolf, „Ihr Gesicht kommt mir so bekannt vor, aber wenn Ihnen das unangenehm ist, so...“

       „Bitte“, sagte der Dolmetsch, wurde aber doch dabei bis hinter die Ohren rot, „wie kann mir das unangenehm sein? Mein Name ist Weigel – F. G. Weigel, Esquire.“

       „Hatten Sie nicht früher einmal eine Auswanderer-Agentur in Deutschland?“

       „Allerdings, aber schon vor längeren Jahren.“

       „Und hielten sich nachher einige Jahre in New York auf?“

       „Drei Jahre, ja – aber mit wem habe ich das Vergnügen?“

       „Mein Name ist vom Berge“, sagte Wolf gleichgültig. „Sie werden mich wohl kaum kennen, aber ich glaube, wir sind uns dort begegnet“, und leise den Kopf gegen ihn neigend, wandte er sich um, nahm Georgs Arm und verließ mit diesem den Platz.

       „Kannten Sie den Burschen?“, frug Georg, als sie wieder hinüber zu den Pferden gingen.

       „Allerdings“, sagte Wolf, mit dem Kopf nickend, „und meiner Meinung nach ist es einer der größten Schurken, die jemals den Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt und Tausende von Menschen um ihr Geld betrogen haben. Er hatte in New York ein Landverkaufscomptoir errichtet, aber sie kamen ihm auf die Sprünge, und ich war einst Zeuge, wie ihn zwei handfeste junge Burschen aus seiner Bude holten und dermaßen auf der Straße durchprügelten, dass er vier Wochen das Bett hüten musste. Nachher wurde ihm der Platz wahrscheinlich zu warm, und er machte, dass er fortkam. Niemand erfuhr auch, wohin er sich gewandt, und es scheint jetzt, dass er hier im Westen sein Asyl aufgeschlagen. Er muss aber doch heruntergekommen sein, dass er nicht mehr auf eigene Hand, sondern für andere arbeitet. Gnade aber Gott den armen Teufeln, die sich durch ihn bewegen lassen, eine Heimat zu gründen, denn Gewissen soll der Schuft so wenig haben wie eine Klapperschlange.“

       „Der Yankee hat ebenfalls ein polizeiwidriges Gesicht“, lachte Georg still vor sich hin, „aber derartiges Gesindel, menschliche Blutegel, die besonders auf Deutsche fahnden, gibt es überall in den Staaten, und sie lassen sich ebenso wenig ausrotten, wie unsere biederen Landsleute davon abbringen, sich ihnen anzuvertrauen. Wer ihnen nach dem Munde spricht, das ist ihr Mann, sie klammern sich an ihn als l e t z t e Hoffnung, und es bleibt stets das undankbarste Geschäft, ihnen die Wahrheit zu sagen.“

       „Aber es schadet ihnen auch nichts, wenn sie einmal angeführt werden“, lachte Rolf. „Es ist eines der wahrsten Sprichwörter im ganzen Land, dass niemand einen Dollar in Amerika verdient, bis er nicht den letzten, mit von der alten Heimat herübergebrachten Cent verzehrt hat. Die Leute wollen und m ü s s e n erst durch Schaden – wenn auch nicht klug werden, denn dazu gehört noch mehr – aber doch wenigstens zu der Überzeugung kommen, dass sie bis dahin furchtbar dumm gewesen, und das bleibt immer der Anfang zum Besseren. Also wollen wir hier das Volk nur auch seinem Schicksal überlassen. Sie haben Ihre Pflicht getan und sie gewarnt, und wenn sie jetzt mit beiden Füßen in einen heißen Brei hineinspringen, nun, so mögen sie auch selber zusehen, wie sie wieder hinauskommen. Lassen Sie uns jetzt den Platz besehen, Georg, denn ich muss Ihnen gestehen, dass mir Donnersville – besonders mit Ihrer Familie hier in der Nachbarschaft, ausnehmend gefällt. In die steifen, geregelten und unnatürlichen Formen Deutschlands passe ich doch nicht mehr hinein. Ich würde den Leuten ins Gesicht lachen, wenn sie mich ,gnädiger Herr Graf’ nennen, und – da wir hier die Sklaverei abgeschafft haben, widersteht es mir, da drüben wieder Menschen in Livree, also weiße Sklaven, zu sehen und Zeuge all des Jammers zu sein, der dort noch unter der arbeitenden Bevölkerung, besonders der weiblichen, herrscht. Ich weiß, dass ich schon im ersten Jahre mein Vermögen aus dem Fenster werfen würde, nur um den Jammer zu lindern, und das wäre denn doch nichts anderes, als einen Fingerhut voll Wasser aus der See schöpfen. Kommen Sie – der Teufel hole die Grillen.“ Und in den Sattel springend, trabten die beiden jungen Leute die Straße hinab.

      SIEBTES KAPITEL

      Eine Negerversammlung.

       Die kleine, betriebsame Stadt Covington liegt der Königin des Westens, dem großen Cincinnati, genau gegenüber im Staat Kentucky, und die schönste und l ä n g s t e Brücke der Welt, was wenigstens die Spannung des Hauptbogens betrifft53, verbindet jetzt die beiden Orte miteinander.

       Kentucky ist einer der nördlichsten Sklavenstaaten54, der Ohiostrom, der aber im Sommer so seicht wird, dass man ihn an manchen Stellen durchwarten kann, trennte hier die freien von den Sklavenstaaten, und nur das Auslieferungsgesetz flüchtiger Neger55, das der Norden bis zum Kriege aufrecht erhielt, schützte den Süden. Das war jetzt vorüber. So sehr gerade Kentucky gegen die sogenannten Abolitionisten – das heißt solche, welche die Sklaverei systematisch bekämpften – geeifert und mehrmals sogar, gerade von Covington aus, seine Banden nach Cincinnati in Ohio hinübergesandt hatte und dort die Druckerei zerstören ließ, die in freisinniger Weise für die Menschenrechte auch der Neger aufzutreten wagte, so fühlten sich die Neger dieses Staates doch am ersten sicher, dass sie nicht wieder in Fesseln geschlagen werden konnten. Über den Ohio war es nur ein Schritt, und Unionstruppen standen überdies noch in ihrem Land und schützten sie gegen offene Gewalt.

Roebling

      Johann August Röbling

covington 


                  <div class= Скачать книгу